Werner Oechslin hält eines der Exponate in der Hand: Ein Stich einer grossartigen Kaiser-Feier in Wien, deren Ablauf genau festgelegt und protokolliert gewesen war. Fotos: Victor Kälin
Werner Oechslin hält eines der Exponate in der Hand: Ein Stich einer grossartigen Kaiser-Feier in Wien, deren Ablauf genau festgelegt und protokolliert gewesen war. Fotos: Victor Kälin
Von der Wiege bis zur Bahre: Darstellung verschiedener Feste, zu sehen im Untergeschoss der Bibliothek.
Von der Wiege bis zur Bahre: Darstellung verschiedener Feste, zu sehen im Untergeschoss der Bibliothek.

Dies & Das

Literatur

«Man sollte das eigentlich feiern»

Den 20. Geburtstag feiert die Stiftung Bibliothek Werner Oechslin mit einer Ausstellung. Passend zum runden Geburtstag lädt die Bibliothek der Stiftung Werner Oechslin mit der thematischen Ausstellung «Fest und Öffentlichkeit» zum Besuch ein.

Victor Kälin unterhielt sich mit Professor Werner Oechslin


Victor Kälin: Auf die Idee einer Ausstellung zum Thema «Feste» muss eine Bibliothek erst einmal kommen …


Werner Oechslin: 20 Jahre nach der Gründung unserer Stiftung kam schon mal der Gedanke auf, man könnte oder sollte dies eigentlich feiern. Also wurde das Fest zum Thema des diesjährigen Barocksommerkurs gewählt und wir haben uns zu dieser einschlägigen Ausstellung entschieden.


Was prädestiniert gerade die Bibliothek der Stiftung Werner Oechslin, dieses Thema öffentlichkeitswirksam umsetzen zu können?


Unsere Bibliotheksbestände zum Thema Fest sind durchaus bedeutend, da sie schon früh aufgebaut wurden. Das hängt mit einer in den 70er-Jahren unternommenen Forschung -– damals als Projekt des Nationalfonds – und mit einer mit französischen Kollegen organisierten Ausstellung zu den «Piranésiens Français» in Rom und Paris zusammen. Wir haben 1984 in Düsseldorf eine umfassendere Ausstellung zum Thema veranstaltet, deren Begleitpublikation schon längst vergriffen ist.


Sie haben sich mit der Inszenierung des öffentlichen Raumes beschäftigt. Welche Erkenntnisse ziehen Sie daraus – auch im Hinblick auf allfällige Unterschiede zwischen Festen früher und heute?


Die moderne Welt hat Öffentlichkeit häufiger über Formen der Kommunikation und den freien Meinungsaustausch und neuerlich noch mehr über virtuelle Medien begriffen. Die körperliche Wirklichkeit von Stadt und Stadtraum kam dabei oft zu kurz und damit auch das öffentliche Interesse an einer Stadtgestaltung, die von den ganz konkreten Bedürfnissen des Menschen ausgeht. Man hat dies im 18. und 19. Jahrhundert unter dem Begriff des «embellissement», der Stadtverschönerung zusammengefasst. Es gab auch in Einsiedeln um 1900 einen Verschönerungsverein; ihm verdankte man die baumgeschmückten Wege, wie sie der Landenbergplan dokumentiert.


Ein spezieller Betrachtungspunkt bildet die Vergänglichkeit, die Flüchtigkeit dieser Festarchitektur (die sogenannt ephemere Architektur). Was lässt sich generell dazu sagen: War man früher ausschweifender, grosszügiger?


Ephemer steht für flüchtig und vergänglich, genauer aber: für ein (vorübergehendes) Tagesgeschehen. Ein Fest kennt einen festen Termin, findet an einem Tage (oder mehreren Tagen) statt und dann ist es vorbei; es bleibt aber in Erinnerung, weil alles so ganz besonders einprägsam war … Es ist also nicht «virtuell», sondern überzeugt gerade umgekehrt durch die Konkretheit des Geschehens, durch die Körperlichkeit all dessen, was da vorgeführt und gezeigt wird. Feste sind «zum Anfassen », unseren Sinnen direkt zugänglich. Und darin ermisst sich der Genuss des Ereignisses. Alle Sinne sind beteiligt und lassen das Fest «erleben».


