Beweglichkeit und Fitness werden täglich trainiert. Fotos: zvg
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«Mein Herz ist mexikanisch, ich gehöre dorthin» - 1
Bild Marlies Mathis
Bild Marlies Mathis

Bühne

«Mein Herz ist mexikanisch, ich gehöre dorthin»

Profitänzerin und Luftakrobatin Isabelle Dali lebt beruflich wie privat ganz ohne Sicherheitsnetz. Der Einsiedler Anzeiger traf die Einsiedlerin auf Heimaturlaub.

Faszinierend, eigenwillig und zugleich irgendwie nicht fassbar ist das Leben der 36-jährigen Einsiedlerin Isabelle Dali, welche in Mexiko City ihren Kindheitstraum als Tänzerin verwirklicht hat und inzwischen auch als Luftringakrobatin agiert und sehr zufrieden und dankbar dafür ist. Wie um alles in der Welt kommt man als junge Frau auf die Idee, aus dem beschaulichen Einsiedeln allein in die für Schweizer Verhältnisse unermesslich riesige und in der Vorstellung vieler auch gefährliche Stadt Mexiko City auszuwandern? «Als ich vor über acht Jahren mit einer Freundin ferienhalber einen Monat in Mexiko weilte, fühlte ich mich gleich daheim in dieser Stadt. Ich spürte, dass ich dorthin gehöre, nicht nur vom Herz, auch von meiner Leidenschaft, dem Tanzen, her», erklärt Isabelle Maria Dali, die erstmals seit viereinhalb Jahren wieder auf Urlaub in der alten Heimat weilt, in ihrer überlegten und doch spontanen Art. Dort habe sie mit verschiedensten Gruppen tanzen dürfen, sie habe sich aber auch mit dem sogenannten «Community Dance» beschäftigt, bei welchem Profis zusammen mit Laien übers Tanzen als eine Art Therapie Sozialarbeit für Leute auf der Strasse leisten.

Kein anderer Beruf denkbar


Bereits als kleines Mädchen, das stets in Bewegung war, hat die quirlige Einsiedlerin das Tanzen gepackt, und sie konnte sich schon damals keinen anderen Beruf als Tänzerin vorstellen. Sie sei immer eine Art Paradiesvogel gewesen und im übertragenen Sinne etwas aus der Reihe getanzt, aber auch konkret in Tanzgruppen mit ihrer Körpergrösse von 1,77 Meter aufgefallen, gerade in Mexiko, wo viele Leute eher klein sind. Ebenso sei sie hier in der Schweiz meist die Laute unter den Leisen gewesen. «In Mexiko, wo die Leute viel intensiver und emotionaler leben, bin ich jedoch die Leise unter den Lauten», versucht sie ihren Platz in den zwei völlig unterschiedlichen Kulturen zu beschreiben.

Unbeirrbar den Weg verfolgt


Nach der obligatorischen Schulzeit hat Isabelle Dali allerdings vorerst mit einer kaufmännischen Ausbildung einen ganz gewöhnlichen beruflichen Weg eingeschlagen. Danach hat sie an verschiedensten Orten und Saisonstellen in der ganzen Schweiz die unterschiedlichsten Jobs ausgeübt. Parallel dazu hat sie aber sozusagen immer getanzt, selber Tanzstunden genommen, berufsbegleitend die vielseitige Tanzlehrerausbildung in Uster absolviert und gleichzeitig Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Zürich, Meilen, aber auch in Einsiedeln, hauptsächlich in Hip-Hop und Jazztanz, unterrichtet. Der Traum Mexiko liess die Einsiedlerin aber nie los, und so brach sie im November 2012 die Zelte hier ab und arbeitete vorerst ehrenamtlich in der Metropole Mexikos in einer mexikanischen Organisation mit Strassenkindern. Keine leichte Aufgabe, war sie doch während einiger Monate in einem sogenannten «Centro de dia» mit neun- bis achtzehnjährigen Jungs, die während des Tages betreut und verpflegt wurden. «Dies war eine lehrreiche Zeit, in der ich eine andere, härtere Realität kennengelernt habe», fasst sie rückblickend zusammen.

Ihre Person ist gefragt


Während dieser Zeit nahm die leidenschaftliche Tänzerin aber auch in Mexiko City immer Tanzstunden an verschiedenen Tanzschulen, von denen es dort übrigens Hunderte gebe, sei doch diese Stadt ein eigentliches kulturelles Zentrum und das Angebot ebenso wie das Bedürfnis danach riesig. In Castings hiess es dann, sich und sein tänzerisches Können so gut als möglich zu verkaufen, ist doch die Konkurrenz in diesem Bereich enorm. Da Isabelle jedoch über eine solide Technik verfügt, aber auch eine eigentliche Bühnenpräsenz ausstrahlt und ihr Ausländertyp – gross, blond und hellhäutig – stets einen gewissen Reiz ausübt, wurde und wird sie von den Agenturen sehr gerne vermittelt. So kam sie als freischaffende Tänzerin, die sich inzwischen auch auf den Showtanz spezialisiert hatte, zu den unterschiedlichsten Engagements, sei es bei Firmenevents, verschiedensten Feiern, im Zirkus oder im Fernsehen. Seit 2017 tritt sie nun parallel zu ihrer Tätigkeit als Tanzlehrerin regelmässig im «Circo Atayde», dem ältesten und bekanntesten Zirkus Mexikos, auf, zu Beginn als Tänzerin des Showballetts, nun seit zwei Jahren als Luftakrobatin. Dieser über 130-jährige Zirkus ist nicht ständig auf Tour, sondern jeweils während einiger Zeit in den verschiedensten Städten des Landes stationiert. Ausserdem hat auch er seine Pausen, und während der gut zwei Monate Sommerferien habe man natürlich auch als Tanzlehrerin keine Arbeit und müsse sehen, wie man über die Runden komme, werde man doch für alle Einsätze im Stundenlohn bezahlt.

