Kunst & Design
Martin Linsi: Bilder 1972–2019
Eine Schaffensperiode von nahezu 50 Jahren hat Martin Linsi in Buchform herausgegeben. Vernissage und Ausstellung finden im Museum Fram statt.
Wer Person und Werk Martin Linsi verstehen will, verinnerliche den einen Satz von Bernhard Echte: «Er ging eher beseit.» Der Besitzer des Nimbus Verlags war es, der Linsi vor 15 Jahren vorgeschlagen hatte, ein Buch mit dessen Fotos zu machen. Jetzt, 2021, liegt die Monografie «Martin Linsi. Bilder 1972–2019» vor. Und im Essay schreibt dieser Echte, dass der von ihm verehrte Fotograf «nicht die Aktualität politisch-sozialer Konflikte und Entwicklungen suchte; er ging eher beiseit». Linsi lauere nicht dem flüchtigen Moment auf, den es zu erjagen gelte, «sondern er begleitete eine Zeitlang den Alltag derer, die er fotografieren wollte».
Sorgfalt und Präzision
Martin Linsi, der 1956 in Thalwil geboren wurde und sein Atelier seit 1989 an der Einsiedler Amaliengasse führt, sagt über seine Arbeit, dass «jeder Auftrag, jede Aufnahme einen neuen Zugang braucht. Sorgfalt prägt mein Schaffen, ästhetische Präzision ist das Ziel». Sorgfalt und Präzision sind auch jene beiden Wesensmerkmale, die den Betrachter durch das 250 Seiten zählende Werk begleiten. Und einen «merkwürdigen Zauber» ausüben, dem sich auch Norbert Hummelt nicht entziehen konnte. Der in Berlin lebende Dichter und Kulturjournalist äussert sich in einem zweiten Essay wie folgt: «Es sind Bilder von der Art, wie ich sie gern in meinen Zimmern hängen hätte, ohne dass ich einen Grund hierfür benennen könnte, sie scheinen aber, kaum dass ich sie kenne, schon mir zu gehören, so dass ich mir nicht vorstellen kann, sie täglich ungezählte Male zu passieren. Bilder, mit denen man lebt, schaut man auf eine Art an, die nicht in ihrem Informationswert begründet liegen kann.» Und so erinnert die Dampflok, die von links ins Bild fährt, Norbert Hummelt an den «Zauber eingefrorener Bewegung», wie sie in der Ode «Auf eine griechische Vase» des englischen Romantikers John Keats als ein die Sinne und den Geist zugleich beschäftigendes Paradoxon aufscheint: «Der ungestüme Liebhaber, der einer jungen Frau nachjagt, wird sie niemals küssen können, aber immerzu verliebt sein. So wird die Dampflok niemals aufhören zu fahren, und die Kindheit hört nie auf.» Und kaum glaubhaft ist für Norbert Hummelt, «dass es sich um Fotografien aus nahezu einem halben Jahrhundert handelt; sie vermitteln in ihrer Bildsprache und in der Wahl der Motive viel eher den Eindruck des Bleibenden als den des Wandels. Das macht sie, nicht nur für Grossstadtbewohner, zu Wunsch- und Gegenbildern und ihren Zauber zum analogen Gegenzauber, zu einer Schutzimpfung der Seele gegen den Verlust der Erinnerung an eine sinnliche Welt vor aller Zersplitterung.»
Das Sinnbildhafte
Auch Bernhard Echte verweist in seinem Aufsatz auf das, was nicht vordergründig, nicht offensichtlich ist: «Der konkrete geografische Ort seiner Sujets wird mehr und mehr unerheblich; in den Vordergrund tritt stattdessen das Sinnbildhafte, das im konkreten Motiv ebenso sehr höchste Präsenz gewinnt, wie es dieses transzendiert.» «Zur eigentümlichen Kunst in seiner Fotografie», so Echte abschliessend, «gehört sehr wesentlich das Wartenkönnen und die Insistenz, die Motive, in denen er Bilder ahnte, immer und immer wieder aufzusuchen, bis sie diese preisgeben. […] Denn wenn er die Kamera in die Hand nimmt, geht es ihm nicht um Fotos, sondern um Bilder.»
Ausstellung Martin Linsi, «Bilder 1972–2019»
Buchvernissage Freitag, 15. Oktober, 19.30 Uhr, Museum Fram, Eisenbahnstrasse 19, 8840 Einsiedeln.
Ausstellung Samstag/ Sonntag, 16./17. Oktober, 11 bis 18 Uhr.
Buch
Monografie Martin Linsi «Bilder 1972–2019»
252 Seiten, 22,5 auf 30 Zentimeter, deutsch/englisch mit Essays von Norbert Hummelt und Bernd Echte. Leineneinband mit Schutzumschlag, Duplex-Druck. 56 Franken. Erhältlich bei: Martin Linsi, Amaliengasse, Einsiedeln. ml@martin-linsi.ch).
Einsiedler Anzeiger / Victor Kälin
Autor
Einsiedler Anzeiger
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