Der Künstler und sein Werk: Werner Jeker und das Welttheater-Plakat der Spielperiode 2020.  Foto: Victor Kälin
Der Künstler und sein Werk: Werner Jeker und das Welttheater-Plakat der Spielperiode 2020. Foto: Victor Kälin
Wo heute die Baustelle dominiert, sehen Vorstand und künstlerische Leitung mit Präsident Hanspeter Kälin in einem Jahr nicht nur den neuen Platz, sondern auch das neue Stück von Lukas Bärfuss und Livio Andreina.  Bilder Victor Kälin
Wo heute die Baustelle dominiert, sehen Vorstand und künstlerische Leitung mit Präsident Hanspeter Kälin in einem Jahr nicht nur den neuen Platz, sondern auch das neue Stück von Lukas Bärfuss und Livio Andreina. Bilder Victor Kälin
Der Vorstand und künstlerische Leitung, unter der Leitung von Präsident Hanspeter Kälin) sind mit dem Welttheater 2020 auf Kurs.
Der Vorstand und künstlerische Leitung, unter der Leitung von Präsident Hanspeter Kälin) sind mit dem Welttheater 2020 auf Kurs.
Gefragter Regisseur Livio Andreina.
Gefragter Regisseur Livio Andreina.

Bühne

Der gewollte Ausnahmezustand

Das Welttheater 2020 ist auf Kurs. Die Ideen konkretisieren sich laufend. Zum Beispiel jene der Tribüne: Erstmals in der bald 100-jährigen Geschichte sitzen die Zuschauer auf gedeckten Plätzen.

Wo man heute eine grosse Baustelle sieht, wird in einem Jahr das Welttheater Premiere feiern. Und ebenso zügig wie die Arbeiter auf dem Klosterplatz treiben auch Vorstand und künstlerische Leitung ihr Grossprojekt voran. Gestern Montag, 17. Juni, luden sie an den Klosterplatz zur grossen Medienorientierung. Symbolträchtig exakt ein Jahr vor dem Tag X. Und noch symbolträchtiger: bei schönstem Wetter!


«Etwas Einmaliges!»


Ein entspannter Präsident Hanspeter «James» Kälin freut sich schon heute auf «Einsiedeln im Ausnahmezustand ». Er denkt dabei an die über 500 Frauen, Männer und Kinder, die sich unentgeltlich engagieren, auf einen grossen Teil ihrer Freizeit verzichten und so «schweizweit etwas Einmaliges» schaffen. Und denkt er an das tanzund theaterpädagogische Projekt der künstlerischen Leitung mit den 870 angemeldeten Schülerinnen und Schülern, dann reift in ihm die Überzeugung, dass die 1924 ins Leben gerufene «Spieltradition des Welttheaters weiterleben wird». Das Einsiedler Welttheater ist nicht nur einzigartig wegen des Spielvolkes, der bald 100-jährigen Geschichte oder des Spielortes zu Füssen des wichtigsten sakralen Barockbaus der Schweiz. Einzigartig ist auch der künstlerische Anspruch, für jede Spielperiode das Stück von Grund auf neu zu schreiben, ohne die Struktur Calderón de la Barcas zu verlassen. Dazu verpflichtet man die «erfolgreichsten und profiliertesten Theatermacher» der Schweiz. Für diese Spielperiode sind dies Autor Lukas Bärfuss und Regisseur Livio Andreina.


Einsam mittendrin


Bärfuss erinnerte an der gestrigen Medienorientierung daran, dass wir in einer anderen Zeit und in einer anderen Welt leben als Calderón, der 1623 «Das grosse Welttheater» schrieb: «Damals war das Schicksal eines Menschen mit seiner Geburt mehr oder weniger festgelegt. Die Standesgrenzen zu überwinden, war nicht möglich.» Auch heute sei zwar das Elternhaus ein wesentlicher Faktor, aber der heutige Mensch habe den Anspruch, sein Leben selbst zu bestimmen. Und dies in völliger Freiheit: «Befreit von der göttlichen Ordnung, muss der heutige Mensch sich allein orientieren. Der befreite Mensch weiss selten, was er mit seiner Freiheit anfangen soll, und trotzdem ist er gezwungen, ein Leben zu führen. Wie will er seine Zeit füllen? Und so stellt sich ihm am Ende doch wieder dieselbe Frage wie den Figuren in Calderóns Stück: Welche Rolle ist deine Rolle?» Anders als in den früheren Spielzeiten verzichtet Bärfuss auf die allegorischen Hauptfiguren der Schönheit, des Reichen, des Bauern … Stattdessen stellt er einen einzigen Menschen ins Zentrum der Handlung: eine Frau. «Als reicher, als arbeitender, als begehrender, als fragender, als elender Mensch reist sie durch die Jahrhunderte, von einer in die nächste Welt. Eine permanente Verwandlung, als Segen und Fluch zugleich.» Ein Spiel wie das Welttheater sei eigentlich viel zu gross, räsoniert Bärfuss. Um einen adäquaten Ausdruck zu finden, will, ja muss er sich der Kontraste bedienen: Ein einzelner Mensch in einer grossen Masse von Menschen. Ein Bild als Chiffre dieser Zeit: Einsam mitten unter Menschen.


