Urs Kündig, Regisseur des Fasnachtsspiels, auf dem Hauptplatz, wo «Was ächt Schwyz» schon heute Abend wieder aufgeführt wird. Bild: Silvia Camenzind
Urs Kündig, Regisseur des Fasnachtsspiels, auf dem Hauptplatz, wo «Was ächt Schwyz» schon heute Abend wieder aufgeführt wird. Bild: Silvia Camenzind

Bühne

«Jetzt liegt es nicht mehr an den alten Frauen und Mannen»

Gestern feierte das Fasnachtsspiel «Was ächt Schwyz» auf dem Hauptplatz Premiere. Urs Kündig hat als Regisseur die verschiedenen Elemente des Spiels zu einem Ganzen verwoben.

Mit Urs Kündig sprach Silvia Camenzind


Silvia Camenzind: Die Premiere ist vorbei. Fällt dem Regisseur eine Last von den Schultern?


Urs Kündig: Hundertprozentig. Eine Riesenlast. Der Entscheid, dass das Fasnachtsspiel stattfindet, liegt ein Jahr zurück. Wir haben diese Riesenkiste in diesem Jahr von null auf hundert hochgefahren. Jetzt habe ich Freude, wenn das Fasnachtsspiel beim Publikum Anklang findet.


Verpflichtet die grosse Tradition, auch wenn es sich jetzt nicht mehr Japanesen-, sondern Fasnachtsspiel nennt?


Die Geschichte der Japanesen geht immerhin auf das Jahr 1857 zurück. Ich unterscheide ganz klar: Es ist ein Fasnachtsspiel im Auftrag der Japanesengesellschaft. Wir haben traditionelle Teile im Spiel und auch die Figur des Japanesen. Doch wir hatten immer freie Hand. Niemand hat uns reingeredet.


Wie schafften Sie es als Regisseur, die Übersicht über 100 Mitwirkende zu behalten? Sind Sie geübt, weil Sie schon das zweite Mal an einem Fasnachtsspiel Regie führen, auch schon Kaiser waren und überhaupt seit Ihrer Jugend beim Japanesenspiel mitwirken?


Eine Herausforderung ist es immer. Meine Bedingung war von Beginn an, dass die Produktion professionell begleitet wird.


Was hat Sie an der Probenzeit begeistert?


Genau diese Zusammenarbeit mit hochprofessionellen Leuten, angefangen mit Autor Roger Bürgler und dem Kulturwerk. Das ist auch das künstlerische Team von Casa Magica mit Friedrich Förster und Sabine Weissinger, die im Auftrag von Brigitte Roux für die Illumination verantwortlich sind. Ich staune über ihr visuelles Denken. Dann auch die Zusammenarbeit mit dem musikalischen Leiter David Bürgler und den Tänzerinnen der Dance Company. Choreografin Sonja Bolfing hat spontan zugesagt. Auch mit Ausstattungschefin Zita Breu und Visagistin Donatella Mognol als war es prima zusammenzuarbeiten.


Sie und viele, die das Fasnachtsspiel gestern an der Premiere gesehen haben oder noch sehen werden, kennen das Japanesenspiel, wie es früher war. Erklären Sie, was heute anders ist.


Das Einschneidendste ist, dass der Hofstaat des Kaisers nicht mehr auftritt. Gewisse Inhalte, nämlich, dass sich die Schwyzer in ihrem eigenen Zeug suhlen und streiten und zu einer Lösung finden müssen, findet man auch im diesjährigen Fasnachtsspiel. Diesmal ist es mit dem Blätz der Güdelzischtiger eine Fasnachtsfigur, die den Schwyzern sagt: «Ihr bringt keine Innovation, ihr findet keinen gemeinsamen Nenner. Doch ihr selber habt es in der Hand.» Diese Aussage ist sehr traditionell. In früheren Spielen sagte dies zum Beispiel der Tenno oder auch die Mutter Fasnacht.


Wie oft hörten Sie die letzten Wochen «Was ächt»? Verwenden Sie diesen typischen Ausdruck selber auch?


Während der Proben geschätzte tausend Mal. Doch vom Titel sprachen wir eigentlich nicht. Privat sag ich das nicht. Da halte ich es eher mit unserem Spieler Alois Fassbind «Laui Wisi», der den Älpler spielt und Kraftausdrücke braucht wie «verreckte Cheib».


Was reizt Sie an der Aufgabe, so viele verschiedene Elemente – Schauspiel, Tanz, Musik und Licht – unter einen Hut zu bringen?


Ich koche gerne und vergleiche das Erarbeiten einer solchen Produktion gerne mit dem Kochen. Zuerst habe ich die Idee, gehe einkaufen und mache die Mise en Place: Das Gemüse zuerst, das Fleisch wird später nur kurz angebraten. Ein Freilichtspiel zusammenzubringen, ist ähnlich. Zuerst hat man den Text, dann sitzt er schon gut, man geht nach draussen auf die Bühne, der Boden ist eisig, es ist kalt, ungemütlich. Es wird wieder schwieriger. Dann kommt die Tribüne, die Beleuchtung, die Tänzerinnen sind dabei. Am Schluss die Sauce: Die Laienspielerinnen und -spieler erhalten ihre Mikrofone im absolut professionellen Umfeld. Und ganz am Schluss hat man ein schönes Menü beisammen.


