Von links: Der erwähnte Journalist Gerhard Camenzind (Gersau), Heidi Züger und Markus Hürlimann, Kulturverein Oberarth, dem Herkunftsort der Autorin. Foto: Karl Hensler
Von links: Der erwähnte Journalist Gerhard Camenzind (Gersau), Heidi Züger und Markus Hürlimann, Kulturverein Oberarth, dem Herkunftsort der Autorin. Foto: Karl Hensler

Literatur

Maria Ulrich, ein eindrückliches schwyzerisches Frauenschicksal

Die Einsiedler Schauspielerin Heidi Züger hielt im Chärnehus eine szenische Lesung über die spannende Seidenproduktion.

In Einsiedeln ist über die Seidenfabrikation und die Leute, die dahintersteckten, wohl wenig bekannt. Am vergangenen Donnerstag brachte die Einsiedler Schauspielerin Heidi Züger in einer szenischen Lesung, im besonderen Ambiente des Chärnehus-Dachstocks, diesen Bereich und die Autorin Maria Ulrich den interessierten Gästen näher. Betty Peter,als Vertreterin des organisierenden Vorstandes von SchwyzKulturPlus (SKP), begrüsste diese und stellte ihnen in wenigen Worten die Referentin vor. Die Vorschau im Einsiedler Anzeiger motivierte rund siebzig Personen zum Besuch. Die einheimische Schauspielerin Heidi Züger brachte ihnen, in ihrer routiniert-gekonnten Art, die Frau aus der Seidenindustrie näher.


Eine besondere Schriftstellerin


Maria Ulrich wurde am 24. November 1894 in Oberarth geboren. Sie wuchs in einer mittellosen Arbeiterfamilie auf. Als Arbeiterin und spätere Büroangestellte fand sie 43 Jahre ihren Verdienst in der Seidenweberei Stehli in Arth, was im einen oder andern Werk aufscheint. Maria Ulrich war in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine der wenigen proletarischen Schriftstellerinnen. Die Poetin hatte sich autodidaktisch in das literarische Schaffen eingearbeitet. Es ist nicht verwunderlich, dass sie in den Kreis des Innerschweizerischen Schriftstellervereins aufgenommen wurde. Maria Ulrich starb am 12. Oktober 1967 in Adliswil. Es überrascht zu vernehmen, dass man vergeblich nach ihrer letzten Ruhestätte sucht, denn ihre Urne wurde dem Grab ihres Vaters beigegeben.


Die Thematik ihrer Literatur


Die stets heimatverbundene Autorin verstand es, das Umfeld des damals harten Broterwerbs, von allerlei Engnis begleitet, darzustellen. Sie macht die oft schwierigen Beziehungen in den Ehen der Arbeiterfamilien sichtbar.


Die Lesung «En sydigi Sach»


Nachdem Heidi Züger die Autorin Maria Ulrich kurz vorgestellt hatte, wechselte sie in die Erzählung «Der Heimweg». Bereits in den gelesenen Anfangsseiten liefen Szenen wie in einem farbenfrohen Film ab. Die Figuren, im Wartzimmer eines Arztes, veranlassten die Zuhörer aufgrund ihrer Eigenheiten und Weisheiten oft zum Schmunzeln. Der Schreibstil erinnerte da und dort, wegen ihrer sprachlichen Farbigkeit, etwas an Meinrad Lienert. Die Rezitatorin erinnert daran, dass die Schriftstellerin, war sie einmal in der Fremde, in ihren von Herzen kommenden Erzählungen stets die Sehnsucht nach ihrer Heimat aufleuchten lässt. Die Lesung war darin eine Besonderheit, dass die Darbietung auf zwei Geleisen gefahren wurde. Zum einen war etwas aus dem Werk der Autorin zu erfahren. Parallel dazu vernahmen die Zuhörer aber mancherlei zum Gebiet der Seide. Herkunft – Entstehung der Seide – Weg nach Europa. Die Referentin schilderte bildhaft die Entstehung eines Seidenfadens, wie sie von der chinesischen Kaiserin (je nach Überlieferung wird sie Lei Zu oder Xi Ling Shi genannt) vor 5000 Jahren ent-deckt wurde. Heidi Züger zeigte auch den Weg der Seidenindustrie im Bild der Romanfigur Gemma Ceberg, die in der Erzählung sogar eine Webschule gründete und wachsen liess, auf. Diese Figur weist geradezu autobiographische Züge der Autorin auf. Es war wohl Zufall, dass der Journalist und Autor Gerhard Camenzind unter den Zuhörern weilte. Er schrieb nämlich «Alles Seide», worin er viel Geschichtliches über die Seide im Allgemeinen und die Produktion in Gersau zu berichten weiss. Aber nicht nur da, sondern auch in anderen Gebieten der Schweiz brachte die Seidenindustrie eine willkommene Ergänzung der Beschäftigung zur Existenzsicherung mit sich. Als verdienten Dank überreichte SKP-Präsident Peter Reuteler, von kräftigem Applaus der Zuhörer unterstrichen, der ausgezeichnet vorbereiteten Referentin einen Blumenstrauss. Beim anschliessenden Apéro, von schmackhaftem Gebäck aus der Bachstube Schefer ergänzt, wurde mancher Faden über das Gehörte weitergesponnen. Leider sind die Bücher fast nur noch antiquarisch, zum Beispiel bei zvab.ch, erhältlich.


Einsiedler Anzeiger / Karl Hensler

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

22.10.2019

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