«Wir sprechen nicht nur Skiclübler und die Einsiedler Dorfbevölkerung an, sondern auch Geschichts- und Sportinteressierte in der ganzen Schweiz», sagt Martin Uhr. Bild Urs Gusset
«Wir sprechen nicht nur Skiclübler und die Einsiedler Dorfbevölkerung an, sondern auch Geschichts- und Sportinteressierte in der ganzen Schweiz», sagt Martin Uhr. Bild Urs Gusset
Sie bauten den «Einsiedler» zu einem der grössten Breitensportanlässe der Schweiz aus (von links): «Mr. Langlauf» Wisel Kälin mit Gattin Liliane sowie Maria und Jürg Gyr. Wisel Kälin war Olympiamedaillengewinner 1968/1972
Sie bauten den «Einsiedler» zu einem der grössten Breitensportanlässe der Schweiz aus (von links): «Mr. Langlauf» Wisel Kälin mit Gattin Liliane sowie Maria und Jürg Gyr. Wisel Kälin war Olympiamedaillengewinner 1968/1972
Fredel Kälin (Mitte), Olympiamedaillengewinner von 1972, arbeitete in seiner Aktivzeit und auch danach massgeblich an der Entwicklung von neuen Skitechnologien mit. Fotos: Skiclub Einsiedeln
Fredel Kälin (Mitte), Olympiamedaillengewinner von 1972, arbeitete in seiner Aktivzeit und auch danach massgeblich an der Entwicklung von neuen Skitechnologien mit. Fotos: Skiclub Einsiedeln
Skifabrikant Edi Müller (rechts) erklärt Andreas Schaad (links), Olympiamedaillengewinner von 1988 und 1994, und René Tschümperlin die verschiedenen verwendeten Holzarten im Skibau.
Skifabrikant Edi Müller (rechts) erklärt Andreas Schaad (links), Olympiamedaillengewinner von 1988 und 1994, und René Tschümperlin die verschiedenen verwendeten Holzarten im Skibau.

Dies & Das

«Sport ist ein wichtiges Kulturgut»

Martin Uhr, Einsiedeln, Koordinator der SCE-Ausstellung im Chärnehus im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums «Einsiedler Volksskilauf»

Urs Gusset: Welche Erinnerungen haben Sie als Ausstellungsverantwortlicher an 50 Jahre Einsiedler Volksskilauf?


Martin Uhr: Mit der JO der Alpinen war ich schon von sehr klein auf am Volksskilauf engagiert. Wir mussten Strassenübergänge schaufeln oder haben an den Verpflegungsposten geholfen. Nach meiner Zeit als Alpiner habe ich mich zusammen mit dem heutigen OK-Präsidenten Stefan Luna um die Zeitmessung gekümmert. Und da galt der Volksskilauf immer als Hauptanlass. Als Alpiner habe ich es aber bis jetzt noch nie geschafft, am Rennen teilzunehmen. Auch an der 50. Austragung bin ich mit der Zeitmessung beschäftigt.


Welche Reaktionen haben Sie am Wochenende auf die vom SC Einsiedeln unter Ihrer Koordination auf die Beine gestellten Ausstellung, die 50 Jahre Langlauf-Geschichte Revue passieren lässt, erhalten?


Es freut mich, dass wir mit der Ausstellung anscheinend sehr vielen Leuten eine grosse Freude bereiten konnten. Die Reaktionen waren durchwegs positiv. Jüngere und ältere Besucherinnen und Besucher haben die Ausstellung sichtlich genossen und mit uns vom Ausstellungsteam und anderen Gästen angeregt diskutiert.


Welches Feedback hat Sie besonders gefreut?


Dass es die Besucherinnen und Besucher schätzen, wie wir sowohl Neues wie auch Altes gut in die Ausstellung integriert haben und nicht nur den Sport beleuchten.


Wie haben die Mitglieder des Skiclubs Einsiedeln und geladenen Gäste, die am Samstagabend zum Apéro ins Chärnehus eingeladen worden sind, auf die Ausstellung reagiert?


Es war eigentlich ein Klassentreffen, bei dem viele Anekdoten aus der 50-jährigen Geschichte wiedergegeben worden sind. Für viele war es auch ein Wiedersehen nach langen Jahren. Da ist generationenübergreifend heftig über die Entwicklung des Langlaufsports diskutiert worden. Es ist für mich ein Beweis dafür, dass wir auch in Zukunft in Einsiedeln noch einen sehr starken Zusammenhalt haben, um Sportanlässe organisieren zu können.


Welcher Ausstellungsgegenstand spricht Sie persönlich am meisten an?


