Das fantastische Bühnenbild und die tolle schauspielerische Leistung überzeugten die Zuschauer (von links): Andrea Bisig als Helen Zemp, Patrik Herger als Hartmann (Lokomotivführer), Franz Bürgi als Barbarossa Clochard, Patrick, Gyr als Dürst Clochard, Hildegard Beeler als Frau Herzog (Barrierenwärterin) und Pirmin Kälin als Clown Clochard. Foto: Franz Kälin
Das fantastische Bühnenbild und die tolle schauspielerische Leistung überzeugten die Zuschauer (von links): Andrea Bisig als Helen Zemp, Patrik Herger als Hartmann (Lokomotivführer), Franz Bürgi als Barbarossa Clochard, Patrick, Gyr als Dürst Clochard, Hildegard Beeler als Frau Herzog (Barrierenwärterin) und Pirmin Kälin als Clown Clochard. Foto: Franz Kälin

Bühne

Verwirrspiel mit dreisten Betrügereien

Drei Vagabunden sorgen für viele Lacher im Theatersaal: Unheimliches, Ernstes, aber auch viel Heiteres wird geboten. Der Zweiakter ist spannend und dabei höchst unterhaltsam.

Vorbild für die neue Produktion der Theaterlüt von Bennau ist der vor fast 60 Jahren gedrehte Schweizer Film «Hinter den sieben Gleisen» von Kurt Früh. Das von Regisseur Theo Kälin für seine Theatergruppe bearbeitete Stück erlebte am Abend des Stefanstags seine Premiere und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Frühs Story geht auch nach sechs Jahrzehnten noch ans Herz. Es ist ein turbulentes Stück mit teilweise überraschenden Wendungen. Die Akteure fühlen sich sichtlich wohl in ihren Rollen. Es ist ihnen gelungen, das Stück mit erstaunlicher Leichtigkeit auf die Bühne zu bringen. Es traten von Beginn weg keine Kunstpausen auf.


Wie das Leben so spielt


Die Sache beginnt recht dramatisch: Ein Lokiführer entdeckt eine junge Frau, die sich scheinbar das Leben nehmen will. Sie flüchtet in einen Schuppen, wo drei seltsame Kumpane hausen. Die drei Pennbrüder haben sich von der zivilisierten Arbeitswelt losgesagt und fristen ein Clochard-Dasein – bis das Schicksal in Gestalt des hochschwangeren Dienstmädchens Helen Zemp (Andrea Bisig) neue Weichen stellt. Mit Hilfe der forschen Barrierenwärterin Frau Herzog (Hildegard Beeler) wird das Büebli geboren, und bis der Vater des Kindes ausgemacht ist, müssen die drei Vagabunden Barbarossa (Franz Bürgi), Dürst (Patrick Gyr) und der Clown (Pirmin Kälin) unfreiwillig «ä d Säck», weil Helen jede andere Hilfe ablehnt. Sie verdienen – oder stibitzen – was Mutter und Kind brauchen. Wie Letztere zu Ehemann und Vater und die drei Männer wieder zum ungestörten Dasein hinter den Gleisen kommen, sorgt für wechselnde Gemütsstimmungen in dem zweieinhalbstündigen Abstellgleis-Krimi. Und so beginnt hinter den sieben Gleisen allmählich wieder neues Leben. Happy End – oder nicht? Das glänzend disponierte Ensemble der Theaterlüt vo Bennau liefert die Antwort. Regisseur Theo Kälin hat es bestens verstanden, die Geschichte lebendig und mit viel Sinn für die menschliche Seite in Szene zu setzen. In einem realistischen Bühnenbild, mit einem Gleise und echtem Schotter, erkennt man bald einmal den Bahnhof Biberbrugg und im Hintergrund das einstige Hotel Waldschloss. Es ist mit viel Liebe zum Detail verpackt und setzt die Geschichte visuell in den richtigen Rahmen. Schön, dass lokales Flair ins Stück eingebaut wurde. Echt wirkt ebenso der italienische Quartierladen mit seinen Bananen. Auch in der Rollenbesetzung hat der Regisseur den richtigen Riecher bewiesen. Sie sind den Darstellern auf den Leib zugeschnitten. Die Spieler überzeugen durch eine ausgezeichnete Ensembleleistung und – wo nötig – mit komödiantischem Talent.


Ernstes mit Heiterem garniert


In 33 Proben haben sich die Darsteller sichtlich in die Charaktere ihrer Figuren eingelebt, allen voran Franz Bürgi als wandlungsfähiger Barbarossa, Pirmin Kälin als trinkund festfreudiger Clown und Patrick Gyr, der Dritte des Trios, als Dürst. Das Publikum nimmt ihnen ihre Sorgen ab und goutiert den trockenen Humor mit viel Applaus und Gelächter. Mit ihren Sprüchen zielen sie voll ins Herz des Publikums, das denn auch viel gelacht und geklatscht hat. Die spürbare Spielfreude dieses Trios und das auf einem guten Niveau erarbeitete Können sind die richtigen Zutaten, um ein Stück dieser Art mit dem gerade richtigen Mass an Überdrehtheit zeigen zu können – ohne Gefahr zu laufen, ins Lächerliche abzudriften. Weiter spielen sich das Dienstmädchen Helen (Andrea Bisig) und Frau Herzog (Hildegard Beeler) in die Herzen des Publikums. Auch die anderen Darsteller verstanden es, die Rollen optimal umzusetzen. Sie sind textsicher, schlagen sich bravourös durch das Labyrinth von Irrungen, Wirrungen und verzweifelten Notlügen. Besonders schön an der Inszenierung ist, dass nur wenig Kraftausdrücke fallen – dafür umso mehr originelle Wortspielereien serviert werden. Das Publikum amüsierte sich daran öfter köstlich. Das Stück zeigt menschliche Schwächen und Verwirrungen auf. Diese ernste Seite ist aber garniert mit viel Spassigem und Situationskomik auf der Bühne. Für alle, die auf und hinter der Bühne mitwirkten, gab es vom Publikum viel Schlussapplaus. Die Besucher erwartet in Bennau ein amüsantes Theatererlebnis mit viel skurrilem Humor und flotten Aktionen.


Einsiedler Anzeiger / W.S.

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

29.12.2017

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