Brauchtum / Feste
Das «Mir-eis»-Spektakel und mehr
Am Güdelmäntig und Güdelzischtig zeigten die Einsiedler Fasnächtler, was die Fasnacht im Klosterdorf so einzigartig macht.
Früh am Morgen besammelten sich die Trichlerinnen und Trichler in ihren «Behausungen». Sobald die Trichel umgeschnallt beziehungsweise die Tricheln geschultert waren, hiess es sich zum Sammelpunkt zu begeben. Die «Füdletrichler » besammelten sich traditionell in der Langrütistrasse. Mit dem vierten Schlag der Klosterglocke ging es los. Begleitet von Jubelrufen zog eine anscheinend immer mehr wachsende Schar durch die Einsiedler Strassen. In diesem Jahr liessen es sich die Jubilaren der Jochtrychler nicht nehmen und offerierten auf dem Klosterplatz etwas Flüssiges. Die Edelwyss- Trychler feiern ihr 40-jähriges Bestehen. Die Trychler aus Willerzell gar ihr 50-Jahr-Jubiläum.
Der unverschämte Umzug
Er startet immer, und das ist so gemeint, immer um 9 Uhr. Die Besammlung findet ab 8.45 Uhr auf dem Waisenhausplatz statt. Und wie immer ist er unorganisiert. Es gibt Personen, die wollen ihn in ein Korsett zwängen. Das geht aber einfach nicht. Wie früher geht es teils im zackigen, teils gemütlichen Schritt die Hauptstrasse hinauf. Früher wurden die Kirchgänger vom Sühudiumzug an der Klostertreppe abgeholt und dann das Dorf hinunterbegleitet. Es darf vieles geändert und optimiert werden, jedoch ist und bleibt der Sühudiumzug ein unorganisierter, unverschämter aber stets respektvoller Haufen. Er zeigt auf, was im letzten Jahr in der Region und der Welt alles lief. Da wurde ganz sachte auf den wohl nettesten und immer lachenden Einsiedler Sporthändler hingewiesen, der seit gefühlten 20 Jahren seinen Ausverkauf anbietet. Mehrere Gruppen nahmen sich der Sicherheit unserer Schwarzen Madonna an. Sie boten gleich sichere Behältnisse mit dazugehörigem Aufsichtspersonal an. Ein gewisser Herr mit orangem Gesicht würde diese wohl gerne abwerben. Auch der nicht mehr fahrende Ortsbus fand Aufnahme im Umzug. Einige boten Rollatoren-Taxis, andere Mitfahrgelegenheiten auf ihren heissen Maschinen an. Wiederum andere zeigten ganz deutlich, was sie von Kundgebungen in Einsiedeln halten. Sie spülten die Demonstration die Klobrille hinunter. Die Fussgängerzone wusste mit einer Abstimmung zu begeistern. Aber Vorsicht, wer seinen Wahlzettel bei «Ja» einwerfen wollte, lief Gefahr, aufgrund der heissen Flammen seine Finger zu verbrennen. Da schon bald ein Teil der Einsiedler Bezirksverwaltung in den neuen Einsiedlerhof umzieht, galt es, eine Umnutzung für das Rathaus zu finden. Das Einsiedler Stimmvolk zeigte sich einmal mehr lösungsorientiert. Es gewann nicht das Hallenbad, das Red-Haus (in Anlehnung an das «Bluehouse») oder das Casino. Nein, zum Zug kommt die Geisterbahn. Geister braucht es da ja bestimmt nicht mehr. Bei den etwas weiter entfernten Themen wurde auch Tele-Züri zum 30. Geburtstag gratuliert. Die Tele-Züri-Reporterin, welche also echt und vor Ort war, fand sich so urplötzlich unter ihresgleichen. Ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen waren einfach Sühudi-like angezogen und gesichtlich verschönert.
Der grosse Wagenumzug
Mit 54 Nummern lag der grosse Wagenumzug, in ungeraden Jahren von der Fasnachtsgesellschaft Bürgerwehr organisiert, im langjährigen Mittel. Den Anfang durften immer die Bajassen auf ihren Pferden machen. Die zweite Nummer war ein «Revival». Obwohl der Vorstand der geistlichen Spiele von Einsiedeln, dem Welt-theater, jeweils ganz und gar nicht begeister ist, wenn Kostüme an der Fasnacht auftreten, liess er es sich in diesem Jahr nicht nehmen. Bevor das grosse Vieh, einer der grossen Hingucker am letztjährigen Spiel, definitiv verschrottet wird, durfte es als Fasnachtssujet endlich durch die Einsiedler Strassen laufen. Das ganze sogar mit Rauch, hergestellt aus tragbaren Rauchmaschinen. Nach dieser «grossen» Nummer folgten weitere. Die Umzugszuschauer wurden massig unterhalten und viele Sachen fanden neue Besitzer. Feiner Kafi wurde ebenso kredenzt wie auch die obligaten Süssigkeiten. Wer sich nicht anständig verhielt, der erhielt eine Konfettidusche. Nach der Nummer 16 folgte die obligate Werbepause. Mit der 18 versuchte die Guggenmusig Biberchrouser die Lücke zu schliessen. Eine gefühlte Ewigkeit später kam dann die Hudi-17-Feuerwehr. Einsiedeln kann froh sein, dass die richtige Feuerwehr schneller ist. Gut, die echte Feuerwehr fährt nicht so grosse Fahrzeuge, welche zur «Verschönerung» von Fassaden benutzt werden können.
Das einmalige Brotauswerfen
Beim Brotauswerfen gibt es zweierlei Menschen: Jene, welche unbedingt so viele Mütschli fangen wollen, wie es geht, und jene, die unter keinen Umständen in Kontakt mit diesen fliegenden Broten kommen möchten. Auch in diesem Jahr fand das eine oder andere Mütschli seinen Weg zuerst nicht in sichere Hände. Immer wieder machten diese den Umweg über Hauswände. Manche wurden so unglücklich abgelenkt, dass sie als Abpraller erst von einem Kopf gestoppt wurden. Die Weisheit, die Bühne nicht aus dem Blick lassen und unter keinen Umständen einem Mütschli nachschauen, gilt jedes Jahr. Im Grossen und Ganzen war das Auswerfen in diesem Jahr bei herrlichem Sonnenschein schlichtweg wieder ein einmaliges «Mir-eis»-Spektakel.
Der brennende Pagat
Was in Zürich nicht immer klappt, scheint in Einsiedeln nie ein Problem zu sein: das Abbrennen des Pagats. Im Jahr 2016, bei aufziehendem Sturm, mussten die Schwyzer passen. Im letzten Jahr, bei gleichem Problem, die Zürcher Zünfte. Und Einsiedeln? Unter herrlichem Nachthimmel fand der Pagat des Jahres 2025 sein Ende. Die zwölf Knacker explodierten wie geplant, die Hudi waren traurig wie immer und die Trichler drehten ihre Runden. Keine Angst, in 333 Tagen startet in Einsiedeln die Fasnacht wieder.
Einsiedler Anzeiger / René Hensler
Autor
Einsiedler Anzeiger
Kontakt
Kategorie
- Brauchtum / Feste
Publiziert am
Webcode
www.schwyzkultur.ch/FnNyED