Töni (Beat Betschart) und sein Senntenbauer Höhi (Engelbert Lander) auf Senntenfahrt ins Welsche. Bild pd
Töni (Beat Betschart) und sein Senntenbauer Höhi (Engelbert Lander) auf Senntenfahrt ins Welsche. Bild pd

Film

Das Geld und die Liebe im Süden geholt

Es ist Geschichtsunterricht, den man sich gerne gefallen lässt: Im Kinofilm «Tönis Brautfahrt» lernt man die Bedeutung des Schwyzer Viehhandels kennen.

So gross, wie der Film im Kopf dieses Mannes angewachsen war, könnte ihn nicht einmal Hollywood umsetzen. 70 Jahre lang trug Richard Schönbächler, früher Landwirt, Unternehmer und Politiker, die Idee mit sich. Als er als siebenjähriger Bub erstmals vom Viehhandel über den Gotthard hörte, war es ein Abenteuerroman. Später verstand er die wirtschaftliche Bedeutung und begriff die damit verbundenen Schicksalsschläge.

Laien mit viel Herzblut

Nun wurde der Film nicht mit der grossen Kelle realisiert, sondern mit Herzblut. Regie führte die Journalistin und Regisseurin Claudia Steiner aus Schwyz. Ideengeber und Co-Produzent Richard Schönbächler sagte nach der Premiere, an der er den Film erstmals in voller Länge gesehen hatte: «Sie hat es sehr gut gemacht. Sie war mit viel Herzblut dabei.» Herzblut hätten auch all die Laien ins Projekt gesteckt, die für ein Trinkgeld mitgemacht hatten. Sie alle füllten am Donnerstagabend den grossen Saal im Kino Einsiedeln und sahen an der Premiere erstmals den vollendeten Film. Der Film kommt nicht handgestrickt daher, wie das so sehr betonte Herzblut und das fehlende Geld vermuten lassen. Im Gegenteil. Claudia Steiner hat die Geschichte so geschickt verwoben, dass man dem Geschichtsunterricht gerne folgt. Nach 80 Minuten kommt man gescheiter aus dem Kino, als man hineingegangen ist. Mehr noch, man hat etwas von der Schwyzer Vergangenheit erfahren, von der man ohne bäuerlichen Hintergrund kaum Ahnung hatte (siehe Box). Dabei war der Viehhandel über den Gotthard einst das Rückgrat der Schwyzer Wirtschaft.

Dicht, informativ, übersichtlich

Claudia Steiner macht es geschickt mit dem Geschichtsunterricht: Die Kamera begleitet Töni (Beat Betschart) mit der Kuhherde, damals Sennte genannt, in den Süden. Und weil man im Vorspann des Films schon erfahren hat, dass später mit einem südländischen Mädchen verliebte Blicke ausgetauscht werden, bleibt man gerne an der Geschichte dran, will wissen, wie es damals war, warum es so war und was heute noch daran erinnert. Die Antworten kommen, dicht, informativ und übersichtlich. Die Langsamkeit des damaligen Vorankommens spürt man in den schönen Aufnahmen von Töni und Kuhherde auf der Reise in den Süden, da kann man eintauchen in die Vergangenheit, unaufdringlich begleitet von Hansjörg Römers Filmmusik. Der Film lässt uns manches besser verstehen, unter anderem den Einsiedler Fasnachtsbrauch des Brotauswerfens.

Läuft in 14 Kinos an

Nun läuft dieser historische Dokumentarfilm in den Kinos an. Wie schwierig die Geldsuche ist, tönte Produzent Roger Bürgler nur in einem Nebensatz an. Er hält den Vertrieb über kulturwerk.ch im eigenen Haus. «So haben wir die Kontrolle über unser eigenes Produkt.» Der Film läuft in 14 Kinos an, auch im Kino Schwyz.

Sechs Wochen unterwegs

Wer wusste, dass die Schwyzer während Jahrhunderten im Herbst ihr Vieh in den Süden trieben und dort verkauften? Von Mitte September bis Mitte Oktober brachten die Viehhändler ihre Kühe ins Welschland, wie sie die Gebiete auf der südlichen Seite des Gotthardpasses nannten. Pro Tag liefen die Kühe sechs bis sieben Stunden, dann tankten sie auf den Weiden gegen Entgelt neue Kräfte. Nach elf Tagen war der erste Markt im Süden erreicht. Liefen die Geschäfte schlecht, ging man bis nach Mailand. Die Rückreise, schwer beladen mit Bargeld, war gefährlich, lauerten doch Räuber den Senntenbauern auf. Bis zu sechs Wochen dauerte eine solche Reise. Die Senntenfahrten endeten nach der Eröffnung des Gotthardtunnels. Der Viehhandel läuft heute über Laster unvergleichlich schneller ab.

Bote der Urschweiz

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Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

01.02.2014

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