Bühne
Ein traumhaft gutes Theaterspiel
Ein Karl-Valentin-Abend im Theatersaal der Stiftsschule Einsiedeln: Am Freitagabend hat die Premiere der diesjährigen Bühnenproduktion stattgefunden. Regisseur Oskar Sales Bingisser hat Texte und Szenen des Münchner Komikers Karl Valentin ausgewählt, die sein jugendliches Ensemble prägnant und mit viel Spielfreude umgesetzt hat.
Unter dem Motto «Das Leben ist wie eine Lawine – einmal rauf und einmal runter» kam das Premierenpublikum in den Genuss von einigen Szenen aus dem umfangreichen Werk von Karl Valentin (1882 bis 1948). Der eigenwillige Münchner Autor und Komiker war besonders in den 1930er-Jahren ein gefeierter Kabarettist und Schauspieler, man nannte ihn zu seinen Lebzeiten auch den «deutschen Charlie Chaplin». Es gibt kein Happy End So Slapstick-artig wie bei Chap-lin ist Valentins Komik allerdings nicht, obwohl es während der Aufführung viel zu lachen gab. Die Dialoge sind aus dem Alltag gegriffen, die Personen, kleine Leute vom Land und aus der Vorstadt, verzetteln sich aber in sprachlichen und zwischenmenschlichen Spitzfindigkeiten, bis jedes Gespräch vor lauter Rechthaberei, Verwicklungen und Missverständnissen unweigerlich ins Absurde führt. Exemplarisch für Valentins Sicht auf die Welt ist die Geschichte vom kaputten Schirm, den ein Mann bei der Schirmflickerin reparieren lassen möchte. Auf die Frage, wann der Herr den Schirm denn wieder benötige, antwortet jener: «Es kommt drauf an, wann es das nächste Mal regnet.» Aus dieser logisch nachvollziehbaren Aussage entspinnt sich ein philosophischer Disput über das Wetter und seine Unvorhersehbarkeit. Das kurze Stück endet – wie meistens bei Karl Valentin – ohne Happy End: Die Schirmflickerin schmeisst den Herrn mitsamt dem ungeflickten Schirm aus dem Laden.
Was uns Karl Valentin heute noch bringt
Die skurrilen Sketche von früher werden heute noch bestens verstanden, auch wenn es keine Schirmflickerinnen mehr gibt. Das Zwischenmenschliche hat sich in den letzten hundert Jahren nicht verändert. «Jede und jeder muss selbst entdecken, was Karl Valentin uns heute noch bringt», ist Regisseur Oscar Bingisser überzeugt. Er kennt das Werk des Münchner Komikers gut, konnte er doch 1998 mit der Valentin-Collage «Zum Heubode» mit der Theatergruppe Chärnehus einen Grosserfolg feiern. Den jugendlichen Schauspielerinnen und Schauspielern des Stiftstheaters war Karl Valentin vor Probenbeginn kein Begriff. Zusammen mit Oscar Bingisser probierten und erarbeiteten sie nach und nach mehrere kurze Stücke und Szenen, die alle lustig fanden und die sich sinnvoll zusammenfügen liessen. Der Regisseur übersetzte die im Münchner Dialekt verfassten Texte ins Hochdeutsche oder in die Einsiedler Mundart. So ergab sich ein szenisch und sprachlich abwechslungsreiches Programm mit einem harmonischen Spannungsbogen.
Exzellentes Stiftstheater-Ensemble
Das Ensemble von elf Schülerinnen und Schülern der zweiten bis sechsten Klasse zeigte einmal mehr, was exzellente Theaterarbeit an einer Mittelschule hervorbringen kann. «Sie haben zum Teil traumhaft gut gespielt», sagte Regisseur Bingisser nach der Premiere. Die Darbietung verschiedener, aneinander gehängter Szenen unterscheidet sich von einem zusammenhängenden Theaterstück grundlegend. Ensemblemitglied Jasmin Besmer beschreibt es so: «Du wartest bis zu einer Viertelstunde hinter der Bühne auf deinen nächsten Auftritt und musst dann fünf Minuten lang alles geben.» Die Szenen sind zudem ganz unterschiedlich gestaltet: Mal wähnt man sich in einem Dorfschwank, mal im Cabaret, mal findet man sich in einem absurden Theater wieder. Der Wechsel von Dialekt zu schweizerisch gefärbtem Hochdeutsch bis zum perfekten Bühnendeutsch ist ein gelungenes Stilmittel.
Stimmungsvolles Ganzes
Die Szenen wurden von Michael Mächler mit Klaviermusik umrahmt, Schauspielerin Alessia Büeler überraschte als virtuose Jodlerin. Fredi Trütsch schuf mit einfachen, von Weihnachtslichterketten umrankten Baugerüsten die ideale Kulisse für die abwechslungsreichen Sketche. Inhaltlich wurden Karl Valentins Texte nicht verändert, sie werden mit allen originalen Derbheiten dargeboten. «Saudumm daherreden», nannte Karl Valentin seinen eigenen Stil. Die Szenen sind nie nur lustig, immer schimmert eine tiefe Tragik hindurch. Das Ensemble des Stiftstheaters ist Karl Valentin gerecht geworden. Die Darstellerinnen und Darsteller haben sich seine verwickelte Sprache lustvoll angeeignet und die philosophische Doppelbödigkeit seines schwarzen Humors spielerisch ergründet. Herausgekommen ist ein urkomischer, aber auch nachdenklich stimmender Theaterabend. Schon immer bot das Theater den Menschen Zerstreuung, wenn die Welt aus den Fugen zu geraten drohte. Oscar Bingisser bringts auf den Punkt: «Valentins Texte passen in die Zeit, die jetzt ist.»
Weitere Aufführungen: Freitag, 24. März, und Samstag, 25. März, je 20 Uhr, im Theatersaal der Stiftsschule. Tickets: www.stiftsschuleeinsiedeln.ch/theater und an der Abendkasse, Tel. 055/418’63’35.
Einsiedler Anzeiger / Gina Graber
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Einsiedler Anzeiger
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