Bei seiner lebendigen Lesung eroberte der charismatische Arno Camenisch das Publikum innert kürzester Zeit. Bild Micha Brandstetter
Bei seiner lebendigen Lesung eroberte der charismatische Arno Camenisch das Publikum innert kürzester Zeit. Bild Micha Brandstetter

Literatur

Arno Camenisch sinnierte im Schlossturm über das Leben

Der Bündner Schriftsteller Arno Camenisch begeisterte am Mittwochabend in Pfäffikon bei der Lesung aus seinem dreizehnten Buch durch seine scharfsinnigen und detailreichen Beobachtungen.

Anna-Marie Kappeler vom Verein Pro Schloss, unter dessen Patronat der Anlass stand, begrüsste die zahlreich erschienenen Besucher. Als Arno Camenisch die Bühne im historischen Saal betrat, meinte er mit Augenzwinkern: «Ich bin heute zum ersten Mal hier und froh, dass es im Wassergraben keine Krokodile hat.» Was den Anwesenden in diesen anderthalb Stunden geboten wurde, war eine Spoken-Word-Performance der Höchstklasse, bei der die Zeit nur so verflog. Der 45-Jährige präsentierte im Anschluss an einen Text zum Wandern sein bisher persönlichstes Werk, «Die Welt». Darin lädt er auf eine Reise ein, die von Aufbruch und Ankunft, Sehnsucht, Liebe und prägenden Erlebnissen rund um den Erdball handelt. Gleich zu Beginn hielt der Surselver fest, dass alles autobiografisch sei, denn diese Frage werde immer wieder aufgeworfen.

Luftig-leicht und tiefgründig


An einem klaren Wintertag im Januar 2022 sitzt Ich-Erzähler Camenisch auf seiner Terrasse, beobachtet einen Fischer auf dem Bielersee, denkt ans Meer und blendet gedanklich zurück in seine wilden Zwanzigerjahre, als er erstmals auf Weltreise ging und sein Leben auf den Kopf stellte: «Ich war 23, und die Vorstellung, das Leben bis 30 bereits durchgeplant zu haben, kam mir einem Gefängnis gleich.» Daher lehnte er 2001 eine sichere Stelle und damit ein bürgerliches Leben ab und sparte sich Geld an, um seinen Hunger nach der Welt zu stillen. Über Hongkong und Australien kam er nach Lateinamerika, liess sich treiben, machte die Nacht zum Tag und genoss Konzerte, Alkohol und Liebschaften. Als das Portemonnaie leer war, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Rückkehr nach Chur, wo das Herzstück des 144-seitigen Büchleins während des Hitzesommers 2003 spielt, zu einer Zeit, als die Welt im Umbruch ist. Der Literat konstatierte, dass Reisen ihn zu einem anderen Menschen gemacht habe, was er besonders bei seiner Heimkehr in die Schweiz feststellte: «Es war, als ziehe man wieder einen Mantel an, der während eines Jahres im Schrank gehangen hatte, dann aber irgendwann merkt, dass der Mantel nicht mehr passt.» Auf authentische und berührende Weise berichtete der schollenverbundene Camenisch von seinen Erinnerungen, die er nicht chronologisch, sondern nach Intensität geordnet hatte: «Mich interessierte der Mensch, nicht die Sehenswürdigkeit.» Zum Abschluss bot der Sprachvirtuose vier besondere Texte dar, welche es exklusiv live zu erleben gibt, unter anderem zu Taxifahrern als Seismografen der verschiedenen Kulturkreise. Mit frenetischem Applaus forderten die Zuschauer eine Zugabe, die sie mit einem rätoromanischen Gedicht erhielten. Beim Bücherstand liessen sich viele inspirierte Literaturfreunde vom Bestsellerautor die Exemplare signieren und kamen beim Apéro mit ihm ins Gespräch.

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Micha Brandstetter

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

26.05.2023

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www.schwyzkultur.ch/CWy7km