Bei jedem Wetter galt es, bei den Skispringerinnen zu drehen. Die Stimmung war aber auch bei den widrigsten Umständen gut. Fotos: zvg
Bei jedem Wetter galt es, bei den Skispringerinnen zu drehen. Die Stimmung war aber auch bei den widrigsten Umständen gut. Fotos: zvg
Der Traum vom Fliegen  - 1
Nicht nur ein gutes und konzentriertes Auge braucht es als Kamerafrau, auch muss eine gute Fitness an den Tag gelegt werden, um gute Aufnahmen in unwegsamen Gelände zu bekommen.
Nicht nur ein gutes und konzentriertes Auge braucht es als Kamerafrau, auch muss eine gute Fitness an den Tag gelegt werden, um gute Aufnahmen in unwegsamen Gelände zu bekommen.

Film

Der Traum vom Fliegen

Martina Di Lorenzo realisiert mit «siebensekunden» einen Dokumentarfilm über das Skifliegen bei den Skispringerinnen.

Die Einsiedlerin Martina Di Lorenzo lebt und arbeitet als Kamerafrau in Köln. Seit rund zwei Jahren dreht sie einen Dokumentarfilm über das Skifliegen bei den Frauen. Aufgewachsen ist Martina Di Lorenzo gemeinsam mit zwei Brüdern an der Langrütistrasse. An dieser führte ihre Mutter das gleichnamige Kosmetikstudio. Nach der obligaten Schulzeit erlangte sie im Jahr 2000 das Diplom zur Primarlehrerin. In diesem Beruf war sie während fast acht Jahren tätig. Obwohl sie das Unterrichten liebte, war der Drang, etwas «Kreatives» zu machen, sehr gross. 2003 besuchte sie an der Kunsthochschule Luzern den Vorkurs «Künste». Im Anschluss hätte sie gerne das Studium als Animations-Zeichnerin gestartet. Leider bestand sie die Aufnahmeprüfung nicht. Sie lernte aber, dass sie auch Bilder gestalten konnte, ohne zu zeichnen. Bis sie dann aber die Ausbildung zur Kamerafrau startete, dauerte es noch eine Weile. Neben ihrem Beruf als Lehrerin absolvierte sie einige Praktika und sammelte Erfahrungen an verschiedenen Filmsets in Deutschland.

Studium «Kamera»


Irgendwann kam die Einsicht, dass sie langsam aber sicher zu alt wurde, um eine Ausbildung zur Kamerafrau in Angriff zu nehmen. Mit diesem Hintergedanken machte sie vorwärts und zog 2010 nach Köln. Dort startete sie an der internationalen Filmschule off. das Studium «Kamera». Dieses Studium dauerte sechs Semester. In jedem Studiengang waren acht Studierende, welche sich jeweils zu einem Team zusammenschliessen mussten. So entstanden pro Semester acht Filme. «Wir rannten während des Semesters fast pausenlos mit einer Kamera rum», erzählte sie im Nachhinein. Alle Studierenden halfen sich gegenseitig und so waren sie oft wochenlang gemeinsam am Set. Dies schweisste die Gruppe extrem zusammen. Kein Wunder, sind die Teilnehmer dieser Kameraklasse auch heute noch sehr gut befreundet. Seit 2013 arbeitet Martina Di Lorenzo nun als selbstständige Kamerafrau. Ihre Hauptarbeit besteht aus Auftragsarbeiten für Werbung, Film und Fernsehen. Normalerweise komme sie erst hinzu, wenn für ein Projekt jemand für die Kamera gebraucht wird. Dann sei sie bei den Vorbereitungen dabei. Da gilt es, Motive zu suchen, ein Lichtkonzept zu erstellen, am Storyboard mitzuwirken oder bei der Teambildung mitzumachen. Am Ende der Dreharbeiten gilt es noch, Arbeiten für die Farbgestaltung des Films zu realisieren. Meistens hat sie da als Kamerafrau keinen Einfluss auf die Inhalte eines Films.

