Erfolgreicher Casanova im Chloster - 1
Stimmungsvoll, amüsant und wehmütig zugleich.
Stimmungsvoll, amüsant und wehmütig zugleich.
Ewig durstig: Pater Daniel (Daniel Fueter).
Ewig durstig: Pater Daniel (Daniel Fueter).
Spätes Glück: Lünzel Staller (Beat Ruhstaller) und seine Sophie (Felicitas Gassner).
Spätes Glück: Lünzel Staller (Beat Ruhstaller) und seine Sophie (Felicitas Gassner).

Bühne

Erfolgreicher Casanova im Chloster

Stimmungsvoll, amüsant und wehmütig zugleich ist die neue Produktion der Theatergruppe Chärnehus. Sie führt zu einer Begegnung mit einem Ensemble im Zenit seiner Spielkunst.

Und hätte die schöne Jungfer (Felicitas Gassner) nicht seinen Weg gekreuzt, Giacomo Casanova (Zeno Schneider) wäre vielleicht tatsächlich ins Kloster Einsiedeln eingetreten, hätte als frommer Mönch ein neues Leben begonnen, ohne Spielschulden und Frauengeschichten. Doch eine venezianische Nacht – notabene im Hotel Pfauen, dem ersten Haus am Platze – verscheucht die letzten Trugbilder. Bei Tagesanbruch erfüllt sich die Bestimmung und jeder geht seines Weges, so wie der Herbst des Lebens diesen vorgezeichnet hat. ThomasHürlimanns Komödie «De Casanova im Chloster» ist zuallererst einmal lustig. Man amüsiert sich über die Unbedarftheit der Charaktere wie den tollpatschigen Major (Moritz Kälin). Man lacht über die herrlich-komisch arrangierten Szenen, selbst dann schmunzelt man, wenn der Klosterorganist Pater Ezechiel (Markus Kälin) in höchster musikalischer Erregung tot über seiner Orgel zusammenbricht, seine beiden Confratres Beppo (Peppi Albertini) und Sargtoni (James Kälin) den Blasbalg jedoch unbeirrt weiter treten und treten, getrieben von der Angst, ansonsten vom Fürstabt auf ewig zur Arbeit im «Süügade» verbannt zu werden. Man lacht und kann so gar nicht anders, als im Pfauen die Suppenschüssel mit dem Liebeskraut die Runde macht und selbst die als «Heilige Beisszange» gefürchtete Mutter Oberin (Anita Albertini) den Rock lupft und sich in die Arme von Bruder Beppo fallen lässt. Ja, es geht mintunter drüber und drunter in der Geschichte von Thomas Hürlimann.


Einfühlsam. Vergebend. Liebevoll


Doch Hürlimann wäre nicht er selbst, würde er, der Kunst der Dramaturgie folgend, nicht der Komik die Tragik beiseite stellen. Er skizziert Menschen im Herbst ihres Lebens, die vom einstigen «Entwurf» zu «Geworfenen» geworden sind. Die Witwe Nussbaumer (Rita Kälin- Kälin) verschachert ihre jugendliche Tochter im Frauenkloster Au, und erhofft sich – als Tausch sozusagen – ihre einstige Freiheit zurück. Doch Hürlimann lässt seine Figuren der im Laufe des Lebens gezimmerten Vorsehung nicht entfliehen – am wenigsten die Hauptfigur, den grossen Verführer Ciacomo Girolamo Casanova. Dessen Flehen («Gib mir die Jugend zurück») verhallt ungehört und ebenso scheitert sein Wunsch des Klostereintritts – wenngleich weniger an der jungen Schönheit, sondern vielmehr an der Unmöglichkeit, der eigenen Rolle entschlüpfen zu können. Hürlimann, selbst 67, schreibt dies alles einfühlsam und vergebend. Liebevoll. Und erbarmt sich letztlich selbst eines Lünzel Stallers (Beat Ruhstaller), der lieber kalte Füsse kriegt, statt seine Zukünftige zu küssen.


Gefangen im Reich der Sinne


Das Theaterpublikum weiss kaum, wie ihm geschieht. Es ist sorgsam gefangen in einem Raum, den es als Kino (Etzel) zu kennen meint, dessen Verführung aber nicht mehr zweidimensional als Film, sondern von vorne und hinten, aus Fleisch und Blut, über alle Sinnen zugleich von ihm Besitz ergreift. Die Bühne (Peter Scherz) ist ein in schwarz gehülltes Kunstwerk, das für sich alleine stehen könnte, dank seiner Schlichtheit aber den ausschweifenden Kostümen (Anna- Maria Glaudemans) den Rahmen zur berauschenden Entfaltung bietet. Und an der Orgel hoch oben im verdunkelten Eck des Kinos sitzt der Zürcher Kulturpreisträger Daniel Fueter (abwechselnd mit Hans Adolfsen), Komponist der feinfühligen Lieder, und trinkfreudiger Pater Daniel in einem. Vom «Franzos» zum «Casanova» Angesichts der Köstlichkeit dieser Zutaten kann der Koch mit seinem Menü nur noch verlieren. Fürwahr schwebte über der Inszenierung die unausgesprochene Erwartung einer weiteren «Sternstunde» wie weiland 1991, als die beinahe identische Crew mit dem «Franzos im Ybrig» für den Theaterhöhepunkt des Sommers sorgte. Doch die Uznacher Regisseurin Barbara Schlumpf umschiffte diese Klippen bravourös. Sie sah die Gefahren, trotzte diesen stilsicher und nutzte stattdessen die Chancen: Tunlichst vermied sie es, das Älterwerden zu kaschieren. Im Gegenteil. Sie betont es. Niemand muss auf der Bühne mehr rennen, selbst das letztlich t

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

20.10.2017

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