André Kälin ist Geschäftsführer im Mauz Music-Club in Einsiedeln: «Es gibt wohl kaum einen Klub in der Schweiz wie der Mauz, der mit solchen bescheidenen finanziellen Mitteln ein solches Niveau erreicht.» Foto: zvg
André Kälin ist Geschäftsführer im Mauz Music-Club in Einsiedeln: «Es gibt wohl kaum einen Klub in der Schweiz wie der Mauz, der mit solchen bescheidenen finanziellen Mitteln ein solches Niveau erreicht.» Foto: zvg

Musik

«Aufgeben kommt für uns nicht in Frage»

Der Mauz Music-Club in Einsiedeln ist aus dem kulturellen Leben im Klosterdorf längst nicht mehr wegzudenken. Der 42-jährige Geschäftsführer André Kälin steht Red und Antwort zum Gedeihen des Klubs in turbulenten Zeiten.

Magnus Leibundgut: Wie haben Sie es geschafft, zu einer überaus angesagten Adresse für Musiker und Fans zu werden?


André Kälin: Es braucht Kompetenz und viel engagierte Arbeit hierzu. Es war von Anfang an unsere Vision, einen Klub mit besonderer Ausstrahlung zu etablieren: Ich darf dank vieler positiver Rückmeldungen festhalten, dass uns dies auch gelungen ist. Auf unserem Weg zum ersten grossen Ziel, das wir uns gesetzt haben, sind wir nun etwa bei der Hälfte angelangt. Dies verdanken wir nicht zuletzt auch unserem Publikum, das immer wieder für eine aussergewöhnliche Stimmung an Konzerten sorgt, an denen ein Knistern spürbar wird. Diese Stimmung führt dann schliesslich dazu, dass Musikerinnen und Musiker über sich hinauswachsen und ihnen ein fulminanter Auftritt gelingt. Wichtig war uns von Anfang an: Wir wollen ganz und gar voll dahinterstehen, was im Mauz läuft. Von daher erlauben wir uns keine Abstriche beim musikalischen Programm: Das Programm soll hohe Ansprüche erfüllen und wir wollen auch einheimischen Bands eine Plattform bieten.

Wie hat der Mauz dieses Jahr bewältigt?


Heuer sind wir vor ganz besondere Herausforderungen gestellt worden – es war das schwierigste Jahr überhaupt in der Geschichte des Mauz: Anfang des Jahres war noch die Corona-Pandemie, die dann in der Folge zu einem Besucherrückgang geführt hat. Gleichzeitig liefen die Unterstützungsbeiträge seitens Kanton und Bund für Kulturbetriebe aus. Das Ausgehverhalten hat sich in dieser Zeit massgeblich verändert: Wir leben in einer Zeit einer grossen Verunsicherung, in der die Werte durcheinandergeraten sind. Ich beobachte allerorten Identifikationsprobleme. Corona hat dazu geführt, dass man sich positionieren muss: Die Fronten haben sich verhärtet und die Menschen sind weniger bereit aufeinander zuzugehen, Neues zu entdecken und auf Unerwartetes, Überraschendes zu stossen. Einfacher ist es, einen Grossevent zu besuchen, an dem alles vorgegeben ist und man in der Anonymität untertauchen kann. Hier sehen wir aber das Problem der Gleichschaltung.

Können Sie etwas zu Ihren Zahlen verraten bezüglich der Bilanz dieses Jahres?


Ich bin positiv überrascht und sehr erfreut darüber, dass wir in diesem Jahr – Stand heute – den Widrigkeiten zum Trotz auf einen Schnitt von 111 Besucherinnen und Besuchern kommen pro Konzert. Unser Ziel war ursprünglich, dass wir auf 150 Leute pro Konzert in den ersten zehn Jahren kommen würden. Corona hat uns einen dicken Strich durch diese Rechnung gemacht. Die Folgen werden noch lange spürbar sein. Um eine schwarze Null schreiben zu können, sind wir darauf angewiesen, die Vermietung unseres Lokals für private Festivitäten (Firmenanlässe, Hochzeiten, Geburtstagspartys) auszubauen.

Haben Sie zwischendurch ans Aufgeben gedacht?


Wir sind uns einen rauen Wind gewohnt. Aufgeben kommt für uns nicht in Frage. Bis jetzt sind wir recht gut durch die ganze Krise gekommen. Den Lock-down im Frühling 2020 haben wir gut meistern können. Wir sind auf Kurs – dem Coronavirus zum Trotz. Unsere finanzielle Situation war zwar zwischenzeitlich immer wieder prekär. Dank der Ausfallentschädigung, für die Bund und Kanton aufgekommen sind, konnten wir durchhalten. Wir haben nie den Kopf in den Sand gesteckt, sind ständig drangeblieben, haben optimiert, unser Netzwerk erweitert und den Klub auf ein neues Level gehievt. Fest steht: Es gibt wohl kaum einen Klub in der Schweiz wie der Mauz, der mit solchen bescheidenen finanziellen Mitteln ein solches Niveau erreicht. Wir haben vielleicht einen Zehntel des Betrages zur Verfügung wie andere vergleichbare Klubs in unserem Land. Zu konstatieren bleibt: In anderen Kantonen und Städten fällt die Unterstützung seitens der öffentlichen Hand bei Weitem grösser aus.

