Bühne
Gott Vater tanzt auf dem Tresen
Stiftstheater 2020 beeindruckt mit «Krach im Hause Gott» – sämtliche künftigen Aufführungen jedoch abgesagt. Im Stück von Felix Mitterer streitet sich die göttliche Familie darüber, ob der Menschheit ein für alle Mal zum Jüngsten Gericht geblasen werden soll. Unter der Leitung von Regisseur Oscar Sales Bingisser bot die Theatergruppe eine beeindruckende Leistung.
Was für ein Finale an der Premiere des diesjährigen Stiftstheaters letzten Freitag! Die knapp Hundert Zuschauerinnen und Zuschauer klatschen, bis das Ensemble sich noch einmal aufstellt und Herbert Grönemeiers Hit «Männer» aus der Schlussszene wiederholt. Gott Vater, sein Sohn Jesus, Satan und der Heilige Geist tanzen gemeinsam im John-Travolta-Stil auf einem Tresen aus Holz zum Gesang von sieben Frauen. Wie kam es dazu?
Die eifersüchtigen drei Söhne in der Familie Gott
Beginnen wir von vorn. Das Stück «Krach im Hause Gott» des österreichischen Autors Felix Mitterer vermischt Weltliches und Göttliches; Situationskomik, Wortwitz, Kirchen- und Gesellschaftskritik fügen sich zu einem Ganzen. Da kommen einerseits grosse Themen der christlichen Religion zur Sprache wie die Schuld der Menschen, das Böse in der Welt oder die Frage nach der Rolle der Frau. Andererseits ist das Stück aber vor allem ein Familiendrama in der Volksstück-Tradition, denn Gott tritt als biederer und etwas jähzorniger Vater auf, der von der Bosheit der Menschen enttäuscht ist und deshalb seiner Schöpfung ein Ende machen will. Zuvor aber lädt er seine drei Söhne Jesus, Satan und Heiliger Geist ein zu einer Verhandlung über das Schicksal der Menschen. Und als Geschwister sind diese drei nicht gefeit vor Eifersucht und dem Bedürfnis, vom Vater anerkannt zu werden.
Geballte Frauenpower
Die Verhandlung über das Schicksal der Menschen artet bald in einen regelrechten Krach aus, bei dem es eigentlich um die Schuld des Vaters geht. Vor allem der schneidige Satan bombardiert den Vater mit Vorwürfen: Wenn Gott die Menschen nach seinem Ebenbild gemacht habe und diese jetzt nicht recht handeln, so Satan, dann müsste Gott eigentlich sich und nicht sie bestrafen. So wird Vater Gott immer mehr in die Enge gedrängt, bis unverhofft die Muttergottes in die Männerrunde platzt und aufdeckt, dass Gott vor langer Zeit gemeinsam mit ihr über die Welt geherrscht hat, dann aber die Macht für sich alleine wollte. Nach seinem Beispiel hätten die Männer die Welt zugrunde gerichtet, weil sie die Frau als Mitherrscherin nicht mehr duldeten. Unterstützt von sechs weiteren Frauenrollen – Putzfrauen, Vorzimmerdamen und Punkerinnen – fordert die Muttergottes ein Ende der Männerherrschaft. Und zumindest an diesem Theaterabend hat sie Erfolg: Zum Schluss singen wie bereits erwähnt alle Frauen gemeinsam Grönemeiers Hit «Männer» und die Männer tanzen auf der Bar zum Song, sozusagen nach der Pfeife der Frauen – aber nur für einen Moment. Dann vermischen sich Rollen und Hierarchien, alle tanzen und singen gemeinsam. So wird das Publikum mit der Hoffnung auf eine harmonischere Zukunft in den Alltag entlassen.
Eine ausserordentliche Situation
Die Spiellust und Konzentration der 13 jungen Schauspielerinnen und Schauspieler war – trotz oder vielleicht gerade wegen den Unsicherheiten im Vorfeld der Premiere – beeindruckend. Stunden zuvor hatte der Bundesrat bekannt gegeben, dass die Schulen der gesamten Schweiz aufgrund der Corona- Krise geschlossen würden und die Zuschauerränge blieben als Vorsichtsmassnahme ebenfalls mehr als halbleer. Regisseur Oscar Sales Bingisser nutzte für die Inszenierung die ganze Weite der Bühne aus, indem er die Figuren während der Gespräche stets ihre Plätze wechseln liess. Dies brachte Bewegung ins eher textlastige Stück. Die Schauspieler mussten sich ihre Argumente aus der Ferne zurufen, was zusammen mit einer vorbildlichen Aussprache für perfekte Verständlichkeit sorgte. Und Bingissers Idee mit dem vom Original abweichenden musikalischen Finale bescherte ein witziges und versöhnliches Ende des Theaterabends. Nachdem die drei Aufführungen am letzten Wochenende unter Einhaltung der behördlichen Vorgaben wie geplant gespielt werden konnten, werden die kommenden Aufführungen, welche für Freitag und Samstag, 20. und 21. März, angesetzt waren, ersatzlos gestrichen. «So wird das Publikum mit der Hoffnung auf eine harmonischere Zukunft in den Alltag entlassen.»
Einsiedler Anzeiger / Philipp Lothenbach
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Einsiedler Anzeiger
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