Persönlich habe ich mich sehr stark für die Zeitmessung interessiert. Die ersten Rennen hatte man ja praktisch mit der Kirchenuhr gestoppt. Die Rangliste ist eine Woche später in gedruckter Form nach Hause zugestellt worden. Der «Einsiedler» war einer der ersten Sportanlässe der Schweiz, der früh in den Siebzigern auf die Computertechnologie des Benziger Verlags zählen konnte und so auch in der Lage war, die Heerschar an Teilnehmern in Gruppen starten zu lasssen. Heute sind wir dank Chiptechnologie in der Lage, in Echtzeit diese für jeden Einzelnen zu liefern. Es wäre sogar technisch möglich, jede Läuferin und jeden Läufer während des Rennens online zu verfolgen.


Auf welches Ausstellungsstück sind Sie besonders stolz?


Da gibt es viele! Die Skisammlung, die wir zeigen, lässt einen schon stolz werden. Den Silberski von Wisel aus Sapporo sowie einen Olympiaski von Dario Cologna in der gleichen Ausstellung zu haben, ist schon einmalig. Stolz bin ich auch darauf, dass wir Olympiamedaillen und Schweizermeisterschaftsmedaillen von Einsiedler Athletinnen und Athleten zeigen dürfen.


Auf welchen Ausstellungsgegenstand sind Sie am Wochenende am häufigsten angesprochen worden?


Auf den leuchtgelben «Müller»-Kunststoffski, den Fredel Kälin als Prototyp 1974 an den Weltmeisterschaften in Falun gelaufen war, haben mich viele angesprochen. Der Ski fällt durch seine fluoreszierende Farbe auf. Zudem ist seine Spitze gebrochen. Das regt schon zum Diskutieren an.


Wie weit lässt sich diese Ausstellung mit der Chärnehus-Ausstellung von 1984 «Einsiedler Winter» vergleichen?


In meinen Recherchen bin ich auch auf diese Ausstellung zurückgegangen. Was die Macher 1984 gezeigt haben, war sehr toll und hat alle damaligen Wintersportarten umfasst. Zu dieser Zeit war der «Einsiedler» ein Teenager. Wir decken auch die zusätzlichen 34 Jahre seit der Ausstellung ab. Und unser Fokus liegt auf dem Langlaufsport und im Speziellen auf dem Volksskilauf.


Am Wochenende haben rund 200 Besucherinnen und Besucher die Ausstellung im Chärnehus gesehen. Sind Sie mit diesem Besucheraufkommen zufrieden?


Am Wochenende hat richtiges Museumswetter geherrscht, was zwar nicht gut zum Langlaufen war, aber umso besser für einen Besuch im Chärnehus. Es dürfen selbstverständlich immer gerne noch mehr kommen.


Wie viele Besucherinnen und Besucher erwarten Sie an dieser Ausstellung, die an fünf Wochenenden geöffnet ist, insgesamt?


Wir rechnen mit insgesamt 1000 bis 1500 Besucherinnen und Besuchern, was auch etwa dem Rahmen einer «Chärnehus»-Ausstellung entspricht. Mit der Einbettung in unser Rennwochenende am 10. und 11. Februar hoffen wir noch auf ein bisschen mehr.


Hatten Sie am ersten Wochenende bereits «hohen» Besuch?


Jede Besucherin und jeder Besucher ist «hoher» Besuch für uns. Natürlich, am Apéro der SCE-Familie am Samstagabend war die Dichte an Schweizermeisterinnen und Schweizermeistern sowie Olympiateilnehmerinnen und Olympiateilnehmern sowie Sportfunktionären entsprechend hoch.


Für wen ist diese Ausstellung gedacht?


Wir möchten mit der Ausstellung ein breites Publikum ansprechen und das Interesse am Skisport und insbesondere am nordischen Skisport pflegen. Ich glaube, Sport ist für Einsiedeln ein wichtiges Kulturgut. Eingeladen sind Alt und Jung. Leute, die sich am Sport interessieren und Leute, die sich an der Entwicklung des Dorfes und der Region interessieren. Nicht nur der Sport wird gezeigt, sondern auch die Entwicklung in der Administration mit Schreibmaschine und Umdrucker und das komplette Dossier der Olympiakandidatur 1976 von Zürich. Ein breit gefächertes Themengebiet also.


Wieso hat der SCE als Organisator des Einsiedler Volksskilaufs im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums des «Einsiedlers» überhaupt eine Ausstellung auf die Beine gestellt?