Einmalig ist, dass für die Illumination ein Team von Brigitte Roux nach Schwyz kommt. Wie haben Sie das erlebt?


Friedrich Förster und Sabine Weissinger von Casa Magica arbeiten in Tübingen. Vieles haben wir per Mail besprochen. Sie waren aber auch vor Ort, und, wie schon erwähnt, man spürte sofort, wie fotografisch sie denken. Alle Aufnahmen sind von Schwyz, von den Bsetzisteinen bis zu den Feuersteinen, die von der Kirchenfassade stürzen. Es war eine gewaltige und anspruchsvolle Sache, riesige Datenmengen wurden ausgetauscht.


Wie viele Stunden haben Sie in das einstündige Spektakel investiert?


Ich habe mir geschworen, diese nicht zu zählen. Die Profis, die mitwirken, können gar nicht glauben, dass ich in einem 100-Prozent-Pensum als Primarlehrer arbeite. Das kann ich als Kompliment verstehen. Ich unterrichte eine sehr liebe gemischte 1. und 2. Klasse. Sie fordert mich mental nicht ständig, und ich konnte in den Ferien viel für den Unterricht vorbereiten. Ich geniesse meine Klasse. Nach der Schule ging ich nach Hause und bereitete die Proben vom Abend vor. Das war sehr intensiv. Meine Partnerin hielt mir den Rücken frei, und auch meine Regieassistentin Ruth Feubli ist ein Goldschatz, sie ist immer da.


Erstmals wird nur nachts gespielt, was verändert das?


Grundsätzlich alles, weil man mit einer guten Lichtregie arbeiten kann. Die Videoeinspielungen und die Illuminationen sind nur bei Dunkelheit möglich.


Es gibt keine Stehplätze mehr, also auch keine günstigen Plätze. Ist das ein Thema?


Es ist nicht möglich, sich vorne hinzustellen, sonst hätten wir die Tribüne anders platzieren müssen. Beim letzten Spiel verkauften wir je nach Wetter zwischen 20 und 100 Stehplätze. Die Tribüne war immer voll besetzt. Der Besuch des Spiels ist tatsächlich eine relativ teure Sache, doch der Preis entspricht anderen Freilichtveranstaltungen. Der Aufwand ist gross, und zum Glück haben wir Sponsoren. Wir verdienen aber kein Geld mit dem Spiel. Läuft es gut, können wir die Kosten decken. Wir können nicht alle alten Traditionen übernehmen. Im Opernhaus kann man sich auch nicht einfach vorne hinstellen.


Humor ist etwas Schwieriges. Bringt das Spiel die Leute zum Lachen?


Wir lachten an den Proben wegen keinem der Gags mehr. Wir kannten sie ja alle. Doch als sich einmal zwei, drei Personen auf der Tribüne hinsetzten und uns ein wenig zuschauten, kam von der Tribüne schallendes Gelächter. Wir schauten uns verwundert um, wir waren uns das nicht gewohnt. Dennoch ist es kein Schenkelklopfer, aber das Spiel ist vielfältig und kurzweilig.


Werden Auswärtige die Pointen verstehen?


Viele Frühbuchungen kamen von auswärts. Ich zweifle nicht, dass Auswärtige den Inhalt verstehen. Das Fasnachtsspiel ist eine relativ einfache Geschichte. Man kann das Spiel geniessen.


Hat sich während der Proben noch die eine oder andere Pointe ergeben?


Ja, wir haben die Bäckerstochter eingebaut. «Laui Wisi», der in seiner Rolle Käse verteilt, bringt dazu einen Spruch.


Gibt es so etwas Ähnliches wie dieses Freilichtspiel anderswo auch?


Die Illumination zusammen mit Theater, Livemusik und Tanz ist einmalig. Es gibt viele Illuminationen, aber so etwas nicht. Darum hoffen wir, dass sich das jetzt viele anschauen werden.


Haben Sie eigentlich Lust, selber wieder einmal Theater zu spielen?


Ja, aber lieber in einer kleineren Formation. Ich hätte Spielideen, warte damit aber bis nach meiner Pensionierung.


Wie viel Japanesen steckt Ihrer Ansicht nach noch im Fasnachtsspiel?


Nur schon, dass wir das im Auftrag der Japanesen verwirklichen, einen Übergangskaiser gefunden haben und auch einen Kaiserschmaus veranstalten, weist auf die Japanesen hin. Für mich ist es die letzte Chance. Eine jüngere Generation hat es jetzt in der Hand, das Spiel zu übernehmen und weiterzuführen – oder es zu lassen. Es liegt nicht mehr an den alten Mannen und Frauen dieser Fasnachtsgesellschaft. Wir wollen offenlassen, wie es weitergeht.


Bote der Urschweiz / Silvia Camenzind

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

23.02.2019

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