Jasskarten vor 100 Jahren und heute: Die «leeren» Karten hatten noch keine Nummern, die «zählenden» standen (oder sassen) aufrecht, und auch beim Ass gibts schöne Unterschiede.
Jasskarten vor 100 Jahren und heute: Die «leeren» Karten hatten noch keine Nummern, die «zählenden» standen (oder sassen) aufrecht, und auch beim Ass gibts schöne Unterschiede.
«Uselegge» mit dem alten Kartenset: Priska Inderbitzin beim Spielen mit Nando und Sina mit den in Neuseeland entdeckten alten Jasskarten. Bilder Franz Steinegger
«Uselegge» mit dem alten Kartenset: Priska Inderbitzin beim Spielen mit Nando und Sina mit den in Neuseeland entdeckten alten Jasskarten. Bilder Franz Steinegger

Brauchtum / Feste

Schilten-Ober läuft um die halbe Welt

Die Schwyzerin Priska Inderbitzin besitzt ein 100 Jahre altes Jasskartenset, auf dem die Figuren Beine und Arme haben. Das allein ist schon aufsehenerregend, doch auch die Geschichte dahinter ist interessant.

Es ist wie bei einem Lotto-Sechser: Es bedurfte gleich zweier Zufälle, damit der gestiefelte «Schilte Ober», seine Freunde und Gegner der Schellen, Rosen und Eicheln den Weg von Neuseeland nach Ibach fanden. Jetzt sind die 100-jährigen Gesellen auf dem gläsernen Stubentisch im Neubauquartier in Brunnen versammelt. Angegraut zwar, wie es sich gehört, aber noch immer auf den Beinen stehend. Sie geniessen die Freiheit, allein auf der Jasskarte zu stehen – anders als ihre heutigen Nachfolger, die seit den 1950er-Jahren als siamesische Zwillinge daherkommen. Priska Inderbitzin strahlt über die Persönlichkeiten, die da vor ihr liegen, und erzählt von unglaublichen Zufälligkeiten, wie die wichtigen Herren, die schielenden Asse und leeren Nullen zu ihr fanden.

Fest in Schweizer Hand

Sie war 1996 auf einer Weltreise mit ihrem Partner auf der Nordinsel am östlichen Ende der westlichen Welt angekommen – in einem Gebiet, das fest in Schweizer Hand ist. «Überall in Rotura im Distrikt New Plymouth steht auf den Pension-Schildern ‹Schweizer herzlich willkommen› – ein pittoreskes Dorf, wo sich viele Schweizer Auswanderer niederliessen und sich gerne an ihre Herkunft erinnern», erzählt die Mutter zweier Kinder. Sie übernachteten am späten Nachmittag dieses 31. März in einer Jugendherberge. Ein älterer Herr sprach sie auf Englisch an und wollte wissen, woher sie kämen – offenbar machten sie durch ihre Sprache auf sich aufmerksam. «Schwyz kann man nicht sagen, weil dann sofort nachgefragt wird: ‹Ja, Swiss, das wissen wir, aber wo in Switzerland.› Lucerne war ihm zu ungenau. So hakte der betagte Herr nach: ‹Kennen Sie Ibach, das mit der Messerfabrik?›.» Somit war die Geografie geklärt, das Eis gebrochen. Nölly hiessen die netten Leute einst, den ö-Doppelpunkt haben sie gestrichen. Priska Inderbitzin rief ihren Vater an, der im Staatsarchiv Schwyz arbeitete und Stammbaumforschung betrieb. Postwendend gelangte der Stammbaum der Familie Nölly nach Neuseeland.

«Wir konnten es kaum fassen»

Eddie und Rita Nolly luden sie zu sich nach Hause ein. Am 10. April 1996 leisteten sie der Einladung Folge. «Wir stellten uns auf einen Kurzaufenthalt in Rotura ein, doch damit begann mit einem gemütlichen Mittagessen eine Geschichte, die bis heute andauert.» Bei dieser Gelegenheit zeigte ihnen Eddie Jasskarten, die sein Vater nach Neuseeland mitgenommen hatte. «Under, Ober, Könige hatten alle Beine dran, wir konnten es kaum fassen», erinnert sich Priska Inderbitzin. «Eddie spricht nur noch Englisch, aber die Namen der Jasskartenfarben – Schällä, Schiltä, Rosä, Eichlä – waren in seinem Wortschatz erhalten geblieben.» Sein Vater habe, so erzählte der Neuseeländer mit Schwyzer Wurzeln, mit den ausgewanderten Miteidgenossen gejasst. Er selber könne dies nicht mehr, war aber interessiert, wie das Spiel funktioniert. «Wir getrauten uns nicht, sie für die Herausgabe des Kartensets zu fragen, das wäre unhöflich gewesen.» So zogen sie weiter auf ihrer Route rund um den Globus.

«Facebook» richtet es

14 Jahre nach dieser Begegnung spielte ihnen der nächste Zufall die Karten in die Hand. Letztes Jahr loggte sich Priska Inderbitzin im «Facebook» ein, die Jasskarten hatte sie nicht vergessen, aber nicht mehr weiter darüber nachgedacht. «Im November fragte mich über Facebook Sheila McLeod, ob ich eine Priska Inderbitzin kenne, die 1996 Neuseeland besucht hätte. Sie sei die Schwägerin von Eddie und Rita Nolly. Sie hätten mich schon lange gesucht, die Post hat ihre Briefe aber wegen meines Wohnortswechsels als unzustellbar retourniert. Eddie wolle uns die Jasskarten vermachen», erzählt sie mit leuchtenden Augen. «Ich gab ihr die aktuelle Adresse, und pünktlich auf Weihnachten erhielten wir das Geschenk.» So fanden die 100 Jahre alten, laufenden und gestikulierenden Schilten, Schellen, Rosen und Eicheln dank neuester Kommunikations-Technologie wieder zurück in ihre alte Heimat. Der Briefkontakt kam wieder in Gang, «so alle zwei Monate tauschen wir Neuigkeiten aus». Und der Sc

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Brauchtum / Feste

Publiziert am

21.09.2011

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