Das Theater Arth ist in seine Saison 2024 gestartet. Gespielt wird «Pariser Leben» von Jacques Offenbach. Eine wirblige, bunte und für eine Operette auch sehr ironische und witzige Inszenierung mit vielen Überraschungen.
Das Theater Arth ist in seine Saison 2024 gestartet. Gespielt wird «Pariser Leben» von Jacques Offenbach. Eine wirblige, bunte und für eine Operette auch sehr ironische und witzige Inszenierung mit vielen Überraschungen.
Grosses Trinkgelage im Keller der Villa: «… und es dreht sich, dreht sich». Bilder: Christian Ballat
Grosses Trinkgelage im Keller der Villa: «… und es dreht sich, dreht sich». Bilder: Christian Ballat
Indisch angehauchte Choreografie vor dem Schoggibrunnen: beides für den Baron von Gondremark (Andreas Büchler, rechts) süsse Versuchungen.
Indisch angehauchte Choreografie vor dem Schoggibrunnen: beides für den Baron von Gondremark (Andreas Büchler, rechts) süsse Versuchungen.
Ein wirbliger, witziger und bunter Genuss - 1
Ein wirbliger, witziger und bunter Genuss - 1
Geschickter Kostümtrick: Durch gleichfarbige Perücken kann man die Protagonisten sofort ihrem Genre zuordnen, hier das Ballett.
Geschickter Kostümtrick: Durch gleichfarbige Perücken kann man die Protagonisten sofort ihrem Genre zuordnen, hier das Ballett.
Ein wirbliger, witziger und bunter Genuss - 1
Der grosse Zampano vermittelt und verkuppelt: Raoul de Gardefeu wird seinem Namen gerecht und lässt nichts anbrennen.
Der grosse Zampano vermittelt und verkuppelt: Raoul de Gardefeu wird seinem Namen gerecht und lässt nichts anbrennen.
Die Bediensteten haben sich als Patrizier verkleidet.
Die Bediensteten haben sich als Patrizier verkleidet.

Bühne

Musik

Ein wirbliger, witziger und bunter Genuss

Das Theater Arth legt sich mit der Jacques-Offenbach-Operette «Pariser Leben» gewaltig ins Zeug.

Am Zugersee weht wieder Theaterluft. Das Theater Arth ist am Wochenende in die Spielsaison 2024 gestartet, diesmal mit einem ziemlich üppigen Stück. Gespielt wird «Pariser Leben», ein Standardwerk von Jacques Offenbach, das 1866 uraufgeführt worden ist und schon damals den süssen Stil vieler plüschiger Operetten verlassen hat, mit viel mehr Witz, mit Anspielungen und auch Gesellschaftskritik. In Arth hat man diese Ambition übernommen und ausgebaut. Das zeigt sich im Bühnenbild, ganz stark in den Kostümen, aber auch in all den überraschenden Effekten. Die Bühnengestaltung von Claudia Tolusso erlaubt es dem Ensemble erstmals, auf zwei Ebenen zu spielen. Das ergibt ein ständiges Auf und Ab und für den Zuschauer vor allem gute Sicht auf das Geschehen. Das Bühnenbild spielt optisch geschickt Tiefe vor, etwa mit dem Eiffelturm im Hintergrund, der übrigens wie im Original sogar ein Lichtspiel bieten kann. Auffallend ist auch die grosse Zahl von Requisiten. Dazu gehört sogar ein Schokoladenbrunnen oder ein Velotaxi. Da haben die Arther einige Brockenhäuser und Flohmärkte durchstöbert, bis dieser Fundus zusammen war.

 

Ein Feuerwerk von 170 Kostümen

Noch wuchtiger kommt die Garderobe daher. Ruth und Valentina Mächler, erfahrene Kostümbildner, konnten sich regelrecht austoben. Sie mussten sich – ebenso wie die Inszenierung – nicht an Zeit, Ort und Stil halten, sondern konnten ungebunden ihrer Fantasie freien Lauf lassen. So ist ein bunter Blumenstrauss von rund 170 Kostümen entstanden – ein Feuerwerk, das in der Garderobe eifriges Umkleiden verlangt. Auf diesen Voraussetzungen hat Regisseurin Elja-Dusa Kedves ein eigentliches Spektakel aufgebaut. In den ersten beiden Akten fängt das noch etwas brav an, kommt dann aber mächtig in Fahrt. Natürlich ist die Handlung operettenhaft simpel, aber die Zwischentöne sind fantastisch. Die Regie hat im ganzen Ablauf viel Ironie und Witz platziert. Sie hat es verstanden, das legendäre «Lebensgefühl Paris» auf die Bretter zu bringen. Schon Offenbach machte sich über die Bigotterie oder den Widerspruch von Sein und Schein lustig. Das wird in dieser Operette in Arth voll ausgelebt. Etwa wenn man sich über die exaltierten Patriziernamen lustig macht: Die Comtesse crème brûlée, Prince Filou de l’Amuse Bouche oder wenn die Gräfin Mariza vorgestellt wird mit dem Nachsatz «Aber die wird doch erst nächstes Jahr gespielt».

