Wie Zeller das Publikum mit seiner ruhigen und äusserst witzigen Art zu magnetisieren vermochte, war Kleinkunst im Grossformat. Bild Franz Kälin
Wie Zeller das Publikum mit seiner ruhigen und äusserst witzigen Art zu magnetisieren vermochte, war Kleinkunst im Grossformat. Bild Franz Kälin

Bühne

Kleinkunst im Grossformat

Wer gerne herzhaft lacht, war am letzten Freitag im Chärnehus genau am richtigen Ort. Reto Zeller gastierte dort mit seinem Programm «Seitenscheitel» und hat damit seinen Fankreis mit Sicherheit um ein paar Dutzend Anhänger erweitern können!

Was verbindet eigentlich Reto Zeller mit Herbert Hägi? Die beiden machen zusammen Kleinkunst. Genauer gesagt wechseln sie sich dabei ab, denn Herbert Hägi ist Reto Zeller und Reto Zeller ist Herbert Hägi. Alles klar? «Seitenscheitel» heisst das Programm der «beiden» und bezieht sich unter anderem auf deren etwas zu breit geratene Mittelscheitel. Herbert Hägis Auftritt in Einsiedeln war alles andere als selbstverständlich. Dank seines «Chips» (GPS), obwohl nur etwa auf 300 Meter genau anzeigend, fand er schliesslich das ehemalige Kornhaus. Vögel habe er fast bekommen, in seinem alten VW-Bus von Schwyz nach Einsiedeln. Das Glück, dass Vögel gerne «Chärne» fressen, habe wohl zum Finden des Chärnehus beigetragen…!

Figuren harmonierten

Obwohl einander charakterlich etwa so nahe wie Hund und Katz harmonierten die beiden Figuren auf oder besser gesagt hinter der Bühne ausgezeichnet. Da der liebenswürdige, aber etwas bieder und ungelenk wirkende Herbert, dessen Leben von seiner schwergewichtigen Mama dominiert und im wahrsten Sinne des Wortes erdrückt zu werden droht. Dort der sympathische Liedermacher Reto Zeller, der als Hägis Gast das Zepter übernahm, als sich dieser um seine fiktive Mutter zu kümmern hatte. Zeller packte dabei die Gelegenheit beim Schopf und bestach durch sein geschmeidiges Gitarrenspiel, welches seine Geschichten mit oft melancholisch wirkenden Melodien begleitete und so dem Gesamtpaket einen zusätzlichen Schuss Ironie verpasste.

Amüsant, schräg, absurd

Die Themen seiner Lieder waren nämlich alles andere als traurig! Einmal amüsant, manchmal hinterhältig schräg, oftmals herrlich absurd, immer mit einem schelmischen Augenzwinkern, bekam vor allem die Servelatprominenz aus der Welt des volkstümlichen Schlagers ihr Fett ab. Vor dem ersten Lacher wurde man als Gast aber eher mit dem Gefühl des Mitleids konfrontiert. Der Anblick des nur zur Hälfte bestuhlten Chärnehussaals tat einem beinahe ein bisschen weh, gönnt man doch schliesslich jedem Künstler einen Auftritt vor vollem Haus. Immerhin hatte dieser Mann schon Auftritte bei Giacobbo/Müller oder am Humorfestival Arosa. Nun, die bereit gestellten Stühle wurden von den rund 50 Besuchern vollends in Beschlag genommen, was somit immerhin mathematisch einen Hauch von ausverkauften Rängen versprühte. Mit jeder Pointe, mit jedem Gag und jedem Lied wurde der eher spärliche Zuschaueraufmarsch aber unwichtiger und bis zum Schluss vollends zur Nebensächlichkeit degradiert.

Interaktiver Abschluss

Wie Zeller das Publikum mit seiner ruhigen aber äusserst witzigen Art zu magnetisieren vermochte, war Kleinkunst im Grossformat. Der interaktive Abschluss, bei dem die Gäste jeweils die richtigen Reimwörter in den Liedertext einbauen mussten, verdiente das Prädikat Extraklasse! Seitenscheitel ist mit dem Auftritt in Einsiedeln schon fast Geschichte. Falls Reto Zeller auch mit seinem aktuellen Programm «Schonzeit» irgendwann im Chärnehus vorbeischauen sollte, müsste mit Sicherheit der ganze Saal bestuhlt werden!

Einsiedler Anzeiger

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Einsiedler Anzeiger

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  • Bühne

Publiziert am

29.11.2011

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