Besuch aus China in der Bibliothek der Stiftung Werner Oechslin in Einsiedeln (von links): Werner Oechslin und die beiden Gäste Mulan Su und Tao Wang. Foto: Franz Kälin
Besuch aus China in der Bibliothek der Stiftung Werner Oechslin in Einsiedeln (von links): Werner Oechslin und die beiden Gäste Mulan Su und Tao Wang. Foto: Franz Kälin
Im Mai wurde Werner Oechslin (mit Urkunde) zum «advisory professor» der Tongji University ernannt. Die Aufnahme zeigt die Ernennungszeremonie – unter anderem mit dem Vizepräsidenten der Universität, Prof. Dr. Jiang Wu, und Prof. Yongji Lu. Foto: zvg
Im Mai wurde Werner Oechslin (mit Urkunde) zum «advisory professor» der Tongji University ernannt. Die Aufnahme zeigt die Ernennungszeremonie – unter anderem mit dem Vizepräsidenten der Universität, Prof. Dr. Jiang Wu, und Prof. Yongji Lu. Foto: zvg

Dies & Das

Zusammenarbeit Einsiedeln-China

Das Wirken der Bibliothek Stiftung Werner Oechslin blieb auch in China nicht unentdeckt. Dieser Tage sind die Hauptpunkte der erwünschten Zusammenarbeit festgelegt worden.

Victor Kälin: Kürzlich weilte eine Delegation aus China bei Ihnen in der Bibliothek Werner Oechslin. Wen durften Sie begrüssen?


Werner Oechslin: Mitte August hat uns eine Gruppe von Professoren und Architekten der Tianjin University, angeführt von Prof. Kong Yuhang und Prof. Wang Qiheng, besucht, der dort das Institut für Geschichte und Theorie der Architektur leitet und Gründer des Research Center for Surveying and Mapping Cultural relics ist. Prof. Qiheng widmet sich insbesondere der Erforschung der Tradition und Geschichte der chinesischen Architektur und des von der Unesco als «Memory of the World» klassifizierten Archivs der Architekten der Yangsi Lei Familie. Die Gruppe war begleitet von Msc. arch. ETH/sia Mulan Sun, die die Architekten- und Künstlerkammer Schweiz-China (SCAA, Swiss-Chinese Chamber of Architects and Artists) präsidiert. Mit ihr und Msc. arch. ETH/sia Tao Wang haben wir uns am 3. August in der Bibliothek getroffen, um die mit Prof. Yongji Lu im Mai an der Tongji University verabredete Zusammenarbeit voranzutreiben und zu konkretisieren.


Was war der Grund dieses Besuches?


Im Mai 2015 während meines ersten Aufenthaltes an der Tongji University in Shanghai hat Prof. Yongji Lu eine Veranstaltung organisiert, an der eine grosse Zahl von Professoren aus ganz China zusammenkamen, die Geschichte und Theorie unterrichten. Mir fiel die Rolle zu, die Bedeutung und die besondere Ausrichtung der Architekturgeschichte mit besonderem Blick auf die moderne Entwicklung und die heutige Situation darzustellen. Daraus und aus meiner kurzen Lehrtätigkeit in Shanghai entstand das Bedürfnis, die Kontakte zu einer konkreten Zusammenarbeit zu entwickeln. Diese Bemühungen wurden jetzt im vergangenen Mai während meines zweiten Aufenthaltes in Shanghai präzisiert und in Seminarien und bei Besuchen in Beijing, Tianjin und Xi’an vertieft.


Wie kam dieser Kontakt mit China – insbesondere der Tongji-Universität – überhaupt zustande?


Mulan Su und Tao Wang waren vor einigen Jahren Studenten an der ETH und offensichtlich von meinem Unterricht angetan. Tao Wang drängte mich wiederholt, nach China zu kommen. Und so nahm ich 2015 eine Einladung an die Tongji University an, mit der auch ein alter Freund vom MIT (Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/ Boston), der mittlerweile verstorbene Stanford Anderson, freundschaftliche Verbindungen unterhielt. Tongji University, eine technische, dem Profil der ETH vergleichbare Universität, pflegt auch seit Anbeginn besondere Beziehungen zu Deutschland.