Sind auch Wettkampfarenen, welche für die grossen Schwingfeste für einen oder zwei Tage aus dem Boden gestampft werden, als Ausdruck einer «ephemeren» Architektur, als neuzeitlichen Form der Gestaltung von öffentlichen Festen zu sehen?


Natürlich gehören auch Arenen, künstliche Bühnenaufbauten und anderes mehr zu einer «ephemeren Architektur»: Diese muss das Festerlebnis steigern, einen Ort hervorheben, Effekte sichtbar machen. Übrigens, je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, umso deutlicher sind Rituale, Sport, Religion miteinander verwoben; alle diese Bereiche folgen dem Bedürfnis nach einer öffentlichen Manifestation, die zur Beteiligung der Menschen auffordert.


In Einsiedeln wurde und wird häufig gefeiert und gefestet. Bekannt sind – zum Beispiel – die geistlichen Feiern, welche im späteren Mittelalter auf dem Brüel stattgefunden haben. Auch für diese Feiern wurde viel Aufwand betrieben …


Es gab auch in Einsiedeln besondere Feste, die teils im kirchlichen Kalender erschienen, teils den besonderen Traditionen geschuldet waren. Dazu gehörten auch, was häufig vergessen wird, die allen Kulten vertraute Funktion des Vorzeigens von Reliquien, «Heiligtümern » aller Art oder auch Insignien. Bei uns lassen sich solche «Gänge» kaum von der Wallfahrt trennen. Nur die Älteren erinnern noch den herbstlichen Gang über die Wiesen in der Art von Erntedankfest. Es würde sich lohnen, diese seit Pater Suso Braun gut erforschte (Einsiedler) Festtradition in der Form einer Ausstellung in Erinnerung zu rufen.


Welche weiteren Lokalbezüge kann die Ausstellung herstellen?


Vorerst muss man sich mit der Vorstellung analoger Situationen begnügen. Aber die besondere und besonders ausgeprägte Einsiedler Festlaune sollte damit keinerlei Mühe haben. 1973 habe ich in der Vorarlberger Barockbaumeister-Ausstellung den Klosterplatz als Festraum ausführlich diskutiert, die Begegnung der ankommenden Pilger mit der aus der Stiftskirche kommenden Empfangsprozession auch in der «Form von unten und oben betont» und die Analogie zum römischen St. Petersplatz und der dort gegebenen Geste ausgebreiteter Arme thematisiert. Die neue Platzgestaltung mag dies jetzt erneut ins Bewusstsein bringen.


Und worauf freuen Sie sich am meisten?


Die Ausstellung zeigt Bücher und Stiche, alles in schwarz/weiss! Doch wer da genauer hinschaut, kann viel entdecken, zumal mit den Festen auch immer die beteiligten Menschen (in Fest- oder Trauerlaune) dargestellt sind. Man sieht so auf einem ausgefalteten Stich die Riesentafel, die man in Rom im Palazo Chigi zu einem feierlichen Banquet hergerichtet hat. Für die Ausstellung des langen Trauerzuges, mit dem 1840 der Leichnam Napoleons in sein neu eingerichtetes Monument in der Eglise des Invalides in Paris überführt wurde, reichen zwei Vitrinen nicht aus; man sieht lediglich den abgekürzten Zug. Besonders eindrücklich sind sicherlich die monumentalen französischen Festpublikationen; man kann die (traditionelle) Königskrönung in Reims bis in alle Einzelheiten hinein verfolgen. Auffällig ist, dass der grösste Aufwand oft genug mit Bestattung und Trauerfeierlichkeiten begangen wurde; offensichtlich gab es da – nach vollbrachtem Leben – endlich wirklich etwas, was zu feiern und zu gedenken sich womöglich lohnte.


«Fest und Öffentlichkeit»


Ausstellung der Stiftung Bibliothek Werner Oechslin, 6. Juni bis 30. Mai 2020. Vernissage Mittwoch, 5. Juni, 18.15 Uhr


Einsielder Anzeiger / Victor Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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  • Literatur

Publiziert am

01.06.2019

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www.schwyzkultur.ch/29MjhU