Franz Hohler erinnert sich im Gespräch mit Walter Kälin noch sehr genau an Mani Matter, sein Wirken und seine Werke. Foto: Einzelbild aus der Videoaufzeichnung
Franz Hohler erinnert sich im Gespräch mit Walter Kälin noch sehr genau an Mani Matter, sein Wirken und seine Werke. Foto: Einzelbild aus der Videoaufzeichnung
 Walter Kälin erläutert die Beziehung von Mani Matter mit dem Benziger Verlag, in den Händen Matters Liedersammlungen «Warum syt dir so truurig?» und «Us emene lääre Gygechaschte». Foto: Gina Graber
Walter Kälin erläutert die Beziehung von Mani Matter mit dem Benziger Verlag, in den Händen Matters Liedersammlungen «Warum syt dir so truurig?» und «Us emene lääre Gygechaschte». Foto: Gina Graber

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«Und so blybt no sys Lied ...»

Der Tod des Berner Chansonniers Mani Matter hat sich am vergangenen Donnerstag zum fünfzigsten Mal gejährt. Just an diesem Abend fand im Haus Fram die Filmvorführung des Interviews von Walter Kälin mit Franz Hohler statt.

Für das inspirierende Gespräch über den unvergessenen Troubadour hatte Walter Kälin den bald achtzigjährigen Schriftsteller, Kabarettisten und Liedermacher Ende Oktober in seinem Haus in Zürich Oerlikon besucht. Franz Hohler wird nächstes Jahr achtzig Jahre alt und beschränkt seine öffentlichen Auftritte deshalb mit Bedacht. Aber Walter Kälins Bitte um ein Interview kam er dennoch gerne nach und empfing ihn dafür bei sich zu Hause. Das Gespräch wurde von Franz Kälin auf Video aufgezeichnet und am 24. November 2022 vor zahlreichem Publikum in der Fram vorgeführt.

Dr Mani


Ist der Mensch sterblich? Ja. Kann man unsterblich sein? – Mani Matter (1936–1972) ist vielleicht einer jener Menschen, die dank ihres künstlerischen Nachlasses scheinbar ewig lebendig bleiben. Manche seiner berndeutschen Lieder kennen viele Schweizerinnen und Schweizer aller Generationen auswendig, Popgruppen landauf, landab covern seine Songs. Die Leichtigkeit, die seinen Liedtexten innewohnt und sie so eingängig macht, ist das Resultat ausserordentlich sorgfältiger Arbeit. Mani Matter hat «Dr Sidi Abdel Assar vo El Hama» und andere Lieder nicht einfach aus dem Ärmel geschüttelt. «Mani konnte etwas lange liegen lassen, für ‹Dr Sidi› nahm er sich mehr als ein Jahr Zeit», erzählt Franz Hohler im Gespräch mit Walter Kälin, Vizepräsident des Fram-Clubs. Hohler war mit Mani Matter und seiner Frau Joy befreundet. An jenem verhängnisvollen Abend am 24. November 1972 hatte «dr Mani» nach einem Konzert in Rapperswil bei Franz Hohler übernachten wollen.

Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod


Ob sich Kunstschaffende mehr als andere Menschen mit dem eigenen Tod beschäftigen, bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall haben sie die Gabe, diese Gedanken in ihren Werken fassbar zu machen. «Nach dem Hören von Interpretationen hat man immer Lust aufs Original.» Franz Hohler über die Lieder von Mani Matter Auch von Mani Matter gibt es verschiedene künstlerische Zeugnisse, dass der eigene Tod für ihn immer wieder Thema war. Im Lied «Einisch am’ne Morge» beschreibt er, wie sich zwei seiner Bekannten über sein Able-ben unterhalten. «Eh was du nid seisch», sagt der eine. Diese bescheidene Reflexion sei typisch gewesen für Mani, erinnert sich Franz Hohler: «Er hat sich selbst immer zurückgenommen. » Obwohl er schon zu Lebzeiten populär war, begann Mani Matter erst gut ein Jahr vor seinem Tod solo aufzutreten. Vorher war er jeweils zusammen mit anderen bekannten Berner Troubadouren in den Kleintheatern unterwegs.

Juristerei, Philosophie und Nonsens


Mani – der eigentlich Hans Peter Matter hiess – war Jurist. «Mani konnte einem die ganze abendländische Philosophie erklären, hatte aber auch kindliche Freude an Nonsens», beschreibt ihn Franz Hohler. Sich auf das Risiko Kunst einzulassen und hauptberuflich auf die Musik zu setzen, kam für Mani Matter nicht in Frage, hatte er doch eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Vielleicht ermöglichte ihm gerade dieser so anders geartete Brotjob die Freiheit, sich akribisch und mit viel Tiefsinn mit seinen Liedern auseinanderzusetzen. «Mani ging den feinen Formen nach und spürte die Musikalität seiner Texte, er war auch ein toller Komponist», schwärmt Franz Hohler im Interview mit Walter Kälin. Leider sei Matter künstlerisch immer etwas unterschätzt worden, vor allem das Schweizer Fernsehen habe ihn stiefmütterlich behandelt. Hohler, der damals beim Schweizer Fernsehen tätig war, ist es denn auch zu verdanken, dass etliche ungesendete TV-Aufnahmen von Mani Matter erhalten geblieben und nicht im Abfall gelandet sind.

Tiefgang unter der Oberfläche


Gemäss Franz Hohler war Mani Matter ein Menschenfreund. Die Themen für seine Lieder fand er im Alltag und durch liebevolle Beobachtung seiner Mitmenschen. Daraus entstanden Lieder wie «Bim Coiffeur», «Dr Parkingmeter», «Betrachtige über nes Sändwitsch» oder «Farbfoto», die scheinbar belanglose Szenen schildern und in philosophischen Betrachtungen enden. «Je mehr man sich in Mani Matters Texte vertieft, desto mehr findet man in ihnen», sinniert Franz Hohler. Matters Lieder erscheinen auf den ersten Blick witzig, skurril oder absurd, offenbaren aber beim zweiten, dritten Hinhören ihren gesellschaftskritischen, politischen oder auch tieftraurigen Grundton. Darüber, wie sich Mani Matter künstlerisch weiterentwickelt hätte, kann man nur spekulieren. Mani Matter lebt in seinem Werk so weiter, wie er es uns 1972 hinterlassen hat. Seine Lieder bleiben und werden von Musikschaffenden laufend neu interpretiert. Doch Franz Hohler sagte es am Ende des Gesprächs treffend: «Nach jeder gecoverten Version hat man das Bedürfnis, Manis Lieder im Original zu hören.» Mani Matter, Franz Hohler und der Benziger Verlag ggm. Der Fram-Club erinnerte mit diesem Gespräch zwischen Franz Hohler und Walter Kälin an Mani Matter, weil dessen Bücher in den 70er-Jahren im Benziger Verlag erschienen sind und das Museum Fram im Untergeschoss das Archiv des Verlags bewahrt. Neben vier Büchern von Mani Matter selber ist dort auch der Porträtband von Franz Hohler zu finden, der jetzt im Zytglogge Verlag neu herausgekommen ist. Walter Kälin kennt Franz Hohler seit seiner Tätigkeit beim Schweizer Radio DRS persönlich.

Einsiedler Anzeiger / Gina Graber

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

29.11.2022

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