Der Fotografiehistoriker Markus Schürpf führte durch die Ausstellung im Chärnehus. Foto: zvg
Der Fotografiehistoriker Markus Schürpf führte durch die Ausstellung im Chärnehus. Foto: zvg

Dies & Das

Fotograf(i)en-Rosinen beurteilt

Die Ausstellungsgruppe des Kulturvereins Chärnehus lud zur Dreikönigs-Matinee den Fotografiehistoriker Markus Schürpf vom Fotobüro Bern ein, die laufende Ausstellung über Fotograf(i)en zu kommentieren.

40 Personen folgten den Ausführungen von Markus Schürpf, der nicht mit Lob über die Arbeit der Ausstellungsgruppe sparte, die sehr viel Material in einer guten Mischung verwoben habe, den Wandel lehrbuchmässig aufzeige und die angestrebte Vollständigkeit mit dem hier in Einsiedeln Vorhandenen erreicht habe. Die umfassende Schau würde sich als Lehrausstellung für Fotografiestudenten bestens eignen. Ausser der Daguerreotypie, der Vorgängerin der Fotografie, die in Einsiedeln nach dem jetzigen Stand nicht mehr vorhanden ist, biete die Ausstellung alles Wissenswerte. Mit der Zentrumsfunktion als Wallfahrtsort bot Einsiedeln immer mindestens zwei Fotoateliers Arbeit. Dies ist laut Schürpf eine Dichte, die in der Schweiz in vergleichbaren Orten nicht gefunden werde.


Bemerkenswerte Exponate


Als höchst bemerkenswert beurteilte er die von Marian Schönbächler aus mehreren Fotografien der Klosterkonventualen und der Familie Benziger verfertigten Fotografiekompositionen zu einem grossen kolorierten Bild. Die Fotografien sind bei den nicht kolorierten Partien, vor allem in den Gesichtern, mittlerweile verbleicht. Die prächtigen Kolorierungen sind aber vor allem bei der Klosterfoto sehr aufwendig und auch mit Gold ausgeführt und noch sehr gut erhalten. Eine weitere Auffälligkeit in Einsiedeln sei die starke Vertretung von Frauen im hiesigen Fotogewerbe, sei es als Fotografinnen wie Josephine Kälin oder Wilhelmine Marthaler, sei es als Geschäftsbesitzerinnen mit einem Geschäftsführer wie Witwe Katharina Lienhardt-Oechslin oder die Geschwister Lienhardt oder sei es als Mitarbeiterin im Geschäft wie Hermine Kälin-Ochsner. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Ausführungen betraf das Tageslichtatelier aus dem ehemaligen Fotoatelier Gasser, welches als Leihgabe vom Schweizerischen Nationalmuseum glaubwürdig mit Atelierkamera, Kulissenhintergrund, Retuschierpult und angeschlossener Dunkelkammer das Herz der Ausstellung bildet.


Einzigartiger Allrounder


Markus Schürpf kam auch auf Foti Fränzel zu sprechen, welcher in seinen Augen ein wirklich einzigartiger Allrounder sei. Vollends ins Schwärmen geriet er dann vor dem winzig kleinen Fotoapparat von 1900 von Karl Hensler senior, welcher bereits als 12-Jähriger mit dem Fotografieren begann und mit dieser Kamera (Erstehungskosten 2.50 Franken!) hervorragende Fotos machen konnte. Anhand dessen farbigen Glaspositiven konnte mittels der Vergrösserungen auf der Leuchtwand sehr gut die nachträgliche Kolorierung gezeigt und so der Unterschied zu dem zu dieser Zeit auftretenden Autochromverfahren für Diapositive demonstriert werden. Zum Schluss kam der Referent vor einer Kuhfoto mit dem zugehörigen Glasplattennegativ auch noch auf seine Vorliebe Tierfotografien, will heissen Fotografien von Kühen und Stieren, zu reden. Er lernte im Simmental die Bilder des Wander- und Viehfotografen Arthur Zeller kennen und hoffte, in Einsiedeln einen weiteren Viehfotografen vorzufinden. Man beschied ihm, dass diese Fotografie- Spezialität in unserer Region keine Bedeutung hat, dass es sich um einen Einzelfall und bei diesem Ausstellungsobjekt auch um eine Vorliebe handle – nämlich um die des ausstellenden Viehdoktors im Ruhestand. Nach diesem spannenden Vortrag waren sich alle einig, dass eine Foto tatsächlich mehr als tausend Worte sagen kann, zumal wenn ein so profunder Kenner der Fotografiegeschichte wie Markus Schürpf die Augen für die verborgenen Rosinen zu öffnen versteht.


Einsiedler Anzeiger / Markus Staub

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Dies & Das

Publiziert am

08.01.2019

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