Die Schriftstellerin Margrit Schriber wuchs in Brunnen und Küssnacht auf, heute lebt sie in Zofingen. Bild Archiv SKP
Die Schriftstellerin Margrit Schriber wuchs in Brunnen und Küssnacht auf, heute lebt sie in Zofingen. Bild Archiv SKP

Literatur

Mädchenschwarm löst ein Drama aus

Margrit Schriber zeigt in ihrem neuen Roman eine Dorfidylle der 1960er-Jahre.

Das wird böse enden. Man erfährt es in den ersten Textzeilen: Das 13-jährige Chormädchen Kitty will die Frau des Chorleiters erschiessen. Diese wiederum ist die Ich-Erzählerin, was suggeriert, dass sie überleben wird. Hintergrund des sich anbahnenden Dramas: Eifersucht. Nach der Lektüre des neuen Romans von Margrit Schriber, in Brunnen und Küssnacht aufgewachsen und heute in Zofingen wohnhaft, fragt man sich: War dieser Einstieg nötig, der die dramatische Kulmination bereits verrät? Die Autorin meint dazu: «Mich hat es gereizt, mit einem Paukenschlag zu starten.» Doch wäre es nicht origineller gewesen, die Story aus der vermeintlichen Harmlosigkeit heraus zu entwickeln?

Er fördert Chormädchen in so manchen Belangen


Es soll dies der einzige kritische Einwand sein. Die Harmlosigkeit ist der spannende Nährboden für die menschlichen Abgründe, die sich nach und nach enthüllen. Der begnadete Musikus Charly lässt sich in den 1960er-Jahren als Organist und Chorleiter in einem idyllischen Schweizer Dorf engagieren, begleitet von Gattin Rosy. Dort verzaubert er alle. Vor allem die Mädchen des Chores, den er flugs gegründet hat. Ihnen gibt er das Gefühl, Stars werden zu können – solche wie in der allwöchentlich verschlungenen «Bravo». Und er wird zur Projektionsfläche ihrer aufknospenden Sexualität. Was er allzu gerne geschehen lässt. Mit subtilen Andeutungen lässt Margrit Schriber erahnen, dass Charly den unbeholfenen Verführungsversuchen der Girls sehr viel beholfener entgegenkommt. Dabei ist er doch einer anderen auffallenden Persönlichkeit des Dorfes verfallen: der alterslosen, Villa-behausten, immer wieder mondän auf- und abtauchenden Madam Benz. Und dabei gäbe es noch die erwähnte junge Ehefrau, die mitzuhalten versucht, mit immer weniger Erfolg. Und die trotzdem zum Hauptfeindbild der liebestollen Chormädchen wird.

Man hat Mitgefühl mit der Erzählerin


Beim 170 Seiten kurzen Roman gibt es vieles zu geniessen. Da ist die kunstvoll lakonische Sprache, die das anfänglich biedere Geschehen noch unterstreicht, aber auch gedankenreich, sinnlich und immer für eine Spur Ironie gut ist. Und obschon ja Ehefrau Rosy auf diese Art erzählt, fühlt man zunehmend mit ihr – der pflichtbewussten Haushälterin und Geldverdienerin, die keinen Zugang zur Seelenwelt ihres Gatten findet und den vielfältigen Reizen und Gelegenheiten, denen jener «ausgeliefert» ist, nichts entgegensetzen kann. Charlys Psychogramm ist simpler: Er ist ein Schlawiner, der seinen Charme einsetzt, um sogar Minderjährige zu verführen, und dessen schöngeistige Gedankenlosigkeit ihn nicht entschuldigt. Schriber verzichtet darauf, ihn explizit zu verurteilen. Ohnehin stimmen am Ende die von den einzelnen Figuren erlittenen Konsequenzen wenig mit ihren moralischen Verantwortlichkeiten überein. Doch so ist das Leben. Und es stimmt auch für den Roman «Die Vielgeliebte meines Mannes», der vor dem Hintergrund der 1960er-Jahre trefflich von innerdörflicher Dynamik, pubertären Aufregungen und alltäglichen Beziehungsfallen erzählt.

Bote der Urschweiz / Arno Renggli

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

29.01.2020

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