Stephan Zurfluh vom Thesis Verlag und Oscar Sales Bingisser präsentieren das Buch «Bezirksgericht» an der Buchvernissage im Chärnehus. Bild Gina Graber
Stephan Zurfluh vom Thesis Verlag und Oscar Sales Bingisser präsentieren das Buch «Bezirksgericht» an der Buchvernissage im Chärnehus. Bild Gina Graber

Literatur

Vaganten, Verbrecher und unzüchtige Liebe

Das Buch zum Theater: «Bezirksgericht» wurde am Samstag mit einer Vernissage vorgestellt. Beim Stöbern im Familienarchiv fand Oscar Sales Bingisser ein amtliches Protokoll aus dem Jahr 1956 «betreffend Beschimpfung der Polizei» durch seinen Onkel. Das war der Anfang der Idee zum nun vorliegenden Buch «Bezirksgericht».

Das wahre Leben schreibt die schönsten Geschichten, sagt man. Das stellte auch Oscar Sales Bingisser fest, als er 2008 zufällig ein Urteilsprotokoll fand, in welchem sein Onkel Bruno Heini 1956 wegen Beamtenbeleidigung zu einer Geldbusse verknurrt wurde. Wortwörtlich habe Heini Bruno einem Polizisten zu nachtschlafender Stunde mehrfach Schlötterlig wie «Unanständiger Saucheib» und «Rampass» ausgeteilt, was zu einer Busse von dreissig Franken plus Verfahrenskosten und zu einer Meldung ans Schweizerische Zentralpolizeibüro führte. «Da muss es doch noch mehr geben», sagte sich Bingisser, denn die in gestelztem Amtsdeutsch abgefasste Meldung entbehrt nicht einer skurrilen, nostalgischen Komik, die auch Unterhaltungswert für ein breites Publikum böte.

Bedenken um den Datenschutz

So ersuchte er beim Landschreiber und beim Bezirksamman von Ein siedeln um eine Bewilligung zur Akteneinsicht. Die Freude über Bingissers Vorhaben hielt sich auf dem Amt vorerst in Grenzen. Immerhin ging es um vertrauliche Daten, es galt auch bei alten Akten die Persönlichkeitsrechte der erwähnten Personen zu schützen. Der Theaterschaffende kämpfte sich durch Tau sende Seiten amtlicher Protokolle von 1913 bis 1960 und erkannte rasch auch das Potenzial des Materials als Grundlage für eine szenische Umsetzung. Akten sind ein Spiegelbild der Gesellschaft: Sie erzählen unfreiwillig komische, traurige und tragische Geschichten. Die in protokol larischem Wortlaut beschriebenen Begebenheiten in «Bezirksgericht» offenbaren die Lebensumstände einer Zeit, die für breite Bevölkerungsschichten von Entbehrungen und Armut geprägt waren. Es wurden Vergehen geahndet, über die man heute nur schmunzeln kann, die aber bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts das gesellschaftliche Zusammenleben noch gehörig erschütterten.

Beischlaf und Schlägereien

Ein grosser Teil der Urteile betraf den ausserehelichen Beischlaf. Diebstahl, Veruntreuung und Verkehrsdelikte wurden ebenso angezeigt wie «Verstösse gegen das Wirtschaftsgesetz» (Vorfälle in Wirtsstuben) und Beamtenbeleidigung. Mal liess der Richter empathisch Milde walten, mal wurde der Delinquent gnadenlos weggesperrt. Das Bezirksgericht ist die erste Instanz in einem Gerichtsverfahren, deshalb findet man im Buch keine Akten über Mord und Totschlag, über die in höheren Instanzen gerichtet wird.

Theater mit wahren Geschichten

Zusammen mit Regisseur Alex Stoia wählte Oscar Sales Bingisser schliesslich 80 Protokolle von 1913 bis 1945 für sein Buch aus, 35 davon werden vom 28. Dezember bis am 24. Januar auf der Chärnehus-Bühne zu sehen sein, szenisch umgesetzt vom Autor und von Dani Häusler, der auch musikalisch durch den Abend begleitet. Sowohl der Buchinhalt wie auch das Theaterstück sind «amtlich bewilligt». Bingisser: «Wenn das Publikum nur halb so viel Spass hat, wie wir bei den Proben, dann gibt es einen vergnüglichen Abend.» Buch: «Bezirksgericht: Von Vaganten, Verbrechern & unzüchtiger Liebe», herausgegeben von Oscar Sales Bingisser und Detta Kälin.

Theaterabend im Chärnehus

«Bezirksgericht: Wahre Geschichten aus den Archiven des Bezirksgerichts Einsiedeln 1913 bis 1945»

Premiere

28. Dez. 2015
20.00 Uhr



Infos

www.chaernehus.ch

Einsiedler Anzeiger (ggm)

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

22.12.2015

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