Kerzenlichtkonzert für einmal in statt vor der Kindli Kapelle. Bild: Manuela Jans-Koch
Kerzenlichtkonzert für einmal in statt vor der Kindli Kapelle. Bild: Manuela Jans-Koch

Musik

Vom Regenbogen zu Mozart und Chopin

Das achte Stradivari-Fest Gersau startete mit farbenreichem Sonnenuntergang, das Kerzenlichtkonzert fand aber in der Kapelle statt.

Die idyllischen und naturnahen Konzertorte des Stradivari- Festes Gersau bilden seit Jahren das Herzstück dieses Kammermusikfestivals. Da mischt auch das Wetter mal kräftig mit wie am Donnerstagabend und verlangt Maja Weber, der künstlerischen Leiterin des Festivals, und dem Bezirk Gersau Flexibilität und Kreativität ab. Nach Sturm und Starkregen taucht ein leuchtender Regenbogen Berge und See in zauberhaftes Licht. Dennoch ist es zu nass; das Kerzenlichtkonzert kann nicht wie geplant draussen vor der Kindlikapelle stattfinden. Also wird es in die kleine Kapelle verlegt, in der mit zusätzlichen Stühlen rasch Platz für alle geschaffen wird. Man sitzt ganz nah bei den Musikern, die von den vielen Kerzen umrahmt sind, und erlebt ein aussergewöhnliches Konzert. Wie sich Chopins Klaviermusik im Klang des Streichquartetts verwandelt, ist so spannend wie unerwartet.

«Chopins Herz ist in Polen begraben ...»


Als Maja Weber auf dem Cello die Melodie des Waltz brillante op. 34 Nr. 2 intoniert, spürt man die fantastischen Möglichkeiten, die sich mit Streichinstrumenten öffnen. Lech Antonio Uszynski übernimmt mit der Viola, und die Töne blühen weiter auf: romantisch, innig. Es entsteht ein dichtes, dabei durchsichtiges Geflecht hinreissender Klangfarben. Das zieht sich durch alle Stücke, die vom Stradivari-Quartett in diesem Konzert zum ersten Mal vor Publikum aufgeführt werden. Da spielt Xiaoming Wang den «Minutenwalzer » virtuos und leicht perlend auf seiner Violine, da werden die Mazurken zu rhythmisch pulsierenden Tänzen. In den Arrangements von Dave Scherler werden abwechselnd allen Instrumenten die Melodiestimmen zugewiesen. So hört man auch die zweite Geige von Stefan Tarara immer wieder als hinreissenden Primarius, und wie sich dramatische Akkorde orchestral ausweiten, kann kein Konzertflügel erreichen. Uszynski verbindet die Stücke mit kurzen Texten, und als er sagt, «Chopins Herz ist in Polen begraben, sein Körper in Frankreich», verdeutlicht das die innig poetische Musik genau. Man hört mehr denn je, dass Wagner und Brahms von Chopin inspiriert wurden. Und wer weiss: Hätte Chopin seine Klaviermusik in der Interpretation des Stradivari-Quartetts hören können – vielleicht hätte auch er für Streichquartett komponiert. Das Eröffnungskonzert des achten Stradivari-Festes startete am Mittwochabend im Parkhotel Vitznau mit zwei Streichquartetten von Mozart. Und wenn Mozart so interpretiert wird wie vom Stradivari-Quartett, scheint sich das im Farbenspiel des Sonnenuntergangs nach dem Konzert widerzuspiegeln. Der Saal mit seiner klaren Akustik, dem grossen surrealistischen Wandbild von Claude Verlinde und dem weiten Blick auf den See passt hervorragend für Kammermusik. Das Stradivari-Quartett spielt Mozarts ineinander verwobene Themen plastisch aus. Frech und lebenslustig klingt es da im ersten Satz des Streichquartetts B-Dur, KV 458, um urplötzlich in tief empfundene Innigkeit zu wechseln. Über eine lieblich entzückende Pastorale fällt ein düsterer Schatten, der aber schnell von kräftigen Strichen der Violinen weggefegt wird. Seidig flirrende Geigentöne von Xiaoming Wang vereinen sich kongenial mit durchsichtig ausgespielten Mittelstimmen von Stefan Tarara und Lech Antonio Uszynski und fein austarierten Impulsen von Maja Webers Cello. Das verbindet sich zu fast impressionistischen Klanggemälden im Adagio, während das rasch dahineilende «Allegro assai» mit heller Leichtigkeit am Ende leise verklingt.

Überirdisch gesangliche Melodien


All das prägt auch das «Dissonanzenquartett » in C-Dur, KV 465. Aber hier kommt eine neue Dimension hinzu. Das Stradivari- Quartett verleiht dem Anfang mit dem extremen Wechsel zwischen Dur und Moll in fahlen Reibungen eine fast schmerzhafte Intensität. Umso erlösender das lichte Allegro, das sich filigran, virtuos und luftig anschliesst. Feine Dialoge entfalten sich zwischen Xiaoming Wang und Maja Weber, bis dramatische Ausbrüche das liebliche Spiel durchbrechen: Licht und Schatten nah zusammen. Das steigert sich im «Andante cantabile» in überirdisch gesanglichen Melodien, die Mozart aus seiner Oper «Idomeneo » entlehnt hat. Im «Allegro molto» reizen die vier Künstler alle Themen so virtuos wie temperamentvoll aus und ernten lang anhaltenden Beifall.

Bote der Urschweiz / Gerda Neunhoeffer

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

30.07.2022

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