Für seine «schöpferische Freiheit auf der Bühne» erhält Volker Hesse (rechts) aus den Händen von Quästor Hugo Keune den Herbert Haag Preis. Foto: Victor Kälin
Für seine «schöpferische Freiheit auf der Bühne» erhält Volker Hesse (rechts) aus den Händen von Quästor Hugo Keune den Herbert Haag Preis. Foto: Victor Kälin

Dies & Das

«Am Anfang war der Zorn …»

Für die «schöpferische Freiheit auf der Bühne und in der Lyrik» sind am Sonntag Volker Hesse und Andreas Knapp mit dem Preis der Herbert Haag Stiftung ausgezeichnet worden.

Dass das Einsiedler Welttheater eine Inspiration gerade für religiöse Fragestellungen ist, bestätigt die Herbert Haag Stiftung mit der Wahl der diesjährigen Preisträger. Neben Andreas Knapp (Leipzig) erhielt Volker Hesse (Zürich) den Herbert Haag Preis. Eine Ehre, die im Jahr 2010 bereits Thomas Hürlimann zuteil wurde – wie bei Hesse nicht zuletzt des Einsiedler Welttheaters wegen.


«Der Erstarrung gegenüber»


Über 200 Gäste wohnten am Sonntagnachmittag in Luzern der Preisübergabe bei. Unter den zahlreichen Einsiedlern waren auch ehemalige Mitglieder des Welttheatervorstandes vor Ort, so zum Beispiel der langjährige Präsident Peter Kälin; während seiner Amtszeit inszenierte Volker Hesse das Welttheater in den Jahren 2000 und 2007. Die Laudatio auf Hesse hielt alt Bundesrat Moritz Leuenberger – was dieser gleich als Steilvorlage für seinen Einstieg nutzte: «Eine katholische Stiftung beauftragt einen protestantischen Politiker damit, einen Theatermann zu loben. Was verbindet die drei?» Und gab die Antwort gleich selbst: Es sind die Inszenierungen, die weder der katholischen Kirche, noch der Politik und schon gar nicht dem Theatermann fremd seien. «Tiara und Weihrauch, Nationalhymnen und Paraden, der Vorhang und die Bühne: Wir treten auf, wir spielen, wir treten ab. Und alle drei Welten sehen sich immer wieder Erstarrung gegenüber: Ideologien, Dogmen, Abkapselungen und Überheblichkeiten, welche uns bedrohen.»


Der Künstler und die Politiker


Als ehemaliger Verkehrsminister würdigte Leuenberger die Arbeit Hesses insbesondere anhand der Produktion zur Eröffnung des Gotthard- Basistunnels 2016. Hesse habe die Ambivalenz zwischen Natur und menschlichem Mobilitätsdrang, zwischen Unkontrolllierbarkeit und Glauben an die technische Machbarkeit thematisiert. Dies in einer direkt auf das Gefühl zielenden Theatersprache, die viel mehr gewirkt habe, als die Worte der Politiker. «Und nicht nur zur Freude der Auftraggeber.» Denn diese hätten lieber etwas mehr Patriotismus erlebt. Auch in anderen Produktionen habe Hesse dem häufigen politischen Erwartungsdruck widerstanden – wie etwa bei den Altdorfer Tellspielen 2008: «Volker Hesse hat uns statt eines Kämpfers gegen fremde Richter aus der habsburgischen EU einen apolitischen, egozentrischen Einzelkämpfer gezeigt. Da ist ein Akt der Befreiung von Mythen, die für politische Dogmen missbraucht werden.» Launig doppelte er nach: «Noch heute meinen 7 von 10 Schweizern, Tell sei der Ehemann von Heidi, und die beiden hätten im Albisgüetli geheiratet.»


«Am Anfang war der Zorn …»


In seinen Dankesworten verwies Hesse auf das katholische Milieu, in dem er aufgewachsen sei: «Am Anfang meiner kreativen Tätigkeit war der Zorn. Ich lehnte mich auf gegen verlogene Sexualmoral oder gewalttätige Erziehungsmethoden. Entsprechend waren meine ersten künstlerischen Arbeiten blasphemisch.» Noch heute reagiere er empört auf Verdrängungstendenzen und Unempfindlichkeiten. Mit der Zeit verschob sich sein Interesse auf politische Themen, etwa zur ökonomischen Gerechtigkeit. «Die Emanzipation erfolgte über den Verstand. Ich peitschte meine katholische Prägung aus mir heraus.» Dennoch spürte Hesse, dass man eine «katholische Sozialisation nicht so schnell wieder los wird». Auch im Positiven. Er erwähnte Menschen in seinem Leben, «die tatsächlich christliche Liebe praktizierten». Zudem habe er inszenatorisch stark vom Katholizismus und seinen sinnlichen Ritualen profitiert. Seine Aussagen unterstrich er mit der Einspielung der Schlussszene des Welttheaters 2007, einem massenhaften Untergang, über dem jedoch das individuelle Versprechen schwebte, jemanden gern gehabt zu haben.


«Vorsichtig hier, expressiv da»


Zwischen Volker Hesse und dem zweiten Preisträger, dem Leipziger Priester Andreas Knapp, gibt es Gemeinsames. Dies zeigte Erwin Koller, Präsident der Herbert Haag Stiftung: «Beide nehmen die Sprache heutiger Menschen samt ihrer Rebellion und ihrer Not im Angesicht der Welt auf, vorsichtig tastend der Lyriker, expressiv bewegt der Regisseur.» Für feine Zwischentöne besorgt war Jürg Kienberger, als Komponist 2007 ebenfalls für das Welttheater tätig, woran sich die Einsiedler spätestens dann erinnerten, als der Kabarettist auf seiner Glasharfe unnachahmlich zart zu spielen begann – so als müsse etwas Zartes, Wichtiges bewahrt und beschützt werden.


Einsiedler Anzeiger / Vi

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Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

13.03.2018

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