Die Ad-hoc-Theatergruppe während einer der Proben im Museum Fram in Einsiedeln. Foto: zvg
Die Ad-hoc-Theatergruppe während einer der Proben im Museum Fram in Einsiedeln. Foto: zvg

Bühne

Spanische Grippe in sechs Szenen

Seit dem 16. August wird in Olten in einem grossen Volkstheater der Landesstreik von 1918 in Szene gesetzt. An drei Aufführungen ist eine Ad-hoc-Gruppe mit Mitgliedern der Theatergruppe Chärnehus und des Welttheaters dabei.

Mit rund 130 Spielerinnen und Spielern ist Liliana Heimbergs Inszenierung des Landesstreiks von 1918 bereits ein grosses Unternehmen. Um die Aufführungen von «1918.ch» landesweit zu vernetzen, treten an jedem Abend zusätzlich auch Gruppen aus 20 Kantonen auf. Ihre Aufgabe: In einer sechs Minuten langen Sequenz ein Thema des Landesstreiks vertiefen. Eine Aufgabe, die Zeno Schneider reizte, aber auch vor etliche Probleme stellte. Die damals grassierende Spanische Grippe war als Thema zwar gegeben. Wie aber umsetzen in einer derart kurzen Spielzeit von sechs Minuten? Die Spanische Grippe stellte zur Zeit des Landesstreiks ein grosses Problem dar. In der Schweiz starben rund 25’000 Menschen, weltweit waren es mindestens 55 Millionen. Ein wichtiger Aspekt, der laut Zeno Schneider damals politisch ausgeschlachtet wurde, war der Tod von etwa 2500 Schweizer Soldaten. Die Armee wurde landesweit gegen die Streikenden aufgeboten. Da die Wehrmänner nicht gegen ihre «eigene » Bevölkerung vorgehen sollten, wurden sie jeweils in anderen Landesteilen in den Dienst geschickt. Damit, so der Vorwurf, hätten die streikenden Sozialisten hingenommen, dass die Soldaten erkrankten und starben. Wegen der Streikenden also seien die Wehrmänner unnötig in Gefahr gebracht worden. Eine der Szenen des Kurz-Theaters stammt aus Meinrad Inglins Schweizerspiegel. Der Soldat Christian wird im Dienst von seinem Freund Fred besucht. Dieser kann ihm aber nicht mehr helfen. Christian stirbt unter seinen Augen an der Spanischen Grippe.


History-Live-App


Wie sollten aber nun die verschiedenen Szenen aneinandergereiht werden? Die Lösung fand Zeno Schneider in der Form eines Handys. Im Stück treten zwei junge Frauen auf, die auf einer History-Live-App die damaligen Geschehnisse verfolgen. Immer wenn sie genug erfahren haben, klicken sie weiter. Dank dieser App gelangt man temporeich von Szene zu Szene. Und dank dem wiederkehrenden, verbindenden Element können auch die sechs Minuten eingehalten werden. Den Theaterbesuchern wird zudem ein Auszug aus dem Tagebuch von Pater Leonhard Hugener abgegeben. Darin erzählt der damalige Präfekt von der Spanischen Grippe an der Stiftsschule Einsiedeln. Am 9. Oktober 1918 – einen Tag nach dem Einrückungstag der Studenten – schreibt er: «Heute meldet sich bereits der erste Grippekranke – Haas von Basel. Er muss mit der Reise die Sache erworben haben. Ich habe mit dem Bezirks-Krankenhaus alles besprochen: man kann dort bis auf 40 Kranke von uns mitnehmen. So wandert Haas als erster dorthin.» Und ein paar Tage später: «Ein abscheuliches Nebelwetter muss die Krankheit befördern. So haben wir bereits am 11. Oktober ein halbes Dutzend Kranke, am 13. Oktober 12 Mann. Nun wird die Sache voraussichtlich mit Riesenschritten zunehmen. Miserere mei Deus!»


Theater beginnt schon auf Reise


Zwar dauert das Theater der Einsiedler in Olten nur sechs Minuten – begonnen wird mit dem Schauspiel aber quasi schon auf der Reise. «Wir steigen am Mittwoch, 29. August, in Einsiedeln um 14.58 Uhr in voller Montur in den Zug und schlüpfen bereits in unsere Rollen», sagt Schneider. Die einzelnen Spielerinnen und Spieler werden in einem speziell gekennzeichneten Wagen der SBB auf der ganzen Reise in ihren Rollen bleiben – spontan und ohne Vorgabe. Interessierte Reisende dürfen den Wagen betreten, schliesslich sind sie dank Hinweisen darauf vorbereitet, dass in diesem Waggon etwas Spezielles abgeht. In der Einsiedler Gruppe mit dabei sind ein Oberst, Soldaten, eine Trauerfamilie, zwei Krankenschwestern, ein altes Ehepaar, ein Pfarrer, ein Kind und zwei Handelsreisende. Diese beiden verkaufen unter anderem «Grippsano». Im (echten) Inserat heisst es: «Der Telephon-Desinfektor kann von jedermann in der Tasche mitgetragen werden und wird beim Telephonieren ganz einfach an der Sprechmuschel angehängt – unentbehrlich für jedermann, der fremde, von vielen Personen frequentierte Telephon-Apparate benützt.» Sämtliche Kostüme «aus der Zeit» besorgte für die Theater-Gruppe Patrizia Schönbächler Kümin.


Einsiedler Anzeiger / dko

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

24.08.2018

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