Pascal Zehnder ist glücklich, hier leben zu dürfen. Foto: Wolfgang Holz
Pascal Zehnder ist glücklich, hier leben zu dürfen. Foto: Wolfgang Holz

Literatur

«Ich bin glücklich, hier leben zu dürfen»

In den 1930er-Jahren mussten rund 500 Einsiedler ihre Heimat aufgeben, weil der Sihlsee zur Stromgewinnung aufgestaut wurde. Pascal Zehnder hat darüber den jüngst erschienenen Heimatroman geschrieben: «Das verschluckte Tal». Wie ist es dazu gekommen?

Wolfgang Holz: Herr Zehnder, ist der Sihlsee böse?


Pascal Zehnder: Das ist eine gute Frage. Dieses Thema wird ja im ersten Kapitel meines Romans angeschnitten. Man muss sehen, dass durch den Sihlsee etwas Altes zerstört werden musste, um etwas Neues zu schaffen. Ein neues Ökosystem ersetzte quasi ein altes.

Es gibt ja Stellen im Roman, wo Sie explizit vom «verdammten See» und der «verfluchten Staumauer» schreiben.Auf einer alten Karte im Anhang Ihres Buchs ist noch zu sehen, dass ein Teil des Sihlhochmoors den Namen Todtmeer trägt. Nicht gerade ein gutes Omen für den späteren See …


Für meinen Protagonisten Oskar ist der See sicher etwas Böses gewesen. Immerhin verlor er durch ihn praktisch alles. Ich habe versucht, mich in meinem Roman in seine Person hineinzuversetzen. Ich habe deshalb auch so starke Ausdrücke benützt, die sich gegen den See als Feind wenden.

Wie sind Sie denn auf die tolle Idee des Romans gekommen – er ist ja Ihre Matura-Arbeit?


Ich habe schon von klein auf als Primarschüler Kurzgeschichten geschrieben. Ich versetze mich gerne in andere Welten. Ich hätte anfangs nicht gedacht, dass aus meiner Matura-Arbeit ein Buch wird. Ich hatte eben das Glück, dass mein Klassenlehrer und Betreuer, Beat Hüppin, ein guter Ansprechpartner war, der selbst schon Bücher geschrieben hat und einen Verlag leitet.

Wie lange haben Sie an dem Roman gearbeitet?


Das war relativ lange. Es hat sicherlich ein halbes Jahr gedauert. Dabei gab es auch zwischendrin Tage, an denen nicht viel gegangen ist. Oder ich habe Stellen entdeckt, die ich schon geschrieben und dann wieder umformuliert habe. Jetzt bin ich zufrieden mit dem Ergebnis, aber schlussendlich kann man immer noch etwas verbessern. Ich habe bewusst die Form eines Romans gewählt, weil ich die Gefühle der Menschen, die das damals erlebt haben, darstellen wollte.

Wie viel hat es dann noch gebraucht bis zum fertigen Buch?


Ich glaube etwa nochmals rund ein Jahr. Vom eigentlichen Manuskript bis zum gedruckten Buch steckt noch einmal viel Arbeit dahinter. Nicht zuletzt die Finanzierung ist sicherlich ein grosses Thema. Deshalb bin ich dankbar und glücklich, dass ich so viel Unterstützung von Sponsoren erhalten habe. Meine Familie ist stolz auf mich und hat sich darüber gefreut, wie aus meiner Maturaarbeit noch so etwas Schönes entstehen konnte. Es ist ein gutes Gefühl, sein eigenes Buch in den Händen halten zu können.

Für Oskar und für seine Mutter ist der Verlust ihres Hauses im Roman ein Weltuntergang. In der Realität soll sich der Widerstand der Menschen gegen den Stausee damals in Grenzen gehalten haben. Ein bewusster Widerspruch?


Ja. Die Mehrheit der Menschen hat damals zwar die Chancen gesehen, die durch den neuen Stausee entstanden sind. Aber es gab doch auch eine Minderheit, die alles verloren hat. Für die alles kaputt gegangen ist. Wir von der jungen Generation kennen den Sihlsee ja nur als natürliche Gegebenheit. Ich finde, man sollte nicht vergessen, was der Sihlsee einst verschluckt hat.

Ist der Sihlsee aus Ihrer Sicht also noch eine gute Sache geworden? Schliesslich zieht er heutzutage Touristen an, er hat die Landschaft schöner gemacht und ist zum Ort für Erholung und Freizeit geworden. Nicht zuletzt erzeugt er Strom.


Ja, sicher. Der Sihlsee steht eben für den Wandel der Zeit. Die Menschen haben Entschädigungen für ihre Verluste erhalten, und es sind ja auch Leute, die alles verloren haben, in der Region geblieben. Ich selbst könnte wohl nur für ein paar Jahre woanders leben, dann müsste ich nach Einsiedeln zurückkehren. Daheim ist es eben doch am schönsten.

Letzte Frage: In dem Roman ist viel von Heimat die Rede. Wie wichtig ist Ihnen Heimat und was ist das konkret für Sie?


Heimat ist ein grosser Begriff. Für mich ist es ein Ort, an den man immer wieder gerne zurückkehrt, egal, wie lange man fort war. Ich bin eben hier aufgewachsen und habe mich in die Gegend verliebt. 

Einsiedler Anzeiger / Wolfgang Holz

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

30.11.2021

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