Eine Geschichte voller unerwarteter Wendungen: Der georgische Kurzfilm «Ogasavara» feierte in der Cineboxx seine Schweizer Premiere.
Eine Geschichte voller unerwarteter Wendungen: Der georgische Kurzfilm «Ogasavara» feierte in der Cineboxx seine Schweizer Premiere.
Moderator Pascal Scheiwiller (links) im Gespräch mit den beiden Filmemachern Thomas Horat und Corina Schwingruber, welche zuvor ihren Kurzfilm «Ins Holz» zeigten. Fotos: Victor Kälin
Moderator Pascal Scheiwiller (links) im Gespräch mit den beiden Filmemachern Thomas Horat und Corina Schwingruber, welche zuvor ihren Kurzfilm «Ins Holz» zeigten. Fotos: Victor Kälin
Baumstämme auf dem Ägerisee zum Flössen bereit – aus dem Film «Ins Holz» von Thomas Horat und Corina Schwingruber.
Baumstämme auf dem Ägerisee zum Flössen bereit – aus dem Film «Ins Holz» von Thomas Horat und Corina Schwingruber.

Film

Weit weg und doch so nah

Weit nach Osten führte das Kurzfilmfestival Einsiedeln, in eine Welt fern der unsrigen. Und doch begegnete man in jedem Beitrag Vertrautem: Menschen auf der Suche nach ihrem Glück, nach Identität und Bestimmung.

«Wir möchten Sitten, Mentalität und Weltanschauung der Menschen aus Osteuropa, dem Balkan und des Tibets näherbringen.» Grazyna Scheiwiller versprach als Veranstalterin nicht zu viel vom 3. Filmfest Einsiedeln. Der grosse Cineboxx- Saal gehörte am letzten Donnerstag thematisch ganz dem Thema «Go east – geh nach Osten».


Kontrastprogramm Ägerisee


Einzige Ausnahme war der Schwyzer Beitrag von Thomas Horat und Corina Schwingruber «Ins Holz», einer Dokumentation über das alle vier Jahre durchgeführte Flössen auf dem Ägerisee. Die Ausnahme war verständlich, war doch Horat als Programmdirektor massgeblich für ein ansonsten internationales Programm verantwortlich. Die kontrastierend wirkende Auflockerung mit «Hiesigem» kam da gerade recht. Eine «interkulturelle Brücke zu schaffen» hat sich der organisierende Mittel-Osteuropäische Kulturverein Dialog Einsiedeln auf seine Fahne geschrieben. «Deshalb zeigen wir immer auch schweizerische Filme», erklärt Grazyna Scheiwiller. Ihr Mann Pascal Scheiwiller, der als glänzend disponierter Moderator durch den Abend führte, verwies dabei auf den Vorteil von Kurzfilmen: «Sie erlauben, an einem Abend nicht nur eine, sondern viele Welten zu zeigen.»


«Tief in die Seele blicken»


Er sollte Recht behalten. Die zehn gezeigten Filme aus Georgien, Lettland, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Serbien und Tibet konnten formal und inhaltlich unterschiedlicher nicht sein. Doch etwas verband alle Werke: Sie liessen «tief in die Seele blicken» – sei es nun in die Seele eines ganzen (Serbischen) Volkes («Rakijada» von Nikola Ilic), in jene der frommen Tibeterin Drolma («The Tibetan Girl» von Huaqing Jin) oder in jene der Regisseurinnen selbst, wie bei Maria Zennströms «The last days of Leningrad » und Varvara Degtiarenkos «Varvara’s Game». Das gross aufmarschierte Publikum konnte es sich in den Sesseln zwar bequem einrichten, doch bequem war das Programm nicht. Exemplarisch zeigte sich dies im Interview mit Maria Zennström. Während die schwedisch-russische Regisseurin in ihren Schauspielern «die schönsten Menschen Leningrads » sieht, meinte Pascal Scheiwiller vor allem Sehnsüchte, Verzweiflung und Depression herauszulesen. Aufschlussreich, wie ungläubig Zennström den Moderator anschaute. Zeit für weitere Dialoge gab es am Abend reichlich. Das Buffet sorgte beim Apéro, in der Pause und nach Filmende für einen Ort des regen und angeregten Gedanken- Austauschs. Schliesslich hatte jeder Besucher noch eine Aufgabe zu lösen: Seinen Lieblingsfilm zu küren. Alle Zuschauer bildeten schliesslich die Publikums-Jury für die erstmalige Vergabe des «Audience Awards» (siehe Kasten).


Neue Sphären erkundet


Mit der dritten Auflage hat das Filmfest Einsiedeln neue Sphären erkundet. Das zeigte sich einerseits am grossen Publikumsinteresse, andererseits an der Qualität der Filme sowie der Anwesenheit von nicht weniger als sechs Regisseuren, welche «aus der ganzen Welt hierhergekommen sind»: Thomas Horat und Corina Schwingruber aus der Schweiz, Nikola Ilic aus Serbien, Maria Zennström aus Schweden, Astra Zoldnere aus Riga sowie Varvara Degtiarenko aus den USA. «Es ist grossartig zu sehen, wie sich das Festival entwickelt», freute sich Pascal Scheiwiller. Und stellte für das kommende Jahr bereits eine vierte Auflage in Aussicht. Eine Botschaft, die Peter Reuteler ebenfalls gefreut haben dürfte: Als Präsident von SchwyzKulturPlus lud seine Organisation alle Mitglieder nach Einsiedeln. Sie mussten es nicht bereuen. Reuteler gratulierte dem Verein Dialog für den «tollen Einsatz und das gute Gelingen». Auch hier dürfte es 2019 ein Wiedersehen geben.


«And the winner is …» 


Der erstmalig im Rahmen des Filmfests Einsiedeln vergebene Publikumspreis geht an «Rakijada» (2016) von Regisseur Nikola Ilic. Damit hat die «Asterix und Obelix- Geschichte aus dem Herzen Serbiens » das Rennen gemacht. Pranjani heisst ein kleines Dörfchen mitten in Zentralserbien. Die Bewohner arbeiten als Gastarbeiter im Ausland oder als Bauern. Soweit alles normal. Aber einmal im Jahr im Mai ist alles anders, dann findet die Rakijada statt – ein Wetttrinken, gepaart mit Geschicklichkeitsübungen und der Frage nach dem besten Pflaumenschnaps den Rakija. Mit «Rakijada» (19 Minuten) liefert Nikola Ilic ein ebenso erfrischendes wie ungeschöntes Bild aus seinem Heimatland. Ilic, geboren 1977 in Belgrad, lebt seit 2007 in der Schweiz. 2010-13 Studium an der Hochschule Luzern Design & Kunst, Studienrichtung Video.


Einsiedler Anzeiger / Vi

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Film

Publiziert am

27.02.2018

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