Fasnacht früher im Restaurant Wachsliecht in Einsiedeln? Nein, im Chateau de Versailles, gegeben im 18. Jahrhundert zu Ehren des damaligen Königs. Fotos: Victor Kälin
Fasnacht früher im Restaurant Wachsliecht in Einsiedeln? Nein, im Chateau de Versailles, gegeben im 18. Jahrhundert zu Ehren des damaligen Königs. Fotos: Victor Kälin
Vom Fest-Vortrag zum konkreten Fest: Es liess sich gut sein, im Garten der Bibliothek Werner Oechslin.
Vom Fest-Vortrag zum konkreten Fest: Es liess sich gut sein, im Garten der Bibliothek Werner Oechslin.

Dies & Das

«Manchmal läuft es aus dem Ruder»

Vernissage der Ausstellung «Fest und Öffentlichkeit» in der Bibliothek Oechslin: Das Fest mit seiner sozialen und politischen Funktion, aber auch in seiner architektonischen Form ist Inhalt der aktuellen Ausstellung. Sie schlägt den Bogen von der Antike bis in die Gegenwart.

Ein gut gelaunter Werner Oechslin konnte vorgestern Mittwoch rund 70 Vernissagebesucher in der Bibliothek der Stiftung gleichen Namens begrüssen. Die gute Laune hatte durchaus ihren tieferen Sinn, widmet sich die neue Ausstellung dem Thema Fest, seiner Darstellung und Beudeutung in der Öffentlichkeit. Die Idee dazu lieferte seine Frau Anja Buschow Oechslin. Schliesslich ist die Stiftung in diesem Jahr 20 Jahre alt geworden. Zu einem runden Geburtstag gehört doch ein Fest.


Ein Fest für die Augen


Mit unverwechselbarer Brillianz skizzierte der emeritierte ETH-Professor die Wesenszüge eines Festes, dessen Hauptaufgabe doch darin besteht, die Menschen aus ihrer täglichen Mühsal herauszuholen. Und da die Feste im öffentlichen Raum stattfinden, gehören sie zur Kompetenz des Architekten – verdeutlicht insbesondere ab dem 18. Jahrhundert, als durch Aufbauten jeglicher Art die Feste regelrecht «architektonisiert» wurden: Das Fest verfestigt sich zur Festarchitektur. Fürwahr waren die gezeigten Il-lustrationen aus der hauseigenen Sammlung ein Fest für die Augen. Die überraschende Vielfalt festlicher Darstellungen führt Oechslin auf das Bestreben zurück, das Geschehene festhalten zu wollen: «Je flüchtiger, ephemer die Ereignisse waren, desto höher der Anspruch, diese zu dokumentieren.» Fast meinte man, eine Parallele zum heutigen Handy-Zeitalter zu entdecken. Damals gabs allerdings keine Elektronik; die ausgestellten Bilder sind meistens Stiche – brillante Kunstwerke, oftmals verschwenderisch gross, eine Visitenkarte für die Opulenz eines Festes und die Potenz des Gastgebers. Das Fest wird somit (auch) zum Ort virtueller Grafik.


Ein Fest für jede Lebenslage


Keine Gesellschaft, kein Staatswesen ohne Feste, keine religiöse Gemeinschaft, die nicht ihren Festkalender führt und diesen mit Riten bis zum Rand auffüllen würde. Das Festen, so Oechslin, gehört zum Menschen, dem Homo ludens. Hochzeit, Geburt, Aufstieg und Tod bilden den besten Vorwand: Feste der Vermählung und der Hoffnung auf ein Fortleben einer Dynastie, auf einen Thronfolger; Feste der Geburt und des Lebens als erster Beweis des Gelingens der Hochzeitsdiplomatie; Feste von Aufstieg und Ehre, Sieg und Krönung im Konkurrenzkampf zwischen den mehr oder minder Mächtigen; Feste von Tod und Gedächtnis, dem Vorzeigen erbrachter Leistungen und deren Festschreibung im ewigen Buch der Erinnerung.


«Moralisch erheben»


Feste, so Oechslin grundsätzlich, «sollten den Menschen moralisch erheben. Doch manchmal läuft ein Fest auch aus dem Ruder.» Dass dies am Mittwoch beim anschliessenden Apéro allerdings nicht geschah, hängt wohl damit zusammen, dass gemäss Werner Oechslin «alle hier Anwesenden Erfahrung im Festen haben». Und so wurde, was der Gastgeber sich für den Vernissageabend erhoffte: «Heute machen wir uns selber ein kleines Fest.»


Öffentliche Führung im Juli


Die Ausstellung «Feste und Öffentlichkeit» in der Bibliothek Stiftung Werner Oechslin ist bis zum 30. Mai 2020 zugänglich: Montag bis Donnerstag, 14 bis 17 Uhr. Eine öffentliche Führung findet am Mittwoch, 10. Juli, 18.15 Uhr statt.


Einsiedler Anzeiger / Vi.

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Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

07.06.2019

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