Wird es für die Musikklubs nicht mehr so wie früher werden?


Ein grosser Teil des früheren Publikums ist in diesen Zeiten weggeblieben – und es ist fraglich, ob es jemals wieder zurückkommen wird. Kein Wunder, wenn gerade bei zahlreichen Menschen Gewissheiten in den Grundfesten erschüttert werden. Viele haben Angst, sind enorm müde und mögen nicht mehr draussen vor die Türe treten und einen Klub besuchen. Dabei sind just die kleinen Klubs das Substrat, der Nährboden einer lebendigen Kultur, einer facettenreichen Musikszene.

Wie sehen die Perspektiven des Mauz in der Zukunft aus?


Wir sind überzeugt, dass unser Konzept auch weiterhin funktionieren wird. Natürlich braucht es einen langen Atem für unser Vorhaben in Einsiedeln, um das alles durchzuziehen und nicht aufzugeben. Aber den haben wir (lacht).

Was war für Sie der Höhepunkt im Mauz in diesem Jahr? Welches Konzert ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?


Drei Namen nenne ich Ihnen gerne: Evelinn Trouble, Fai Baba und Phenomden & The Scrucialists.

Was erwartet das Publikum im kommenden Jahr?


Wir wollen mit unserem Programm möglichst breit bleiben, ohne den roten Faden unserer Vision zu verlieren. Wir sind offen für Neues und bleiben am Ball. Wir starten das neue Jahr am 20. Januar mit der James Brown Tribute Show, gefolgt von einem ganz speziellen Gedenkabend zu Ehren von Endo Anaconda und Stiller Has am 11. Februar. Ein Höhepunkt im kommenden Jahr wird sicherlich der Auftritt von Nik Bärtsch’s Ronin sein. Wir haben darüber hinaus unser Team ausgebaut und verstärkt: Es zählt unterdessen zwanzig Leute. Ich bin stolz auf unsere Technikerbrigade und die neuen Leute, die uns im Gastrobereich unterstützen. Wir haben Umbau- und Renovationsarbeiten in Angriff genommen, eine neue Terrasse mit Sonnenund Wetterschutz gebaut und die Sound- und Lichtanlage optimiert.

Wen würden Sie sich auf der Bühne des Mauz Music-Clubs wünschen?


Ich wünsche mir sehr, dass Stahlberger im nächsten Jahr den Weg ins Klosterdorf finden werden: Was für eine famose Band aus St. Gallen – wir wollen unserem Publikum unbedingt die Möglichkeit geben, diese Band live zu erleben.

Sie selber spielen Schlagzeug bei Drop of Dew. Wie sind Sie in dieser Band gelandet, die Songs von Greatful Dead interpretiert?


Ich habe das Projekt Drop of Dew aus Liebe zu der Musik von Grateful Dead gegründet. Hauptsächlich spiele ich in der Band The Calling Sirens. Für mich war schon als Bub klar, dass ich einmal als Musiker auf der Bühne stehe und Konzerte veranstalten würde. Mit 16 Jahren spielte ich in der Formation Dead End – eine Anspielung naturgemäss auf Grateful Dead. Der Konzertsaal vom heutigen Mauz war damals unser Probenraum.

Ihre Band Drop of Dew interpretiert Songs von Grateful Dead. Passen Grateful Dead nicht wundersam in diese Zeit?


In der Tat (lacht)! Wobei bei Grateful Dead geht es weniger um den physischen Tod, sondern vielmehr um die Auflösung des Egos, des Ich.

Wie ist es für Sie, in Ihrem eigenen Klub aufzutreten?


Nicht ganz einfach: Ich spiele eigentlich lieber auswärts. Weil ich es eher schwierig finde, mich im Mauz auf die Musik zu fokussieren. Vor und nach dem Konzert kann ich mich nicht ganz von meiner üblichen Rolle als Geschäftsführer des Klubs lösen: Da ist eine Lampe kaputt und müsste ersetzt werden – oder andere Kleinigkeiten fallen mir auf und ich kann nicht reagieren ... Doch während des Konzerts gibt es nichts, was zwischen mir und der Musik steht: Drop of Dew versucht, den schwer fassbaren Vibe – das grosse Unerklärliche dieser Musik – zu rekreieren, um mit dem Publikum unbekannte Orte zu ergründen und dabei Spass zu haben. Dafür haben sich The Calling Sirens mit Pete Seitz zusammengetan. Nach dem Weggang von Guido Kälin spielen Drop Of Dew im Mauz das letzte von drei Konzerten in der aktuellen Formation.

Wohin bewegt sich die Welt rund um den Mauz herum?


Im Augenblick sieht es gerade so aus, als würde manches den Bach runtergehen auf dieser Welt: Wir müssen wieder erkennen, was die wahren Werte des Lebens sind. Konsum und Ablenkung nehmen überhand in diesen Zeiten. Man sollte sich bewusst werden, dass es nicht auf immer und ewig so weitergehen kann mit dem Wachstum auf dieser Erde. Wir wären gut beraten, wenn wir uns auf das konzentrieren würden, was wirklich zählt im Leben und wesentlich ist in unserem Dasein.

Einsiedler Anzeiger / Magnus Leibundgut


Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

02.12.2022

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