Nächster Termin: 31. August


Mit dem Stoff der Neufassung hat sich das ganze künstlerische Team in Klausurtagungen auseinandergesetzt. «Wir haben», sagt Regisseur Livio Andreina, «in den Archiven Calderóns Leben recherchiert, Besuche im Kloster gemacht, sind durch Einsiedeln spaziert, haben Gespräche im Dorf geführt, Musiker und Musikerinnen kennengelernt, interessierte Spieler und Spielerinnen getroffen. Sie werden unser Spielvolk sein, wie es hier oben so schön heisst.» Auch Andreina freut sich, dass sich bereits 180 Begeisterte aus Einsiedeln und Umgebung angemeldet haben – «ohne inhaltliche Informationen unsererseits». Viele, so die Überzeugung des Regisseurs, würden wohl den 31. August abwarten und damit den traditionellen Welttheatertag. An diesem Anlass informiert die gesamte künstlerische Leitung über die kommende Spielzeit. Sie hofft, an diesem Tag mehrere hundert Mitspielerinnen und Mitspieler gewinnen sowie alle Chargen besetzen zu können, die hinter den Kulissen zum Gelingen des Unternehmens beitragen.


870 angemeldete Kinder


Nicht unerwähnt bleiben darf ein neuartiges Unterfangen: Ein spezielles tanz- und theaterpädagogisches Projekt für Kinder und Jugendliche soll mithelfen, die Welttheater-Tradition in Einsiedeln für die nächsten Generationen zu sichern. Das Spielvolk also! Es heisst «Das grosse kleine Welttheater » und entwickelt die Bilder mit Worten, Sprechchören, Gesängen und viel Bewegung. «Es wird keine Inszenierung mit grossen technischen Mitteln werden», lässt sich Andreina zitieren. Unglaubliche 870 Kinder haben sich dafür angemeldet! Brunnen offen, Tribüne gedeckt Eine erste, abstrakte Vorstellung von der Gestaltung des Klosterplatzes skizzierte AnnaMaria Glaudemans (Kostüm- und Raumgestaltung). Der neu gestaltete Klosterplatz mit der oberen Treppe, den Arkaden links und rechts sowie dem Marienbrunnen fixiert den Platz, der speziell 2020 zum Ort der Begegnung werden soll. Der Marienbrunnen wird gemäss Glaudemans «nicht mehr zugedeckt sein, sondern für das Publikum sichtbar bleiben. Maria, die Frau, wird für unsere Hauptfigur immer wieder ein wichtiger Spiegel sein.» Die Zuschauertribüne ist nicht mehr auf die Kirchenfront ausgerichtet, sodass die Kirche «auf diese Weise nicht mehr als unser grosses Gegenüber erscheint, sondern zu einem der Spielpartner wird». Ebenfalls neu wird die Tribüne zum ersten Mal gedeckt sein. Der Vorstand hegte diese Idee schon länger; nun hat er sich dazu entschlossen, wie ein sichtlich zufriedener Präsident bekannt geben konnte. Abt Urban Federer, gastgebender Mönch und ehemaliges Vorstandsmitglied der Welttheatergesellschaft in einem, freut sich, dass sich die «Überlegungen des künstlerischen Stabes mit jenen des Klosters und des Bezirks decken»: Dass der neu gestaltete Platz nicht nur zum Kloster hinführen, sondern selbst zum Ort der Begegnung werden soll. Er wünschte sich, dass Platz und Spiel «wertvolle Begegnungen ermöglichen».


Einsiedler Anzeige / Vi

Autor

Einsiedler Anzeiger

Kontakt

Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

18.06.2018

Webcode

www.schwyzkultur.ch/QCR9BW