Sie selbst weilten erst kürzlich selbst in China. Aus einem freudigen Grund …


2018 habe ich nochmals eine Einladung angenommen, um die Kontakte und die gemeinsamen Anliegen weiterzuführen. Dementsprechend intensiv war der Monat Mai mit Lehrtätigkeit und Reisen. Die Ernennung zum «advisory professor» der Tongji University war natürlich eine Art Krönung dieser Tätigkeit …


Ist ein «advisory professor» mehr als nur ein Ehrentitel?


Als «advisory professor» gehört man, wie Prof. Dr. Jiang Wu, der Vizepräsident der Tongji University, in seiner Laudatio betonte, zur Fakultät; man erwartet von ihm Rat und Unterstützung und nun in besonderer Weise – über unsere Bibliothek – die Verstärkung der Kontakte zu Europa und zu unseren Forschungen.


Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen? Was ist konkret geplant?


Mit Prof. Jiang Wu haben wir noch am letzten Tag meines China-Aufenthaltes die Hauptpunkte der erwünschten Zusammenarbeit festgelegt. Knapp gesagt betrifft dies Stipendien für chinesische Studenten und Doktoranden für einen Forschungsaufenthalt in unserer Bibliothek, ein Kolloquium für jüngere chinesische Dozenten und Professoren der Architekturgeschichte und -theorie, ebenfalls in Einsiedeln, sowie – als grösste Herausforderung – Übersetzungsarbeiten insbesondere deutschsprachiger einschlägiger Texte. Alles soll dem gegenseitigen Verständnis und dem Austausch dienen und zu einer dauernden Einrichtung werden. Die Architekten- und Künstlerkammer Schweiz-China möchte diese Bemühungen unterstützen. Am 3. August haben wir uns deshalb hier getroffen. Wir möchten jetzt das ehrgeizige Ziel eines Kolloquiums mit jüngeren chinesischen Kollegen im August 2019 erreichen.


Und warum ausgerechnet in Einsiedeln?


Unsere Bibliothek ist ganz offensichtlich attraktiv und ein Objekt der Bewunderung. Geschätzt wird die kulturgeschichtlich fundierte Auseinandersetzung mit der Geschichte. Zurzeit interessiert die moderne Architektur Europas ganz besonders; deren Beurteilung ist in Bewegung geraten. Man gibt sich mit der Vorstellung einer wie vom Himmel gefallenen voraussetzungslosen Bewegung nicht mehr zufrieden; man will die tieferen, geschichtlichen Zusammenhänge begreifen und die «Verwerfungen» der jüngeren Geschichtsschreibung, die oft kritiklos die «Ideologien» der Moderne wiederholt, korrigieren. Die persönliche Genugtuung liegt darin, dass die entsprechenden Vorstösse, wie jetzt gerade der Beitrag zum Katalog der grossen Wiener Ausstellung Otto Wagner, andernorts, so auch in China, gut aufgenommen werden. Für unsere Bibliothek ist diese Aufgabe einer Revision der modernen Architekturgeschichtsschreibung Teil der Forschung zu Geschichte und Theorie, in der wir unsere Kompetenz entfalten und dafür auch längst internationale Anerkennung gefunden haben.


Wie schafft es eine Bibliothek von Einsiedeln aus in die weite Welt?


Sie ist gut vernetzt – nicht zuletzt in Einsiedeln! In Harro von Senger haben wir einen Kollegen und Freund, der seit Jahrzehnten – wenn auch auf anderem Gebiet – Austausch und Kontakte mit China pflegt. Gerhard Schmitt, Präsident unserer Stiftung, ist Direktor des Singapore ETH Centre und steht in der Mitte unserer fernöstlichen Kontakte! Schliesslich unterhält das Departement Architektur der ETH Zürich seit längerer Zeit Kontakte zur Nanjing University, zurzeit in der Person von Prof. Sacha Menz, der auch Mitglied unseres Stiftungsrats ist. Wir sind also bestens vernetzt! Und wir wollen dies nun in konkrete Projekte und Arbeit überführen.


Einsiedler Anzeiger / Interview: Victor Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

10.08.2018

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