Literatur
Einige Irrtümer der Geschichte korrigiert
Muss die Geschichte der Innerschweiz neu geschrieben werden? In seinem aktuellen Buch präsentiert Pater Thomas Fässler neue Erkenntnisse und korrigiert Irrtümer.
In allen Wissenschaften gilt der Grundsatz: Wahr ist, was noch nicht als falsch widerlegt wurde. Dies gelang nun dem Einsiedler Mönch und Historiker Pater Thomas Fässler hinsichtlich der Wahrnehmung und Bewertung der Innerschweiz im 18. Jahrhundert. Bislang nämlich ging die Geschichtswissenschaft davon aus, dass in diesem Raum die Geistesbewegung der Aufklärung kaum Fuss fassen konnte, sondern im Gegenteil entschieden abgelehnt wurde. So habe man sich entsprechend auch, um sich gegen jegliche Einflüsse von aussen zu schützen, frenetisch von seiner Umwelt abgeschottet.
Intensive Auseinandersetzung
Pater Thomas konnte allerdings in seiner an der Universität Bern geschriebenen Dissertation, die nun als Buch vorliegt, das Gegenteil beweisen, zumindest für das Kloster Einsiedeln: Nach akribischer Quellensuche in unzähligen Archiven im In- und Ausland kann er nämlich unter anderem schlüssig aufzeigen, dass sich vor allem in den 1770er-Jahren eine ganze Reihe von Einsiedler Benediktinern intensiv mit den Ideen der Aufklärung auseinandersetzten und manche dieser Postulate fruchtbar aufgriffen. Dabei blieb es freilich nicht einfach bei einer passiven Rezeption. Vielmehr zeigten sich die Mönche in verschiedenen aufklärerischen Themenfeldern auch selbst höchst produktiv, etwa im Bereich des Volksschulwesens. Aber nicht nur hier legten sie grösste Innovation an den Tag: Auch in Themen der Gottesdienstgestaltung beispielsweise waren sie etwa mit der Entwicklung deutscher Liturgien ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus. Die Impulse, die dadurch von Einsiedeln ausgingen, wurden von verschiedenen bekannten Exponenten der katholischen Aufklärung aufgenommen und weiterverbreitet. Die Beziehungen, die sich daraus ergaben, haben die Einsiedler Mönche bewusst gepflegt. Auch sonst zeigt sich aufgrund der nun vorliegenden Forschungsergebnisse, dass das Kloster im ausgehenden 18. Jahrhundert in kultureller und geistlicher, aber auch in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht überraschend eng und wiederum bewusst gesucht mit seiner Umwelt verflochten war – und dies weit über die Grenzen der Alten Eidgenossenschaft hinaus. Dies ging sogar so weit, dass Kaiser Franz II. zwei Mal mit der Bitte an den damaligen Fürstabt herantrat, ihn in seinem Kampf gegen die Truppen der Französischen Revolution finanziell zu unterstützen. Damit zeigt sich die Bedeutung des Einsiedler Stiftes als wichtiger Player überregionalen, ja internationalen Formats. Auch in Einsiedeln erwartete man freilich vom Erzherzog schon bald tatkräftige Unterstützung: So sandte etwa Abt Beat Küttel Anfang März 1798 eine verzweifelte Bitte um militärische Hilfe gegen die heranrückenden Franzosen an den Wiener Hof – eine Aktion mit viel Sprengpotenzial, die tatsächlich einen politischen Skandal auslöste, als sie aufflog. Umso erstaunlicher ist es deshalb, dass die Angelegenheit bisher noch nie ausführlich aufgearbeitet wurde. Bahnbrechende neue Erkenntnisse und korrigierte Irrtümer: Dies macht also das neue Buch von Pater Thomas Fässler aus, das am 10. Februar um 17.30 Uhr in einer feierlichen Vernissage mit Apéro und Buchsignierung durch den Autor anschliessend im Grossen Saal des Klosters Einsiedeln der Öffentlichkeit vorgestellt wird (Eingang über die Hofpforte). (pd)
Hinweis
«Aufbruch und Widerstand. Das Kloster Einsiedeln im Spannungsfeld von Barock, Aufklärung und Revolution» von Pater Dr. Thomas Fässler OSB. Hardcover, 647 Seiten, 56 Farbbilder.
Einsiedler Anzeiger / pd
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Einsiedler Anzeiger
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