Dank Covid ein Projekt initiiert


Ganz anders nun bei ihrem eigenen Dokumentarfilm «siebensekunden – Der Traum vom Fliegen». Der Titel umschreibt die Zeit, welche für einen Skiflug benötigt wird. Die Idee zum Film entstand während der Corona-Pandemie vor drei Jahren. In dieser Zeit war Di Lorenzo gezwungenermassen arbeitslos. Die Filmindustrie stand still. Da sie in dieser Situation nicht untätig rumsitzen wollte, begann sie mit der Recherche und dem Schreiben eines Drehbuchs zum Thema Skifliegen für Skispringerinnen. Auf der Welt gibt es «nur» vier Flugschanzen, bei denen Weiten über 200 Meter möglich sind. Dies ist die «Heini-Klopfer-Skiflugschanze» in Oberstdorf (Deutschland), der «Kulm» in Bad Mitterndorf (Österreich), den «Vikersundbakken» in Vikersund (Norwegen) und «Letalnica Bratov Gorisek» (Skiflugschanze der Gebrüder Gorisek) in Planica (Slowenien). Das Skifliegen war bis in diesem Jahr den Männern vorbehalten. Mitte März durften nun die 15 besten Skispringerinnen offiziell erstmals über eine Skiflugschanze. Die Premiere fand in Vikersund statt. Die Slowenin Ema Klinec gewann das erste Skifliegen mit einer Bestweite von 226 Metern. Diese Weite ist nun natürlich gleich der erste Schanzenrekord der Frauen. Bei den Männern liegt der Rekord bei 253,5 Metern, geflogen vom Österreicher Stefan Kraft im Jahr 2017.

Zusammenarbeit mit den Besten


In den letzten drei Jahren begleitete sie die zwei aktuell erfolgreichsten Skispringerinnen Katharina Althaus (Deutschland) und Eva Pinkelnig (Österreich). Ebenfalls zu Wort kommen auch ehemalige Athletinnen und Trainer. «Der Film soll in erster Linie aufzeigen, wie grossartig dieser Sport ist und was die Frauen alles geleistet haben, bis auch sie endlich Skifliegen durften», sagt die Bildgestalterin gegenüber unserer Zeitung. Dank vielen Recherchen, unzähligen E-Mails und noch mehr Telefonaten konnte sie den Kontakt zu den Athletinnen herstellen. Zu Beginn war es oft so, dass nach einem Schritt nach vorne wieder drei Schritte zurück gemacht werden mussten. Da aber der Pressesprecher des deutschen Skiverbandes DSV das Projekt von Anfang an interessant fand, öffnete die Zusammenarbeit mit ihm einige Türen. Nach den anfänglichen Stolpersteinen fand sie schnell den Zugang zu den Athletinnen.

Premiere im Jahr 2024


Bis Ende Mai stehen nun noch verschiedene Dreharbeiten an und danach geht es in die Postproduktion. «Das Ziel ist es, den Film Anfang des nächsten Jahres fertigzustellen» schaut Martina Di Lorenzo positiv in die Zukunft. Zuerst möchte sie den Film an einigen Festivals zeigen. Sie träume davon, dass sie einen Verleiher oder gar einen Sender findet, welcher den Film zeigen beziehungsweise weiter vermarkten möchte. Sie könne sich durchaus vorstellen, den Film auch in Einsiedeln zu zeigen. Dank der Zusage der Filmförderung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen von Mitte März habe sie nun weniger finanziellen Druck und das Projekt hat an Anerkennung gewonnen. Auf die Frage, ob sie denn die Traumfabrik «Hollywood» nicht auch reize, meint sie nur, dass dies für sie total unrealistisch sei. «Ich bin glücklich in Köln und es macht für mich keinen Sinn, hier wegzuziehen. Hier habe ich mein Netzwerk», gibt sie unumwunden zu. Sie wisse es zu schätzen, was sie mit unglaublich viel Spass machen darf. Sie lerne nette und interessante Menschen kennen, reise an viele tolle Orte und verdiene genug Geld, um davon leben zu können. Dafür nimmt sie auch in Kauf, wenn Arbeitstage mal länger als 14 Stunden dauern.

Weitere Informationen auf Instagram: _siebensekunden_


Einsiedler Anzeiger / René Hensler

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

12.04.2023

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