Ganz eigene Sicherheitsnetze


Vor gut zwei Jahren hat die sportliche Einsiedlerin, die künstlerisch immer wieder auf der Suche nach einer neuen Herausforderung ist und für ihre Arbeit sehr intensiv und hart trainiert, dem Direktor ihre Idee, als Luftakrobatin aufzutreten, vorgeschlagen, und er war sofort begeistert davon. So zieht sie nun während der Vorführung unter dem Zirkushimmel das Publikum mit ihrer (an-)mutigen Solo- Luftringakrobatik-Nummer in ihren Bann. Schade findet sie einzig, dass die Wintergalas seit Kurzem nicht mehr im Zirkuszelt, sondern neu in Theatersälen stattfinden. Einerseits herrsche da nicht die unvergleichliche Zirkusatmosphäre wie im Zelt, und andererseits sei die Raumhöhe viel niedriger, sodass gewiss nicht der gleiche Nervenkitzel wie in luftiger Höhe unter dem Zirkusdach aufkomme. Angesprochen auf ein Sicherheitsnetz bei diesen doch nicht ungefährlichen Nummern in mehreren Metern Höhe, verneint sie und meint dazu: «Mein Sicherheitsnetz ist meine Schweizer Art.» Erklärend führt sie aus, dass diese wohl angeborene Eigenschaft einer gewissen Vorsicht ihr in vielen Situationen eine Hilfe und Sicherheit biete, nicht nur was die Auftritte betreffe. So gibt sie auch unumwunden zu, dass es ebenso im alltäglichen Leben in dieser pulsierenden Stadt viele Gefahren gebe und die Angst oft ein Begleiter sei. Sie sei auch schon mehr als einmal überfallen worden, doch betont sie im gleichen Atemzug, dass es für sie keine Option sei, in die Schweiz zurückzukehren, da sie ganz einfach in Mexiko zu Hause sei. Sie wisse auch, wo sie wann hingehen und wo sie sich aufhalten könne, damit sie nicht in Lebensgefahr sei.

Ein privilegiertes Leben


Sie, die nach dem Motto des wohl berühmtesten chinesischen Kampfkünstlers, des verstorbenen Bruce Lee, lebt, und dessen Quintessenz zusammengefasst lautet: «Sei Wasser, mein Freund», ist aber auch in vielen anderen, ihr ganz eigenen besonnenen Aussagen überraschend und irgendwie nicht fassbar. Zugleich formt sich daraus ein spannendes Bild ihrer eigenwilligen und dem Traumberuf untergeordneten Persönlichkeit, welche zu diesem für die Interviewerin abenteuerlichen Leben gehört. So antwortet die 36-Jährige beispielsweise auf die Frage, ob es in Mexiko City viel Korruption habe: «Die Korruption hat uns!» Bestechung sei allgegenwärtig und ein offenes Geheimnis und man könne sich, auch der gemachten Erfahrungen wegen, nur anpassen. Auch auf die Kriminalität, die Gewalt, die Unsicherheit – nicht die eigene – oder den Machismo könnte sie sehr gut verzichten, aber sie habe gelernt, wie sie sich verhalten müsse. Im Gegenzug habe sie ihre schweizerischen Eigenschaften wie Pünktlichkeit, eine weitreichende Planung, ebenso wie eine Lebensvorsorge fürs Alter zumindest dort ein Stück weit zurückgesteckt, wo es sie persönlich nicht störe. Zuverlässigkeit sei für sie hingegen auch heute noch etwas Wichtiges, ansonsten habe sie sich, nicht zuletzt auch dank der spanischen Sprache, die sie beherrscht und in der sie auch denkt und träumt, aber der mexikanischen Lebensweise und Kultur vollends angeglichen. «Das Leben, das ich mir dort aufgebaut habe, macht mich sehr zufrieden und dankbar, und ich schätze es unglaublich, dass ich so privilegiert bin, meinen Kindheitstraum zu leben.» Auch diese Aussage ist wohl typisch für Isabelle Dali, nimmt einen unwillkürlich für sie ein und lässt einen den Hut vor ihrer starken Persönlichkeit und ihrer konsequenten Haltung ziehen.

Isabelle Dali weilt zurzeit in ihrer alten Heimat. Foto: Marlies Mathis Der mexikanische Zirkus «Atayde» macht auch Werbung mit der Luftakrobatin Isabelle Dali. Die Profitänzerin und Tanzlehrerin liebt auch das Unterrichten. o

Einsiedler Anzeiger / Marlies Mathis

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

24.01.2020

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