Von der Nummer 1 der Chärnehus-Schriften aus dem Jahr 1978 zur aktuellen Nummer 45: Einsiedeln und seine Fotograf(i)en. Foto: Victor Kälin
Von der Nummer 1 der Chärnehus-Schriften aus dem Jahr 1978 zur aktuellen Nummer 45: Einsiedeln und seine Fotograf(i)en. Foto: Victor Kälin

Literatur

Die hinter der Kamera gewürdigt

Die 45. Schrift des Kulturvereins Chärnehus Einsiedeln ist der aktuellen Fotograf(i)en-Ausstellung gewidmet. Bekanntes, aber noch viel mehr Überraschendes erzählt die sorgfältig edierte Schrift zur aktuellen Ausstellung im Chärnehus.

Es verwundert nicht, dass kurz nach der Erfindung der Fotografie um 1839 herum bereits erste Fotopioniere in Einsiedeln auszumachen waren – nicht überraschend im Kloster, in dem damals eine Gruppe von Mönchen lebte, die ein ausgesprochenes Interesse an den Naturwissenschaften und der Technik zeigte.


Letztlich die «Qual der Wahl»


Auf der Suche nach den Einsiedler Fotografen wurde das Team um Redaktorin Susanna Bingisser aber nicht nur im Klosterarchiv fündig, sondern – zur eigenen Überraschung – an ganz vielen Orten: In Fotobänden und auf Internetseiten, in persönlichen Gesprächen und im Archiv des Einsiedler Anzeigers, in privaten Nachlässen, im Museum Fram, im Staatsarchiv Schwyz, dem Schweizerischen Nationalmuseum sowie der Chärnehus-Sammlung. Letztlich trugen die Ausstellungsmacher dermassen viele Informationen zusammen, dass sie für Schau und Broschüre vor der berühmten «Qual der Wahl» standen.


Einige Patres und zwei Frauen


Didaktisch orientiert sich die 45. Schrift der Chärnehus-Reihe am Prinzip vom Allgemeinen ins Konkrete: Von einer kleinen, allgemeinen Fotografiegeschichte, die in die Erfindungszeit zurückreicht, bis in die Gegenwart, versinnbildlicht zum Beispiel mit den Zeitzeugen «Foti Fränzel» Kälin, Robert Rosenberg und Franz Kälin (Cineboxx). Ihren besonderen Reichtum offenbart die Schrift in den von Pater Gregor Jäggi und Patrick Schönbächler skizzierten Porträts der Einsiedler Pioniere. Zu diesen sind nicht nur Pater Franz Uhr (1816– 1863), der erste Klosterfotograf, und weitere Benediktinermönche zu zählen, sondern mit Josephine Kälin (1851–1935) und Wilhelmine Marthaler (1893–1948) auch zwei Frauen. Sie unterhielten an der Mühlestrasse ein Fotoatelier mit einem speziellen Glasaufbau, der ihnen ermöglichte, das Tageslicht optimal zu steuern. Als «ersten heute bekannten Fotografen in Einsiedeln» hat Mit-Autor Patrick Schönbächler jedoch Marian Schönbächler (1826–1897) geortet. Er stammt aus dem Viertel Egg und avancierte bei der Firma Benziger zum Malermeister, ehe er das Handwerk der Fotografie in München erlernen konnte. Eine Trouvaille ist die von Madeleine Schönbächler rekonstruierte Geschichte «Wiedergefundene Erinnerungen», die Pierre Joseph Rossier gelten (geboren 1829 in Grandsivaz FR, gestorben 1886 in Paris). Rossier wirkte während einiger Jahre nicht nur in Einsiedeln; bedeutsamer sind seine Aufnahmen, die er aus Japan mit nach Europa brachte: 1861 waren sie eine der ersten weltweit veröffentlichten Fotografien aus dem fernöstlichen Land.


Lienhardt und Gasser


Autor Markus Staub führt mit dem Fotogeschäft Gasser (vormals Lienhardt) näher in die Gegenwart. Diese Geschichte beginnt mit Jakob Joseph Lienhardt (1830–1891) und führt weiter über dessen Sohn Jakob Lienhardt (1862–1933), um 1922 zu Jakob Gasser-Rohr (1885– 1967) zu führen, der die Firma Lienhardt 1929 übernehmen und sie 1957 an seinen Sohn Edwin Gasser- Schädler (1920–2011) übergeben konnte. Dieser fand keine Nachfolge mehr und gab sein Geschäft 2005 dann definitiv auf. Wie die aktuelle Ausstellung zeigt, sind die Objekte aus dem Fotohaus Gasser in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Schwyz und dem Schweizerischen Nationalmuseum für die Nachwelt gerettet worden.


Einsiedler Laienpioniere


Ein eigenes Kapitel widmet Albert Bingisser den verschiedensten «Einsiedler Laienpionieren und Amateur-Klub-Fotografen». Einer der ersten Laien-Fotografen ist Karl Hensler-Ochsner zum Tell gewesen (1887–1975). Dank einer fast lückenlosen Dokumentation ist dessen Fotografie-Biografie besonders anschaulich ausgefallen. Ausserhalb gewohnter fotografischer Tätigkeiten ist das Werk von Hans Bisig (1919–2003) anzusiedeln. Urs Bisig zeichnet den Weg des Autodidakten auf, gipfelnd in seinem in Einsiedeln hinterlassenen, experimentellen Werk der «Irrealen Farbenfotografie». Abgeschlossen wird die kurzweilige Schrift mit den von Hans Gyr, Madeleine Schönbächler und Susanna Bingisser verfassten Porträts der Einsiedler Fotografen der Neuzeit: Othmar Baur (1901– 1977), Robert Rosenberg (1934), Paul Gabriel (1951–1984), Franz «Foti» Kälin (1932) und dessen Sohn Franz Kälin (1961). Nicht zuletzt die beiden Kälins haben die Ausstellungsgruppe des Kulturvereins Chärnehus Einsiedeln zur Ausstellung inspiriert: Die Einsiedler Fotografenlegende «Foti Fränzel», dem sein Sohn Franz Kälin 2017 zusammen mit Benno Kälin mit «Foti Fränzel» ein filmisches Denkmal gewidmet hat.


Einsiedler Anzeiger / Victor Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

04.01.2019

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www.schwyzkultur.ch/5Kwv6J