Film

An die nächste Generation glauben …

Gegen hundert Zuschauerinnen und Zuschauer fanden sich am Sonntagmorgen in der Cineboxx von Einsiedeln ein, um mehr über Lukas Bärfuss und seine Gedankenwelt zu erfahren. Ermöglicht wurde das von Franz Kälin und der Welttheatergesellschaft.

Der Titel zeigt das Vermächtnis von Lukas Bärfuss und ist gleichzeitig wesentlich für die letztjährige Fassung der Welttheater-Aufführung in Einsiedeln. Mit diesen Worten schliesst auch der Film von Laurin Merz. Lukas Bärfuss ist bekannt für seine teilweise kritischen Romane und Dramen. Diese geben immer wieder Anlass zu Kritik und sogar Ablehnung bei den Leserinnen und Lesern. Nun begegneten wir einem Schriftsteller, der sein Inneres offenlegte und schonungslos über seine Herkunft berichtete. Diese begann in Thun, einem Kleinstädtchen im Berner Oberland, das für seine idyllischen Plätze und lauschigen Ecken bekannt ist. Nicht da spielte sich seine Jugend ab, sondern im Vergnügungsviertel, in den Restaurants und Etablissements dieser Stadt. Sein Vater war stadtbekannt als sehr häufiger Gast an diesen Orten, aber auch mit wenig oder gar keinem Geld im Beutel. Spätestens als die Mutter von Lukas Bärfuss die gemeinsame Wohnung verliess, fand Lukas sich auch auf der Strasse wieder. Vater- und mutterlos.

 

Jobsuche statt Lehrerseminar

Nachts zum Schlafen auf der Hochsprungmatte, im Denner-Durchgang oder in einer Kartonhülle. Gelegenheitsjobs füllten den Tag. Er lernte, wie man Eisen legt, als Hilfskraft einem Sanitär zudient und dauernd in feuchten Neubauten zu überleben versucht. Er war in seinen Worten «ganz unten angekommen». Eigentlich hatte er schon die Aufnahmeprüfung für das Lehrerseminar geschafft, aber die neue Konstellation in seinem Leben liess das so nicht mehr zu. Wieder mal auf der Suche nach einem Job sah er auf einem Streifzug durch Bern ein Angebot der Buchhandlung Stauffacher. Er meldete sich, wurde spontan angestellt und fing gleich an zu arbeiten. Er fand zur richtigen Zeit einen Menschen, der ihm vertraute. Das Schreiben begann und seitdem interessieren ihn die Zusammenhänge im Leben, vor allem in der Gesellschaft. So ist auch das Theater eine Auseinandersetzung mit dem Menschsein. Das muss auf die Bühne gebracht werden. Diese Theaterproduktionen sind beinahe wie Operationen am offenen Herz. Man sieht, wie Lukas Bärfuss mit der Regie am Drama «Luther» um den richtigen Satz, aber auch den passenden Ausdruck kämpft. Dabei zeigt Bärfuss wenig von Luther, aber viel von den Menschen, wie sie auf Luther reagieren. Er will aufzeigen und aufklären.

 

Zuerst per Hand, dann per Schreibmaschine

Dabei ist Schreiben bei Bärfuss auch ein wichtiger Prozess. Zuerst wird von Hand geschrieben, weil da die Authentizität am grössten und direktesten ist. Dann tippt er das Geschriebene Seite für Seite in die Schreibmaschine, was es ermöglicht, nach jeder Seite eine Pause einzulegen. Das hat im Kern auch etwas Meditatives an sich. Man ist nicht gezwungen, sofort weiterzuschreiben wie beim Computer. Die Pause ermöglicht kreatives Denken. Die Welttheatergesellschaft hat beim Welttheater 2024 auch gespürt, wie die Künstlerische Leitung manchmal nach den richtigen Wörtern oder Ausdrucksformen auf dem Klosterplatz suchte. Die Umgebung machte abhängig. All das musste dann auf den Punkt gebracht werden. Dieser Punkt ist die Interaktion mit dem Publikum, dem Ort und der momentanen Befindlichkeit. Wichtig am Welttheater war Lukas Bärfuss auch, dass er aufzeigen konnte, wie wir uns gegenüber der nächsten Gene-ration verhalten sollten – nämlich durch Solidarität! Wer sieht und hört nicht noch immer die Kinder, die am Schluss auf den Klosterplatz drängen und immer wieder bestätigen «i wott, i wott!» Im Sinne von Bärfuss glauben wir an die nächste Generation, obwohl wir nicht wissen, was alles auf sie zukommt. 

 

Bärfuss fünf Jahre begleitet

Laurin Merz hat uns einen Lukas Bärfuss vorgestellt, der sein Inneres geöffnet hat und dessen Überzeugungen erst recht zum Tragen kommen. Mit feiner Hand hat er die Kamera geführt und uns tief ins Denken und Leben von Lukas Bärfuss Einblick gegeben. Fünf Jahre lang war er immer wieder dessen Begleiter. Wir haben einen Bärfuss kennengelernt, der Vorgänge in der Gesellschaft kritisiert, aber in den literarischen Zeugnissen auch mögliche Auswege skizziert – so wie beim «i wott» der jungen Generation! Der Film in der Cineboxx hat uns die Augen geöffnet.

 

Einsiedler Anzeiger / Peter Lüthi

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

18.02.2025

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