Annette Windlin schlüpfte treffsicher und blitzschnell in über 30 Rollen. Bild: Alain Hospenthal
Annette Windlin schlüpfte treffsicher und blitzschnell in über 30 Rollen. Bild: Alain Hospenthal

Bühne

Annette Windlin versetzt Publikum in Staunen

Mit dem «Besuch der alten Dame» kehrte eine übermenschliche Annette Windlin in den Chupferturm zurück.

Ungewöhnlich begann am letzten Freitagabend die Vorführung auf der Kleinbühne Chupferturm in Schwyz. Auf der Bühne steht links ein Sarg, und die übrige Bühnendekoration hält sich mit schlichten weissen Tüchern dezent im Hintergrund. Der Saal ist bis auf den letzten Sitzplatz ausverkauft, und das Publikum wartet gebannt auf die Hauptprotagonistin des Abends: niemand Geringerer als Annette Windlin. Dargeboten wird Friedrich Dürrenmatts tragische Komödie «Der Besuch der alten Dame». Sie ist freilich nicht umsonst eines der meist gespielten Stücke des letzten Jahrhunderts.

Mentale und körperliche Höchstleistung


So jedoch hat das Publikum das Meisterwerk noch nie gesehen. Gleiches gilt für Annette Windlin, die in den letzten Jahren vor allem als Regisseurin erfolgreich auf grossen Bühnen inszenierte. Nun steht sie endlich wieder selbst auf dem Podium und meldet sich mit der dritten Vorführung des Stücks zurück im Chupferturm. Die Premiere fand vor rund einem Monat anlässlich von zwei Vorführungen im Kleintheater Luzern statt. «Heute feiern wir die Premiere im Kanton Schwyz und sogleich das erste Gastspiel », vermeldet ein sichtlich erfreuter Bruno Bühlmann, Präsident der Kleinbühne Chupferturm. Annette Windlin vollbringe als Akteurin schlichtweg Grossartiges und sorge für ein episches Erlebnis, so Bühlmann weiter.

Annette Windlin schlüpft in über 30 Rollen


Annette Windlin schlüpft während der Darbietung blitzschnell in insgesamt über 30 unterschiedliche Rollen und kreiert so mit überwältigender Emotionalität die Vielseitigkeit der Charaktere in einem Solo. Sie durchlebt dabei die Gefühlsmomente der Claire Zachanassian und aller Protagonisten des Dorfes Güllen. Ob leidenschaftlich böse, oder verletzlich und komisch: Es gelingt Annette Windlin, stets die Spannung der Geschichte aufrechtzuerhalten und die gespielten Rollen treffsicher zu wechseln.

Tragische Komödie ohne Happy End


Die tragische Komödie erzählt eine Geschichte über die Ohnmacht des Einzelnen und über die Feigheit und Brutalität der Gesellschaft. Das eigene Durchleben einer ohnmächtigen Situation brachte Annette Windlin dazu, sich vertieft mit dem Thema Ohnmacht zu befassen. Daraus entstand die Idee, eine zum Thema passende weibliche Bühnenfigur zu erschaffen, und so stiessen Windlin und ihr Team auf Dürrenmatts Klassiker. Darin wird die Geschichte der unerbittlichen Rache einer Frau erzählt, die vom Opfer zur Täterin wird. Es ist die Geschichte der jungen Klara Wäscher, die von ihrem Freund Alfred schwanger wird, der die Vaterschaft leugnet. Sie verlässt daraufhin ihre Heimat mittellos entehrt und wird in die Prostitution gezwungen. Das Kind wird ihr genommen und stirbt. Als sie im Alter milliardenschwer zurückkehrt, nimmt sie Rache an ihrem ehemaligen Geliebten und der ganzen Stadt. Sie bietet dem mittlerweile heruntergekommenen Ort eine Milliarde zur Tötung Alfreds und verlässt den Ort am Ende mit seinem Sarg im Gepäck in Richtung Capri. Begleitet wird die mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin musikalisch von Christian Wallner und mit Videoinstallationen der Künstlerin Valentina Maria Mächler. Inszeniert wurde das Stück von Dominique Müller und ausgestattet von Ruth Mächler.

Bote der Urschweiz / Alain Hospenthal

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

31.10.2022

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