Elena M. Fischli (links) führte das Matineepublikum in den Film ein, flankiert von Moderatorin Laura Zehnder. Foto: Gina Graber
Elena M. Fischli (links) führte das Matineepublikum in den Film ein, flankiert von Moderatorin Laura Zehnder. Foto: Gina Graber
Kämpfte zusammen mit seinem Bruder Paul Gyr für den verloren gegangenen Grund und Boden: Anton Gyr. Foto: zvg o
Kämpfte zusammen mit seinem Bruder Paul Gyr für den verloren gegangenen Grund und Boden: Anton Gyr. Foto: zvg o

Film

Ein verblüffend aktueller Film

Karl Saurers filmisches Meisterwerk «Der Traum vom grossen blauen Wasser» (1993) über die Entstehung des Sihlsees ist restauriert und digitalisiert worden. Die technisch erneuerte Fassung wurde anlässlich einer sonntäglichen Filmmatinee im Kino Cineboxx gezeigt.

Einer grossen Mehrheit der geladenen Gäste und vielen weiteren Einsiedlerinnen und Einsiedlern dürfte Karl Saurers Film «Der Traum vom grossen blauen Wasser » bekannt sein. Die filmische Dokumentation aus dem Jahr 1993 spannt einen weiten Bogen von den existenziellen Nöten der Einheimischen im neunzehnten Jahrhundert über die Realisierung des Stausees bis zu den politischen Kämpfen im Zusammenhang mit der Erneuerung der Etzelwerkkonzession um 1990.

Technikfaszination und Gier nach Elektrizität


Man mag heute mit Schillers Worten verträumt sagen: «Es lächelt der See, er ladet zum Bade.» Heutige Fischer und Freizeitsportlerinnen denken beim Blick über den Sihlsee denn auch kaum an die langwierige und teils leidvolle Entstehungsgeschichte des grössten Wasserspeicherbeckens der Schweiz. Über 1700 Menschen bewohnten das Sihlhochtal, bis sie in den 1930er-Jahren dem Wasser weichen mussten. Die Technikfaszination und die Gier nach der «weissen Kohle», wie man die Elektrizität nannte, trieben den industriellen Fortschritt unaufhaltsam voran. Der Widerstand gegen den Bodenverlust war zwecklos, das Tal versank alsbald in den Fluten. Karl Saurer (1943–2020) habe sich oft gefragt, ob er es schaffe, diesen Bogen angemessen zu spannen, erinnert sich seine Lebenspartnerin Elena M. Fischli. «Kari wollte mit seinem Film nicht erklären, sondern verschiedenste Aspekte Collageartig aufzeichnen», ergänzt sie. Jeder Zuschauer, jede Zuschauerin sollte sich eigene Gedanken zum Geschehen machen und sich eine eigene Meinung bilden können.

Die filmische Geschichte der Region bewahren


Das Original des Films war nach fast dreissig Jahren in einem sehr schlechten Zustand, das Celluloid zerfiel immer mehr. Auch die digitale Fassung war von schlechter Qualität und hätte nicht mehr im Kino gezeigt werden können. Karl Saurer wollte den Film selbst restaurieren; leider verstarb er mitten in der Planung zu diesem Vorhaben vor zweieinhalb Jahren ganz plötzlich. Darauf führte Elena M. Fischli die Planung für die Restaurierung fort. «Wir mussten etwas unternehmen, denn die filmische Geschichte dieser Region muss man bewahren», sagt sie rückblickend. In Franziska Reck (Produzentin Reck Filmproduktion), Filmrestaurator Paul Avondet und Filmproduzent Ueli Nüesch fand sie hervorragende Fachleute für die Restauration von Karl Saurers Dokumentarfilm. Nach anderthalb Jahren Arbeit liegt «Der Traum vom grossen blauen Wasser» nun in neuer Frische vor. Elena M. Fischli betont, dass nichts verändert wurde: «Bei Karis Film handelt es sich um ‹die Biografie einer Sache›, deshalb haben wir beispielsweise darauf verzichtet, die Namen von zu Wort kommenden Personen nachträglich einzublenden.»

Ausführliche DVD-Edition mit Bonusmaterial


Der restaurierte Film ist nun als DVD erhältlich. Die Edition wird ergänzt durch ein 24-sei-tiges Booklet mit wertvollen Hintergrundinformationen wie die Namen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und deren Lebensdaten. Im Büchlein fin-den sich nebst eindrücklichen Bildzeugnissen auch Texte von Betroffenen, Erläuterungen von Karl Saurer und Informationen zum heutigen Konzessionsvertrag. Ein ganz besonderer Bonus auf der DVD ist der Kurzfilm über die Brüder Paul und Anton Gyr, die als Kinder wegen des Stausees ihr Heimet verlassen mussten. In einem Gesprächsmitschnitt plädieren «s Leisis» so tiefsinnig wie leidenschaftlich für bewussteren Stromverbrauch und mehr Gerechtigkeit. Diese Thematik ist heute wieder brandaktuell und beschäftigt die Bevölkerung landauf, landab: Konflikte zwischen Eigenständigkeit und Fremdbestimmung, zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen flam-men auf und spalten die Fronten. Wie soll die Energiequelle Wasser und der daraus gewonnene Strom in Zeiten der unsicheren Energieversorgung bewirtschaftet werden? Wie finden wir ein Gleichgewicht zwischen Nutzung und Schutz der natürlichen Ressourcen, die nicht unendlich sind? Karl Saurers bildstark restaurierter Film führt mitten in die gegenwärtige Debatte um Wasser, Naturschutz und Strom.

Infos


«Der Traum vom grossen blauen Wasser», Spielzeiten im Kino Cineboxx: 5.11., 18 Uhr; 6.11., 11 Uhr; 8.11., 20.15 Uhr.
Die DVD ist erhältlich bei Elena M. Fischli, Hauptstrasse 85, und in der Buchhandlung Benziger in Einsiedeln.

Einsiedler Anzeiger / Gina Graber

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

02.11.2022

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