Interview im kleinen Wohnwagen, mitten auf dem Klosterplatz (von links): Beatrice Künzi, Susann Bosshard-Kälin, Yuen Fan Wong und Jochen Tillack. Foto: Adrian Meyer
Interview im kleinen Wohnwagen, mitten auf dem Klosterplatz (von links): Beatrice Künzi, Susann Bosshard-Kälin, Yuen Fan Wong und Jochen Tillack. Foto: Adrian Meyer

Literatur

Projekt «Geschichten Gesichter» porträtiert die Besucher des Klosterplatzes

Seit bald zwei Jahren porträtieren Susann Bosshard-Kälin und Beatrice Künzi Menschen aus aller Welt auf dem Einsiedler Klosterplatz. Soeben entstand das 65. Porträt. Die Arbeit ist noch lange nicht getan.

Yuen Fan Wong blickt etwas verunsichert auf den kleinen, silbrigen Wohnwagen, der mitten auf dem Klosterplatz in Einsiedeln steht. In brütender Abendhitze sitzt sie zusammen mit ihrem Freund auf der Aufgangstreppe vor der mächtigen Klosterfassade und wartet auf Susann Bosshard und Beatrice Künzi. Nicht so recht wissend, was sie erwartet, lässt sich Yuen von den beiden begrüssen und über deren Vorhaben aufklären: In der nächsten Stunde entstehe ein Porträt von ihr, in Bild und Text, welches ihr Verhältnis mit dem Klosterplatz ins Zentrum des Interesses rückt.

Seit bald zwei Jahren

«GeschichtenGesichter» nennt sich das Projekt. Seit bald zwei Jahren porträtieren Künzi und Bosshard Menschen aus aller Welt, die den Klosterplatz in Einsiedeln besuchen. Ihr mobiles Studio in Form eines kleinen Wohnwagens steht direkt neben dem Marienbrunnen und ist kaum zu übersehen. Menschen jeglicher Couleur werden von den beiden direkt auf dem Platz angesprochen – Einheimische und Auswärtige, egal ob religiös motiviert oder als Tourist, Männer und Frauen jeglichen Alters und jeder Hautfarbe, unbekannte und bekannte Gesichter (deren Namen jedoch nicht verraten werden). Haben diese Interesse und die nötige Zeit, werden sie von Fotografin Beatrice Künzi aus Bennau auf dem Klosterplatz in Szene gesetzt und anschliessend durch die Egger Journalistin Susann Bosshard interviewt. Unter dem Motto «Die Welt trifft sich auf dem Klosterplatz» entsteht ein Buch- und Ausstellungsprojekt mit insgesamt 80 bis 100 Porträts.

Jedes Porträt ist einzigartig

Yuen Fan Wong ist Porträt Nummer 65. Auf einer von Blumen umgebenen, ruhig gelegenen Bank am rechten Rand des Klosterplatzes sitzend, befolgt sie die wenigen Anweisungen der Fotografin. Den Blick ein wenig höher, ein Lächeln mehr, den Kopf ein wenig gedreht. «Lass dich vom Platz inspirieren», ruft ihr Künzi zu. Es scheint ihr ob der prächtigen Kulisse nicht schwer zu fallen. «Wir inszenieren jede Person anders, kein Porträt gleicht dem anderen», erklärt die Fotografin. Der Klosterplatz habe hunderte Facetten, dadurch wird mit jedem Bild individuell auf die Menschen eingegangen. «Jede Person soll ihr eigenes Plätzchen an diesem Ort haben.» Wong stammt ursprünglich aus Hong Kong, lebt aber in Las Vegas. Was führt sie nach Einsiedeln? «Die Liebe. Mein Freund lebt hier seit vier Jahren.» Jochen Tillack und Wong haben sich in Vegas kennen- und liebengelernt. Der gebürtige Deutsche arbeitet für das Architekturbüro von Hanspeter Kälin. Dieser war es auch, der Wong an Künzi und Bosshard vermittelte: «James klopfte eines Abends bei uns an den Wohnwagen und fragte, ob wir was bräuchten, er hätte da eine interessante Person.» Zwar sprechen die beiden die meisten Leute spontan auf dem Platz an, dennoch müssten sie die Augen und Ohren immer offen halten. «Wir wissen etwa, dass heute Abend noch eine Gruppe chinesischer Touristen den Platz besucht.»

Authentisches Bild wiedergeben

Nach der Fotosession führt Bosshard ein ungezwungenes Interview im etwas eng gewordenen Wohnwagen. Wong gibt leicht zurückhaltend Antwort auf die Fragen und blickt dabei immer wieder Halt suchend zu ihrem Freund. Bosshard und Künzi sprechen zusammen fünf Sprachen, zu Verständigungsschwierigkeiten sei es bisher noch nie gekommen. «Wir sprachen bereits mit Menschen aus fast allen Kontinenten, einzig die Australier fehlen uns noch.» Das Wichtigste sei, dass sich die Leute die nötige Zeit für das Porträt nehmen. Sind die Menschen im Stress, ist es nicht sinnvoll. Schliesslich soll ein Gespräch entstehen. Zeit und Musse benötigen auch Bosshard und Künzi. «Wir wollen ein authentisches Bild dieses Ortes wiedergeben, das funktioniert nur über eine längere Zeitspanne.» Seit Ende 2008 parken sie ihren Wohnwagen immer wieder auf dem Klosterplatz, zu verschiedensten Tages- und Jahreszeiten, bei stürmischem Wetter, Hitze und grösster Kälte. Bis zur Fertigstellung des Buches und anschliessender Ausstellung wird es wohl weitere zwei Jahre dauern.

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Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

23.07.2010

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