 

Kritisch-satirische Couplets eingebaut

Auch Offenbachs Regieanregung ist aufgenommen worden, indem auf der Vorbühne im Stile des Wiener Volkstheaters plötzlich ein bissiges Couplet gesungen wird, mit Anspielungen auf politische Entscheidungen in Bern und vor allem Schwyz. Ziemlich augenzwinkernd, wenn da die Vergabe von Kulturgeldern persifliert wird. Das ist durchaus verständlich, da das Theater Arth, bei einem Budget von rund einer Million pro Aufführung, vom vermögenden Kanton Schwyz nur gerade mal 17 500 Franken Beitrag erhält. Und das obwohl eine Stunde vorher der Schwyzer Regierungsrat Michael Stähli über das Theater Arth noch von einem «wichtigen Leuchtturmprojekt» und einem Standortfaktor gesprochen hat. Schwierig hatte es die Choreografie. Zeitweise stand das gesamte Ensemble, 50 Leute, auf der Bühne. Da wurde es effektiv zu eng, und es erstaunt nicht, dass Bühnenbildnerin Tolusso davon gesprochen hat, dass sie bei allen vier Bildern in erster Linie an die Zwischenräume denken musste. Das Ballett, sonst mit dem Cancan zentrales Tanzelement, kommt irgendwie etwas zu kurz. Immerhin helfen bei diesem Gedränge je nach Genre gleichfarbige Perücken, damit man die Darstellenden den verschiedenen Gruppen – Personal, Ballett, Patrizier – leicht zuordnen kann. Erstmals in diesem Ausmass werden in Arth Projektionen eingesetzt, teils auf dem Hintergrund, teils auf dem Zwischenvorhang. Diese kommen sehr überraschend und technisch perfekt daher. Sie öffnen so etwas wie eine neue Dimension.

 

Höchster Schwyzer in komischer Rolle

Bei diesem grossen Ensemble und zehn tragenden Rollen gibt es eigentlich keine Hauptrollen. Das Theater kann nach wie vor auf teils langjährige Kräfte setzen. Drei Rollen sind aber trotzdem aufgefallen: Simon Witzig (Raoul de Gardefeu) besticht durch seinen ausgebauten Tenor. Ganz gross ist sein solistischer Ausflug zu Mozarts «Figaro», den er auf der Vorbühne mit viel Schalk vorträgt. Ebenso sticht Andreas Büchler (Baron von Gondremark) heraus, der das Metier von Situationskomik perfekt beherrscht und manchmal sogar – etwas weit hergeholt – an Stan Laurel erinnert. Sehr amüsant ist schliesslich Jonathan Prelicz (Doppelrolle Jean Frick, Pompa da Amazona), der einiges an komödiantischem Talent beweist und zudem eine absolute Rarität bieten kann: Wo schon kommt es vor, dass der amtierende Kantonsratspräsident und damit der höchste Schwyzer in einer Operette eine Bariton-Rolle singt? Wichtig aber ist, dass die Leistung von allen Solistinnen und Solisten, des sogar tänzerischen begabten Chors, des Ensembles, der ganzen Technik und des Orchesters, wie immer unter der unaufgeregten Leitung von Beat Blättler, ein perfektes Gesamtbild abgibt. Auch ist Theaterpräsident Sandro Forni und Produktionsleiter Jürg Bläuer die Mischung zwischen professionellen Musikern und Darstellern mit ehrenamtlich spielenden Laien wieder reibungslos gelungen. Gesamthaft sind 200 Personen engagiert und haben auch 2024 die Tradition des Arther Musentempels weitergeführt.

 

Bote der Urschweiz / Josias Clavadetscher

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne
  • Musik

Publiziert am

29.01.2024

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www.schwyzkultur.ch/eVrZ93