Sie spielen nicht nur gut, sie können auch singen: Anita Albertini (von links), Peppi Albertini, Moritz Kälin, Marann Schneider und Meinrad Bettschart. Bild Silvia Camenzind
Sie spielen nicht nur gut, sie können auch singen: Anita Albertini (von links), Peppi Albertini, Moritz Kälin, Marann Schneider und Meinrad Bettschart. Bild Silvia Camenzind

Bühne

Komische Reise durch die 50er

Die Theatergruppe Chärnehus lädt in diesem Jahr zu einer Zeitreise. Zu erleben ist sie im stillgelegten Kinosaal mitten in Einsiedeln. Erzählt werden kleine Geschichten zum Lachen und Grübeln.

Roter Teppich am Freitagabend vor dem Kino Etzel in Einsiedeln: Mit Blitzgewitter wurde das Premierenpublikum empfangen. Im 1958 erbauten Landkino – es ist seit einem Jahr geschlossen – ist alles auf die 50er-Jahre eingestellt, von den Garderobenfrauen bis zur Theaterbeiz auf der einstigen Kinoestrade. Zehn Spielerinnen und Spieler der Theatergruppe Chärnehus nahmen das Kino unter der Regie von Oscar Sales Bingisser in Beschlag und zeigten eine Hommage ans Landkino von einst. Der altmodische Kinosaal hilft beim Einstieg in die 50er-Jahre. Dazu kommen biedere Kostüme und Frisuren, Gemächlichkeit und schöne Melodien.

Auf Bühne und Leinwand

Entscheidend aber ist, dass die Spielerinnen und Spieler nicht nur auf der schmalen Bühne vor der Leinwand auftreten, sondern auch auf der Leinwand erscheinen. Denn die Produktion ist Kino undTheater zugleich, angereichert mit vielen Liedern. Mit grossem Aufwand entstanden Filmszenen, die aus den 50er-Jahren zu stammen scheinen. Kameramann Thorsten Breuer und die Kostümbildnerin Patricia Schönbächler haben alles auf alt getrimmt. Feine Haarrisse und ein Flimmern durchlaufen die Filmszenen.

Dreh in Zürcher Apotheke

Inhaltlich geht es um überschaubares Dorfleben, in losen Geschichten erzählt. Es treten zwei Polizisten auf, eine ältliche Lehrerin, Jugendliche und Ehepaare. Erstaunlicherweise funktionieren die Chärnehuus-Spielerinnen und -spieler auch als 12-jährige Schüler. Gespielt werden Texte des Komikers Karl Valentin (1882–1948) oder des Autoren Werner Wollenberger (1927–1982). Der Regisseur hat die Texte nur leicht den Einsiedler Gegebenheiten angepasst. Valentins «In der Apotheke» wurde in Zürich aufgenommen, der Rest in der Region Einsiedeln.

Überbevölkerte Ewigkeit

Töfflimeitli sprechen den heute nicht leicht verständlichen Jugendslang der 50er-Jahre, und einer der Polizisten versteigt sich in Erklärungen, wie der Krieg bei Adam und Eva seinen Ursprung nahm. Ein ältererMann sucht seine Frau im Fundbüro und ist überglücklich, dass sie auch da nicht zu finden ist. Manches ist aus heutiger Sicht politisch unkorrekt, oft an der Sache und dem Gegenüber vorbeigesprochen, aber höchst lustig in der Tragik. Und dann, nicht mehr auf der Leinwand, sondern auf der Bühne, als käme es gerade vom Religionsunterricht, macht sich ein Schulmädchen Gedanken über die unsichtbare Seele, die ins Jenseits schwirrt. Es zitiert dabei wieder Valentin und sagt, dass einer, der eine böse, bereits verstorbene Schwiegermutter hat, sich gar nicht getraut zu sterben, vor lauter Angst vor dem Wiedersehen. Überhaupt stellt sich das Mädchen die Ewigkeit überbevölkert und langweilig vor.

Sehnsucht und Bosheit

Dazwischen wird gesungen, besonders herzig Polizist Ruedi Bachmann (gespielt von Markus Kälin) mit dem Lied «Ich wett so gärn en Fründin ha». Boshafter die Frauen, die, während der Mann auswärts am Jassen ist, das Kind in den Schlaf singen und mit dem Wunsch schliessen, der Sohn werde nicht wie der Papa. Die Pointe sitzt, der Seitenhieb an Väter, die nicht zum Vorbild taugen, auch. So ist es oft an diesem Abend, so lustig die Sprüche sind, sie sind auch bitterböse. Die Theatergruppe Chärnehus wird auch im Kinosaal ihrem Ruf als hochstehende Laienbühne gerecht. Die Zeitreise in die 50er-Jahre ist ein Vergnügen.

«Kino Etzel. Eine Hommage an das Landkino der 50er» ist noch bis zum 11. Februar in Einsiedeln zu sehen.


Infos

www.chaernehus.ch

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

17.01.2012

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www.schwyzkultur.ch/Q6prUR