Von Miniatur zu «Opus Magnum» - 1

Musik

Von Miniatur zu «Opus Magnum»

Zwei Komponisten sollten geehrt werden, so versprach es das Konzertprogramm. Georg Friedrich Händels 250. Todestag und der 200. Geburtstag von Felix Mendelssohn-Bartholdy waren die Anlässe. In der Pfarrkirche Ingenbohl kam es am Samstagabend aber noch zu einer weiteren Ehrung. Ausserdem erlebten die Zuhörenden ein gehaltvolles und bereicherndes musikalisches Erlebnis.

Zugegeben, die Wahl der im Titel verwendeten Begriffe «Miniatur» und «Opus magnum» scheint gewagt zu sein. Wenn aber Georg Friedrich Händels knapp gehaltenes, in der Tradition italienischer Vorbilder stehendes Concerto grosso zwar äusserst reizvolle aber auch unspektakulär - eingängig das Konzert eröffnete, so stellt die das Konzert beschliessende Motette des gleichen Komponisten nichts anderes dar als ein packendes, mit Kunstgriffen der Musikdramaturgie meisterlich gestaltetes, herausforderndes Stück Musik. Und eine Herausforderung ist es tatsächlich, sich an diese Musik heranzuwagen, wenn auch eine überaus lohnende. Es sei vorweggenommen: Wir haben der Sopranistin Gabriela Bürgler und dem Urschweizer Kammerensemble mit seinem Dirigenten Stefan Albrecht zu danken, dass sie sich dieser Herausforderung gestellt haben.

Barock – heute ein Gütesiegel

Das Urschweizer Kammerensemble traf mit dem zurückhaltenden Gebrauch von Vibrati und dem Bemühen um einen schlanken und transparenten Orchesterklang in Georg Friedrich Händels Concerto grosso op. 3 Nr. 2 eine kluge Wahl. Zeitgenossen und Nachgeborene hielten die barocke Kunst dereinst für überladenschwülstig und bezeichneten sie darum mit dem abwertenden Begriff «barocco», dem portugiesischen Wort für unregelmässige, minderwertige Perle. Wenn heute von barocker Interpretationspraxis die Rede ist, so wird in der Musik sowohl auf den Verzicht auf romantisierenden Ausdrucksgigantismus als auch auf die Verzierungsmanie hingewiesen, welche bereits zur Zeit der Klassik als störend empfunden wurde. Beiden Erfordernissen einer wohlinformierten, stilsicheren Interpretation wurde im samstäglichen Konzert nachgelebt. Das kontrapunktische Geschehen zwischen Concertini und Tutti war transparent und darum für den Hörer nachvollziehbar. Durch die Unzahl hervorragender professioneller Ensembles, welche sich auf die Aufführung barocker Musik spezialisiert haben, ist man als Zuhörer versucht,Vergleiche anzustellen. Ja, die Ornamentik hätte man sich etwas klarer vorstellen können, die Artikulation noch variantenreicher. Das Gesamtresultat allerdings stimmte, man wurde in die Musik einbezogen und verstand auf Anhieb den Doppelsinn des barocken Zentralbegriffs concertare: Solisten, Concertini, Stimmen und Tutti traten in einen ungeheuer lebendigen Dialog, mehr noch, in einen eigentlichen musikalischen Wettkampf. Nikolaus Harnoncourts Idee der «Musik als Klangrede» lässt grüssen.

Schlichte Frömmigkeit

Die Schwyzer Sopranistin Gabriela Bürgler überzeugte mit einer beeindruckenden interpretatorischen Bandbreite. Im Wissen um die Gefahr, des unzeitgemässen Pathos angeklagt zu werden, sei es hier trotzdem ausgesprochen: Gabriela Bürgler versteht sich offensichtlich als eine verantwortungsvolle Dienerin der Musik. Da ist nichts Divenhaft-Selbstdarstellerisches, keine Spur von besserwisserischem Nachkorrekturbedürfnis an der Arbeit des Komponisten und auch kein selbstverordneter Intellektualismus, womit Interpreten es manchmal schaffen, Musikwerke durch die übertrieben peinliche Herausstreichung aller Stilmerkmale ihrer Sinnlichkeit zu berauben. Die beinahe naiv-bescheidene Frömmigkeit von Mendelssohns Salve Regina konnte so ihre ganze Wirkung entfalten. Gabriela Bürgler wie auch Stefan Albrecht und das begleitende Orchester vermieden alle unnötig grosse Gesten. Die Solistin gestaltete Höhen und Kantilenen in einer Weise, welche die gesanglichen Anforderungen nur vage erahnen liess. Mendelssohn selber lässt in seinem Werk durch die bewusst gewählte Schlichtheit und äusserst behutsam eingesetzteTextmalerei, so etwa durch den langen Ton bei «spes» (Hoffnung), gregorianische Vorbilder durchschimmern.

Haydn’sche Unkonventionalität

Was ist vom Werk eines gerademal Zwölfjährigen zu erwarten: Konventionalität durch das Schielen auf Vorbilder, radikale Ablehnung der Tradition durch die krampfhafte Suche nach der eigenen Sprache oder doch eher eine Mischung aus bereits Vorhandenem und noch zu Schaffendem? Felix Me

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

19.10.2009

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