Literatur
Zu spät – oder vielleicht doch nicht?
Gestern Montag präsentierten Autor Pater Martin Werlen und der Herder-Verlag im Arche Brockenhaus in Zürich das Buch «Zu spät. Eine Provokation für die Kirche. Hoffnung für alle».
Pater Martin Werlen nimmt in diesem Buch kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Beschreibung von Fehlentwicklungen in der Kirche der vergangenen Jahrhunderte und Jahrzehnte sowie in der aktuellen Situation geht. «Hat die Kirche noch eine Zukunft? Ist es nicht schon fünf nach zwölf? Die Resignation ist gross. Es ist zu spät. Dass es so weit gekommen ist, dafür tragen auch Kirchenmänner grosse Verantwortung.» «Für den glaubenden Menschen ist es nie zu spät, selbst wenn es zu spät ist. Die Hoffnung trägt durch alles.» Im Spannungsfeld dieser zwei Aussagen im Buch deckt er aber nicht nur die Fehlentwicklungen auf, sondern sagt auch in aller Deutlichkeit, wo Veränderungen angezeigt sind und umgesetzt werden könnten, wenn nur das himmlische Bodenpersonal dies wollte.
Wahre Begebenheit als Inspiration
Im Kern des Buches steht eine wahre Begebenheit, die den Autor fast aus der Bahn geworfen hätte. Es ist das persönlichste und zugleich eindringlichste Buch von Martin Werlen. «Gerade deshalb ist es ein kraftvoller Appell, in der Zeit der tiefen Krise der Kirche endlich den Mut zum radikalen Neubeginn zu wagen», steht in der Einladung. Dr. Rudolf Walter vom Herder-Verlag durfte rund 50 Medienleute willkommen heissen, ein grosser Teil von ihnen kam aus Deutschland oder den Niederlanden. «Dieses Buch von Martin Werlen kommt zur richtigen Zeit. Es ist ein sehr persönliches Buch, hart und provozierend, aber sicherlich ein nötiges Buch», sagte er in seiner Begrüssung. Bewusst habe man den Ort im Arche Brockenhaus gewählt und nicht an der Goldküste oder an der Bahnhofstrasse.
«Tradition meint nicht Traditionen»
Warum Tagesschau-Moderator Florian Inhauser als Gesprächsleiter gewählt worden sei, wurde der Autor gefragt. «Wir wollten sicher nicht jemanden aus der Kirche. Wir wollten jemand, der sich gewohnt ist, sachlich zu informieren», führte Martin Werlen aus. Es sei nicht fünf vor zwölf in der Kirche, sondern fünf nach zwölf. Menschen, die bei fünf vor zwölf angekommen seien, hätten keine Perspektiven und seien von Hektik und Aktivismus geplagt. Leute, die bei fünf nach zwölf angekommen seien, die könnten loslassen und das wirke entlastend. «Es ist schade, dass wir in der Kirche nicht die Führung übernehmen und Dinge verändern», meinte der Autor. Auf die Schweizerische Bischofskonferenz angesprochen, der er in den Jahren als Abt angehörte, sagte er unzweideutig: «Lieber nicht mehr Kompetenzen für die Schweizerische Bischofskonferenz, denn aktuell sind wir besser bedient mit dem, was aus Rom kommt als mit dem, was aus der Schweizerischen Bischofskonferenz kommt.» Pater Martin Werlen geht im Buch so weit, dass er sich fragt, ob die Kirche noch solche Ausdrucksweisen wie in Form von grossen Gebäuden benötige, um damit Macht und Reichtum zu kolportieren. «Sollten wir nicht auch heute den Mut haben wie vor 300 Jahren, den (Kloster)-Bau abzureissen und etwas Modernes zu errichten – in aller Schlichtheit, wie es dem Evangelium und unserer Berufung besser entsprechen würde?», fragt er im Buch. Es werde bei den Kirchenobrigkeiten oft der Fehler gemacht, dass man Tradition mit Traditionen verwechsle. «Tradition ist die Treue zu Jesus Christus, Traditionen müssen wir loslassen», sagte er klipp und klar. Mit Traditionen nannte er beispielsweise die lateinische Sprache oder den Ausschluss der Frau vom Weiheamt. Im Buch findet der geneigte Leser weitere Beispiele.
Einsiedler Anzeiger / K.S.
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