«Das Gefühl, etwas Grosses mitzutragen»: Präsident Hanspeter Kälin bei seiner emotionalen Begrüssungsrede. Bild Victor Kälin
«Das Gefühl, etwas Grosses mitzutragen»: Präsident Hanspeter Kälin bei seiner emotionalen Begrüssungsrede. Bild Victor Kälin

Bühne

«Ihr gebt enorm viel – aber jeder von euch erhält auch viel zurück»

Der Text liegt vor, die Hauptrollen sind verteilt: Das Welttheater hat am Mittwoch, 20. November, weitere grosse Schritte gemacht.

«Überwältigt und nervös» sei er, gestand Welttheater-Präsident Hanspeter Kälin am Mittwochabend im Zentrum Zwei Raben. Überwältigt angesichts der Anwesenheit von rund 400 Personen, nervös angesichts der bevorstehenden Rollenverteilung: «Das ist jeweils in jeder Spielperiode ein denkwürdiger Anlass», betonte Kälin in seiner emotionalen und launigen Rede. Er erinnerte daran, dass sich seit der Spielperiode 2000 Entscheidendes verändert habe: «Seither gibt es keine Statisten mehr, alle sind Spieler und Spielerinnen.» Er schwor die Anwesenden ein, dass «wir das Spiel nur gemeinsam zur Aufführung bringen können». Er schloss seine beklatschte Rede mit einem Dank: «Ihr gebt enorm viel. Aber ich bin überzeugt, dass jeder von euch auch viel zurückerhält: das Gefühl, etwas Grosses mitzugestalten. Packen wir es an!»

«Ich wusste lange nicht, wie das Stück aufhören sollte»


Beeindruckt vom grossen Aufmarsch gab sich auch Autor Lukas Bärfuss: «So etwas habe ich noch nie gesehen: Ihr seht aus wie ein Publikum – dabei seid ihr das Ensemble!» Und diesem hatte der frischgekürte Büchner-Preisträger einiges zu bieten: Pünktlich auf den Tag legte er den Welttheatertext vor! «Die Fassung zur Rollenverteilung», präzisierte der Autor, «denn am Text wird gearbeitet bis zur Premiere.» Danach zog Bärfuss die Zuhörenden mit seiner Performance zur Stückpräsentation 45 Minuten lang in seinen Bann: «Ich wusste schon früh, wie das Stück beginnt, aber lange nicht, wie es aufhören sollte. Klar war mir nur, dass der Schluss nicht runterzieht, sondern hinauf.» Doch eigentlich gibt es im kommenden Jahr gar kein Theater, verriet der Autor, denn dieses sei gestrichen – «cancelled», wie es in den Flughäfen so schön heisst. Warum man auf dem Klosterplatz trotzdem spielt, wird erstmals die Premiere vom 17. Juni des kommenden Jahres zeigen …

Freude, aber auch Fragen


Vom Inhalt zur Struktur des Stückes wechselte Regisseur Livio Andreina. Im Hinblick auf die Rollenverteilung erklärte er, dass sich viele Szenen und Figuren «erst während der Proben entwickeln» – mit einschneidenen Folgen, wie sich bald zeigen sollte: Bei der anschliessenden Rollenverteilung wurden lediglich die zehn Hauptrollen vergeben, wobei die beiden Kinder derzeit erst noch unbesetzt sind. Der überwiegende Rest der Mitwirkenden wurde in drei Spielkreise (Kreis 2, Kreis 3, Kreis 4) eingeteilt, in denen es von bunten Rollen und Gruppen nur so wimmelt: Der Irre mit dem Huhn, Die Crackhure, Die ewigen Schatten, Der dumme Bauer mit den grossen Kartoffeln, Die Begehrenden, Die Soldaten und Soldatinnen, Zombies und Wiedergänger … Wer welche Rolle spielt oder welcher Gruppe angehört, blieb an der Rollenverteilung jedoch offen; das wird sich, wie vom Regisseur erwähnt, erst im nächsten Frühjahr zeigen. Dieses Vorgehen ist zwar nachvollziehbar, löste am Abend aber bei vielen Mitwirkenden ein unbefriedigendes Gefühl aus. Vor allem jene aus dem äussersten Kreis 4 fühlten sich wortwörtlich «an den Rand gedrängt». Zwar beteuerte die künstlerische Leitung, dass Niemand «leer ausgehen wird und dass alle mitspielen können, die mitspielen möchten». Doch von einer Rollenverteilung hatten sich etliche mehr, Konkreteres, versprochen.

Eine Rolle durchlebt alles


Das Stück von Lukas Bärfuss nach dem barocken Schauspiel von Pedro Calderón de la Barca sieht folgende zehn Hauptrollen vor. «Der Alte» wird von Zeno Schneider verkörpert, der schon mehrmals in grossen Rollen zu erleben war, «Der Narr» von Michaela Trütsch, die 2007 und 2013 als Kind mitgewirkt hat. Die beiden Rollen erinnern an den «Meister» und die «Welt» in den früheren Inszenierungen. Völlig neu ist, dass eine einzige Figur alle übrigen Rollen durchlebt, die Calderón auf die Bühne seines «Grossen Welttheaters» gestellt hat. Vier Darstellerinnen teilen sich in diese Rolle, wobei das Kind noch evaluiert werden muss. Lilli Louise Borsos spielt die junge Frau, Rita Noser die reife Frau und Rosmarie Oechslin die Greisin. Der jungen Frau steht ein junger Mann gegenüber, der mit David Trütsch besetzt wird. Schliesslich haben auch Peppi Albertini und Kilian Kälin Hauptrollen: Die beiden mühen sich mit einem Himmelskörper ab und geben den ersten und den zweiten «Mondheber». Der (trotz alledem) informative und stimmungsvolle Abend wurde abgerundet mit einem ersten Auftritt des Welttheater-Chores unter der Leitung von Susanne Theiler, der Präsentation des Bühnenmodells durch Anna Maria Glaudemans (Kostüm- und Raumgestaltung) sowie einem spanischen Apéro, der die anregenden Gespräche zusätzlich anregte …

Einsiedler Anzeiger / Victor Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

22.11.2019

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