Ein goldenes Jubiläum ist eine einmalige Sache. Wir wollten das auch gebührend feiern. Das Archiv des Skiclubs Einsiedeln ist sehr gut dokumentiert, doch sehr wichtig war es, für die Ausstellung mit Zeitzeugen sprechen zu können. Und mit dem Chärnehus und seiner grossen Ausstellungstradition ist es nahegelegen, dass wir eine Ausstellung machen.


Wieso haben Sie die Koordination dieser Ausstellung übernommen?


Dank einer beruflichen Veränderung konnte ich mich in der Konzeptphase stark einbringen. Und danach war ich sozusagen «drin». Je mehr Informationen ich gesammelt und Gespräche geführt hatte, ist in mir einerseits das Interesse gewachsen, anderseits hat sich die Überzeugung gefestigt, dass die Ausstellung die richtige Plattform ist.


Was ist das Ziel dieser Ausstellung?


Wir möchten mit der Ausstellung einer breiten Bevölkerung den «Einsiedler » mit all seinen Facetten und Themengebieten näherbringen. Wir sprechen nicht nur Skiclübler und die Einsiedler Dorfbevölkerung an, sondern auch Geschichts- und Sportinteressierte in der ganzen Schweiz. Es liegt uns auch daran, die Initianten und die unzähligen Helfer zu ehren. Und als Nebeneffekt wollten wir die Geschichte dieses Anlasses dokumentieren.


Was hat Sie während des Zusammenstellens der Ausstellung besonders gefreut?


Die vielen netten Kontakte mit all unseren Sportlern. Ich bin da wirklich überall auf offene Ohren gestossen. Es waren alle spontan bereit, Red und Antwort zu stehen. Besonders hat mich auch gefreut, wie auch die SCE-Mitglieder, die heute zum Beispiel in Norwegen wohnen, hier aktiv mitmachen.


Wie viel Zeit haben Sie und Ihr Team in diese Ausstellung gesteckt?


Die Projektidee ist anlässlich der Abschlusssitzung des letztjährigen Volksskilaufs geboren worden. Seither haben wir mit Hochdruck daran gearbeitet. Wir haben vom Kulturverein Chärnehus viel Unterstützung erhalten. Viele Skiclübler haben aktiv mitgearbeitet. Selber habe ich über 1300 Stunden investiert.


Wie sind Sie bei der Zusammenstellung der Ausstellung vorgegangen?


Das Ganze ist ein Teameffort. Dank der «Skiclub-Bibel» – 100 Jahre Skiclub Einsiedeln von Markus Lienert ist der Einstieg in die Thematik relativ rasch gelungen. Wir haben uns in der Konzeptphase die Ausstellung und deren Ablauf für den Besucher aufskizziert. Rückblickend war dies die entscheidende Grundlage, die uns konsequent hat vorwärtsarbeiten lassen. Das, was wir im Mai 2017 noch als Vision betrachtet haben, kann jetzt im Chärnehus erlebt werden.


Wie schwierig war es beispielsweise, an den Silberski von Wisel Kälin anlässlich der Olympischen Spiele 1972 in Sapporo und einen Rennski von Dario Cologna anlässlich der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi zu kommen?


Es war erstaunlicherweise sehr einfach. Wisel war massgeblicher Promoter des Einsiedler Volksskilaufs. Den Ski von Dario Cologna haben wir dank guter Kontakte zur Skiindustrie erhalten. Interessant ist der Teil der Ausstellung, der den Zürcher Olympiaplänen für 1976 gewidmet ist. Das ist der eigentliche Ursprung des «Einsiedlers». Sigi Widmer, damaliger Zürcher Stadtpräsident, hatte gute Kontakte zu Einsiedeln und dem Skiclub Einsiedeln. Er hat dem Skiclub vorgeschlagen, zur Propagierung der Olympiakandidatur einen Skilauf für das Volk zu machen. Bei den Langläufern im Skiclub Einsiedeln ist diese Idee auf sehr fruchtbaren Boden gestossen. Es hat intern jedoch heftige Diskussionen gegeben, bis der Entscheid gefällt war, Sigis Idee am Sonntag des Einsiedler Skitags umzusetzen. Die Olympiakandidatur von Zürich war für die touristische Entwicklung der Region Einsiedeln sehr wichtig. Rückblickend finde ich es sehr schade, dass das Olympiaprojekt nicht umgesetzt worden ist. Die Erschliessung des Hoch-Ybrig als Skigebiet ist ebenfalls aufgrund der Kandidatur vorangetrieben worden. Das komplette Olympiadossier von damals kann in der Ausstellung gelesen werden. Darin sind die Streckenpläne für die nordischen und alpinen Disziplinen zu finden wie auch die Skizzen für die Olympiadörfer in der Wäni und dem Hoch-Ybrig. Sehr aufschlussreich ist auch der Part der Materialentwicklung, der vom ehemaligen Nordisch Kombinierer Andreas Schaad zusammengestellt worden ist. Mit Andreas haben wir wahrscheinlich einen der besten Materialkenner des nordischen Skisports in unseren Reihen. In seiner Aktivkarriere hat er die Veränderung des Laufstils mitgemacht. Als Mitglied der Nationalmannschaft hat er zusammen mit dem ehemaligen Einsiedler Langlaufskifabrikanten Edi Müller wichtige Inputs in die Entwicklung von Skiern gegeben. Und heute führt er ein Geschäft, das sich auf Nordic Sports und im besonderen Langlauf fokussiert hat. Für die Ausstellung konnte er stark auf die Sammlung von Fredel Kälin zurückgreifen. Kurt Kälin, der über zehn Jahre als Servicemann mit Swiss-Ski unterwegs war, hat ebenfalls grosse Unterstützung geboten.


