Unterhaltsam und gelehrsam: der Donnerstagabend mit Walter Kälin und Pater Theo Flury im Museum Fram. Foto: Eugen von Arb
Unterhaltsam und gelehrsam: der Donnerstagabend mit Walter Kälin und Pater Theo Flury im Museum Fram. Foto: Eugen von Arb

Bühne

Musik

«Wir leben nicht im luftleeren Raum»

Walter Kälin referierte im Museum Fram über die Präsenz von Kirche und Kloster im Welttheater. Kritisch-hinterfragend und humorvoll-sarkastisch führte er durch die Geschichte des Spektakels, virtuos begleitet von Pater Theo Flury am Flügel.

Das Thema des Abend war keineswegs überraschend – ist doch das Welttheater von Pedro Caldéron ein geistliches Stück, geschrieben von einem Geist-lichen und aufgeführt auf dem Klosterplatz und damit voller Bezüge zu Kirche und Katholizismus. Interessant wurde es dadurch, dass dieses Theaterstück sich in seiner Geschichte immer wieder im Spannungsfeld zwischen säkularen und kirchlichen Einflüssen befand. Dies belegte Kälin, Autor des Schwyzer Hefts «100 Jahre Welttheater in 100 Geschichten», indem er einzelne Episoden aus dem Jubiläumsbuch herauspickte und sie gewandt aneinanderreihte. Dazwischen setzte der Pianist aus dem Kloster musikalische Denkpausen und «kratzte » mit seinen Akkorden gewissermassen an der Hirnrinde der zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer.

 

Ein Kirchenlied verschwindet und taucht wieder auf

Kälin griff zunächst die Frage auf, als was das Welttheater im Lauf der Zeit für die verschiedenen Zeitzeugen darstellte – Religion, Kult, Gottesdienst oder gar ein Weltgericht. In Anlehnung dazu griff er die wechselnde Rolle des Kirchenlieds «Grosser Gott wir loben Dich» auf, das ab der ersten Spielzeit 1924 lange den obligaten theatralischen Schlusspunkt bildete, bis es 1981 aus dem Welttheater verschwand, um 2007 in Thomas Hürlimanns Inszenierung wieder als Hintergrundgesang aufzutauchen. Die unterschiedliche Interpretation des Stücks aus weltlicher und geistlicher Sicht spiegelte sich auch in unterschiedlichen Übersetzungen – der populären des Dichters Joseph von Eichendorffs und jener des Theologen und Priesters Franz Lorinser. Dieser hatte sämtliche Stücke Caldérons übersetzt und wurde bis 1930 neben Eichendorff als Übersetzer genannt, obschon sein Beitrag mehr als bescheiden war. Schliesslich ging «der Mann in Eichendorffs Schatten» vergessen. Schmunzeln liess der Abschnitt über die Besetzung des Welttheaters, die in den ersten Jahren nicht durch Einheimische erfolgte, sondern durch Laien aus dem (protestantischen) Zürich, die von der Kritik als «vortreffliche katholische Spieler» gelobt wurden. Ab 1935 wurden die schauspielerischen Fähigkeiten der Einsiedler offenbar als «nicht so schlimm» erkannt und man verzichtete auf die Auswärtigen.

 

Verherrlichte Anonymität

In diesem Zusammenhang kam Kälin auf den Welttheater-Regisseur Oskar Eberle zu sprechen, der die Anonymität der frommen Laien verherrlichte, die «der Sache » dienten und im Gegensatz zu ehrgeizigen Künstlern standen, die beim Namen genannt werden wollten. Lustig aus heutiger Sicht erscheinen auch die Wallfahrten nach Willerzell zum heiligen Josef, die unternommen wurden, um für gutes Wetter an den Aufführungstagen zu bitten. Eberle war es auch, der für die Welttheater-Aufführung von 1939 die Idee eines «Weltgerichtsspiels » entwickelte. «Antichrist und Christ mit dem Weltgericht als Abschluss ist wohl das aktuellste Thema der Gegenwart überhaupt», so schrieb er – und mit dem Antichrist war eindeutig Hitler gemeint. Karl Borromäus Heinrich schrieb tatsächlich den «Antichrist», der jedoch nicht zur Aufführung kam, da das Welttheater 1939 abgesagt wurde – unter anderem, weil die Landesausstellung in Zürich das Einsiedler Spektakel konkurrenzierte.

 

Ein Pater kann nicht «Meister» werden

Dass die Kirche die «Weltordnung» im Welttheater durchaus ernst nahm, wurde 1959 klar, als Regisseur Erwin Kohlund Abt Raymund Tschudi bat, den Choralmagister des Klosters, Pater Roman Bannwart, für die Rolle des «Meisters» zur Verfügung zu stellen. Der Abt lehnte dies ohne Begründung ab, doch wird heute angenommen, dass er die «Beförderung» eines Paters, der bis dahin als Beleuchter und Bühnenschieber tätig war, zur gottähnlichen Hauptfigur in der Theaterhierarchie ablehnte. Dabei kam auch zur Sprache, dass die Figur des Meisters zwischenzeitlich aus der Welttheater- Inszenierung gestrichen wurde, bei der diesjährigen Aufführung aber wieder auftreten wird. Die anderthalb Stunden verflogen schnell, und der Applaus war lange und kräftig. Er galt auch dem virtuosen Pianisten Pater Theo Flury, der anstelle einer musikalischen Zugabe eine kleine Predigt hielt – eine Weltpremiere, wie Walter Kälin schmunzelnd anmerkte. «Weder ein Gläubiger, noch ein Theatermensch kann ein Skeptiker oder ein nüchterner Mensch sein», sagte er und rief das Publikum auf, bei der Sicht auf das historische Geschehen die damalige Realität zu berücksichtigen. Er beschwor die Kraft und Authentizität des (Welt-)Theaters: «Wir leben nicht im luftleeren Raum!»

 

Einsiedler Anzeiger / Eugen von Arb

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne
  • Musik

Publiziert am

20.02.2024

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www.schwyzkultur.ch/LCdRb1