«Ein Fotobuch zu erstellen ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe», sagt Marcel Chassot.  Bild: www.mcpd-photodesign.ch
«Ein Fotobuch zu erstellen ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe», sagt Marcel Chassot. Bild: www.mcpd-photodesign.ch

Kunst & Design

Architektur mit den Augen des Bildregisseurs betrachten

Marcel Chassots zweites Fotobuch «Architektur und Fotografie – Staunen als visuelle Kultur» wirft einen verblüffenden Blick auf die Gegenwartsarchitektur.

Es ist ein gewichtiges Werk, im wahrsten Sinn des Wortes. Das über 370 Seiten starke Fotobuch des Wollerauer Fotografen Marcel Chassot wiegt satte drei Kilogramm. Gewichtig aber auch im übertragenen Sinn: Sein zweites Buch ist kein Bildband, den man mal einfach so schnell durchblättert und die Texte kurz überfliegt. Die Bilder ziehen die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, wie abstrakte Gemälde in einem Kunstmuseum. Die Begleittexte des deutschen Architekten und Architekturtheoretikers Wolfgang Meisenheimer sind dicht,zwingen den Leser das eine oder andere Mal, den Satz ein zweites Mal zu lesen.


«Im Gegensatz zu einer Landschaft, deren Schönheit uns geradezu überfällt, will Schönheit bei modernen Bauwerken vom Fotografen in sehr viel höherem Masse erarbeitet sein», schreibt Marcel Chassot in seinem Vorwort. Santiago Calatravas Bahnhof in Liège, Herzog & de Meurons Elbphilharmonie in Hamburg oder Mario Bottas Bergoase in Arosa sind als Bauwerke an und für sich schon beeindruckend. Marcel Chassot richtet seinen Fokus aber nicht aufs Ganze. Er spielt mit Linien, mit Geometrie, mit Spiegelungen und mit Lichteffekten. Dadurch werden die Fotos zu abstrakten Kunstwerken. Mal geometrisch streng, mal mit schwungvoller Leichtigkeit, mal mit verblüffenden Farbkontrasten. Chassot erarbeitet eine Schönheit, die beim Betrachten des gesamten, monumentalen Bauwerks leicht verloren geht. «Der Bildregisseur versteht es, die subjektive Welt des Spürens in den architektonischen Objekten sichtbar zu machen», schreibt Wolfgang Meisenheimer.


Das Sehen lehren


Marcel Chassot meidet die «Schrottplätze der Ästhetik», wie es Wolfgang Meisenheimer ausdrückt. «Er bildet aus den wenigen Objekten seines Interesses Inseln der Aufmerksamkeit und den Handlungsraum seiner Wahrnehmungspädagogik. Denn er will Sehen lehren.» Und wirklich: Chassots Bilder animieren die Betrachterin, den Betrachter, den Blick nicht nur auf das ganze Bauwerk zu richten, sondern zu fokussieren.


Faszinierende Perspektiven


Dazu ist es nicht zwingend nötig, nach Hamburg, Liège oder London zu reisen. Marcel Chassots Bilder von der von Santiago Calatrava entworfenen Bibliothek des Rechtswissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich zeigt faszinierende Perspektiven. Oder bei einem Gang durch die von David Chipperfield entworfene Europaallee 23 in Zürich eröffnen sich – mit dem entsprechenden Fokus – kleine Kunstwerke. Und wer Sehen gelernt hat, findet in der nähren und weiteren Umgebung das eine oder andere Bauwerk, auf das man den Fokus in der Art von Chassot richten kann.


«Ein Fotobuch zu erstellen ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe», sagt Marcel Chassot. Und so hatte der ehemalige Lehrer an der Kantonsschule Ausserschwyz in Pfäffikon nach seinem Erstling «abstrahieren – geometrisieren – ästhetisieren » genug. Vorerst. Denn Chassot konnte sich, wie er es ausdrückt, dem Suchtpotenzial der Bauwerke moderner Architekten nicht länger entziehen. Unter dem Arbeitstitel «Architektur ist gefrorene Musik» ergänzte Chassot bereits vorliegende Bilder mit einer Fülle von neuen Aufnahmen. Entstanden ist ein monumentales Werk – mit vielen Fotos, in denen sich die Augen der Betrachter verlieren können und Texten von Wolfgang Meisenheimer, der die Bilder in einen kulturhistorischen Kontext setzt.


Höfner Volksblatt & March Anzeiger / Hans-Ruedi Rüegsegger

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Kunst & Design

Publiziert am

18.07.2018

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