Fehlt in der Ausstellung etwas, das Sie gerne gezeigt, aber nicht auftreiben konnten, oder Ihnen nicht zur Verfügung gestellt worden ist?


Die Ausstellung ist sehr gut ausgestattet. Wir haben uns Mühe gegeben, nach dem Motto «Weniger ist mehr» zu arbeiten. Während der Zusammenstellung hatte man oftmals das Gefühl: «Das wäre noch interessant, da hat es noch etwas», aber ich bin sehr stolz auf das, was wir haben und trauere nicht etwas anderem nach. Das Eröffnungswochenende hat uns auch die Bestätigung gegeben, dass die Entscheidungen richtig waren und die Besucher zum Verweilen, Schwelgen, Denken und Diskutieren angeregt werden.


Wie gross ist das Budget dieser Ausstellung?


Das Ausstellungsbudget befindet sich im unteren fünfstelligen Bereich. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung unserer Sponsoren, die sich oft auch schon sehr lange im Skiclub Einsiedeln und am Volksskilauf engagieren. Zudem haben wir via Einsiedeln Tourismus die Unterstützung als Casino-Projekt erhalten. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei. Das Budget ist noch nicht gedeckt, deshalb sind wir froh um die Kollekte und das kleine Café.


Wieso findet die Ausstellung im Chärnehus statt?


Wir sind in Einsiedeln in der glücklichen Lage, mit dem Chärnehus und der Fram tolle «Locations» zu haben. Das Chärnehus war aus mehreren Gründen naheliegend. Die Ausstellung passt dort optimal in den Zeitplan, und die vier Stockwerke lassen sich ideal einbinden. Wir sind mit der Ausstellung mitten im Dorf präsent.


Noch ein Blick in die nähere Zukunft: Sie sind beim 50-Jahr-Jubiläum des Einsiedler Volksskilaufs nicht nur Ausstellungsverantwortlicher, sondern beim «Einsiedler» selber auch für die Zeitmessung verantwortlich.


Ich bin seit über zehn Jahren bei vielen Sportanlässen in der Region in der Zeitmessung aktiv – so auch am Skimarathon. Mir gefällt die Kombination von Technik und Sport. Am «Einsiedler» kann ich auf die Unterstützung von Datasport zählen.


Martin Uhr, sonst noch etwas Spezielles aus Ihrer Sicht?


Mit der Ausstellung und dem 50. «Einsiedler» wollen wir den Grundstein für eine tolle Zukunft des Skimarathons legen. Ich bin auf die kommenden 50 Austragungen gespannt und hoffe weiterhin auf den Idealismus, den die Helferinnen und Helfer in den letzten 50 Jahren an den Tag gelegt haben. Einsiedeln lebt von aktiven Vereinen und Veranstaltungen. Ich hoffe, dass dieser Tatendrang im Klosterdorf noch lange erhalten bleibt, dass man sich gegenseitig unterstützt und keine Steine oder unnötigen Hürden in den Weg stellt. Wir freuen uns, möglichst viele Leute an der Ausstellung und am Langlaufwochenende im Februar zu sehen.


Die Ausstellung im Chärnehus wurde am Samstag eröffnet und ist bis am 18. Februar 2018 jeweils am Wochenende von 13.30 bis 17.30 Uhr geöffnet. Führungen ab 15 Personen auf Anfrage an Martin Uhr unter 078/773’91’10 oder martin.uhr@gmx.ch. Der Eintritt ist frei. Kollekte.

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Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

23.01.2018

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