Jan Kälin ist auf der Bühne voll und ganz in seinem Element. Jede Woche moderiert er in Zürich eine Open-Mic-Veranstaltung. Foto: zvg
Jan Kälin ist auf der Bühne voll und ganz in seinem Element. Jede Woche moderiert er in Zürich eine Open-Mic-Veranstaltung. Foto: zvg

Bühne

«Min Namä isch Jan Chäli, ich bin single, dankä vielmal»

Der Einsiedler Jan Kälin lebt in Zürich-Altstetten und steht in seiner Freizeit gerne auf der Bühne, um das Publikum mit Stand-up-Comedy zum Lachen zu bringen. Dabei kennt er fast kein Tabu.

Lukas Schumacher: Wie geht es Ihnen?


Jan Kälin: Gut, ich kann mich nicht beklagen. Ich arbeite viel, und auch im Bereich Comedy läuft gerade einiges. Jetzt finden überall wieder Veranstaltungen und Open-Mics statt.

Was sind Open-Mics?


Bei dieser Veranstaltung kann man sich als Komiker anmelden und erhält so einen Auftritt auf der Bühne. Das ist perfekt, um neue Sachen auszuprobieren oder Altes zu verbessern. Die Besucher zahlen auch keinen Eintritt. Ich und ein paar Freunde veranstalten selbst jede Woche ein Open-Mic in Zürich. Ich trete dort immer als Moderator auf. Meistens kommen so 30 bis 40 Zuschauer. Das Open-Mic findet jeden Mittwoch von 21 bis 22.30 Uhr an der Langstrasse statt. Das gibt es jetzt immer mehr auch in der Schweiz. In Amerika oder in Deutschland kann man als Comedian die ganze Woche spielen.

Wie kamen Sie von Einsiedeln nach Zürich?


Der Job, nach Einsiedeln ging ich zwei Jahre nach Flims, wo ich saisonal im Service gearbeitet hatte. Von dort aus zog es mich nach Bern für zwei Jahre und danach zog ich nach Altstetten, wo ich jetzt seit sechs Jahren lebe.

Verbinden Sie Ihr Hobby als Comedian auch manchmal mit der Arbeit als Serviceangestellter?


Das kommt darauf an, also ich mache keine Witze über die Gastrobranche. Das Potenzial ist da, aber irgendwie konnte ich nie aus meiner Arbeit Witze generieren. Ich bin auch nicht witzig beim Arbeiten – also ich bin nicht der, der während der Arbeit immer einen Witz bringen muss – ich komme mir auf jeden Fall so vor. Manchmal ist es aber auch eine Krankheit. Man möchte immer lustig sein und irgendwann hat man das Gefühl, dass die Leute das von einem erwarten, obwohl es gar nicht so ist.

Erleben Sie das so, dass die Leute von Ihnen erwarten, dass Sie immer wieder etwas Witziges erzählen?


Ja, manchmal ist das etwas nervig. Bei meinen Leuten, in unserer Bubble, wissen alle, was wir machen, da ist es nicht so. Doch wenn jemand Neuer hinzukommt, dann ist das schon manchmal extrem. Ich verweise dann einfach auf Youtube-Videos, dann habe ich auch gleich noch Klicks dazu (lacht).

Funktioniert Stand-Up-Comedy überhaupt spontan?


Das hängt immer von der Situation ab. Es braucht immer einen Grund für Comedy, also man kann nicht einfach aufstehen an der Hochzeit des Onkels und Witze erzählen. Stand-Up-Comedy muss zum Beispiel in einem Raum stattfinden. Man kann schon draussen Comedy machen, es ist aber nicht dasselbe wie in einem Raum. Das Lachen und die Atmosphäre sammeln sich in einem Raum. Draussen geht das verloren, wenn dann noch ein Auto vorbeifährt.

Möchtest du irgendwann mal von Comedy leben?


Wenn es klappt, dann sicher. In der Schweiz ist es sicherlich schwierig. Es gibt vielleicht ein Dutzend Leute, die davon leben können. Einer von ihnen ist mein Freund Kiko. In der Schweiz ist die Szene einfach noch zu klein. Vielleicht kommt es noch. Ich verfolge dieses Ziel aber nicht aktiv. Nach meinem Auftritt in «Das Zelt» in Lachen hatte ich gleich viel mehr Aufmerksamkeit als sonst.

Wie haben Sie Ihren Auftritt in «Das Zelt» erlebt?


Es war cool. Eigentlich hätte der Anlass bereits 2020 stattgefunden, wurde dann aber auf 2021 und letztendlich nochmals auf 2022 verschoben. Ich hatte mich mit einem Video beworben und wurde genommen. Ich bin gegen Caro Knack in einem Comedy-Battle angetreten. Gammenthaler und Unteregger sind wirklich coole Leute. Meinen Auftritt habe ich so begonnen: «Entschuldigung, ich bin etwas nervös, ich durfte noch nie vor so sympathischem Publikum spielen, bis jetzt immer nur in Zürich …» Das lieben die Leute, es war so geil, dann habe ich noch einige derbe, grenzwertige Witze gebracht.

Wo sehen Sie die Grenzen des schwarzen Humors?


Ich glaube, da gibt es keine Grenzen. Ein Kollege fragte mich kürzlich, ob es schon zu früh sei, über die Ukraine Witze zu machen. Ich habe schon drei auf der Bühne gebracht. Das Schlimme ist ja, dass es passiert. Wenn man Witze über traurige, reale Ereignisse macht, versucht man, auf das Thema aufmerksam zu machen. Schlimm ist, dass es passiert, und nicht, dass man darüber Witze macht. Man sollte über alles Witze machen dürfen. Es muss einfach Qualität haben. Ein unkreativer, beleidigender Witz über Randgruppen finde ich auch nicht witzig. Sobald ein Witz auf Kosten von jemand anderem als einen selbst geht, muss er Qualität und Genialität haben, ansonsten ist es nur fies und gemein.

Passen Sie Ihre Witze dem Publikum an?


Nein, nicht mehr. Beim Zelt zum Beispiel habe ich gar keine Leute gesehen, ich wusste, was ich zu sagen habe. In der Pause zum Beispiel kamen dann viele ältere Personen zu mir, die mich erkannt hatten und meinten «isch guet gsi Chäli» (lacht).

Und wenn Sie jemand nicht lustig findet?


Ist das absolut in Ordnung für mich, ich will und kann auch nicht jedem gefallen. Ich denke, meine Mutter oder mein Vater finden einige Witze nicht lustig, weil es eine andere Art von Humor ist, als das, was sie kennen …

Gab es schon Momente auf der Bühne, wo im Publikum niemand über Ihre Witze gelacht hat?


Das passiert oft, wenn man zum Beispiel neue Witze ausprobiert. Dann wechselt man einfach das Thema. Früher konnte ich nicht spontan zwischen Nummern wechseln. Da musste ich dann einfach durchziehen (lacht). Vor Kurzem rief eine aus dem Publikum «nöd luschtig» rein – war halt das Thema Ukraine. Irgendwann lernt man, nicht alles persönlich zu nehmen und weiss dann, dass man an dem Witz noch arbeiten muss.

Sind Sie schon auf wütende Reaktionen gestossen aufgrund Ihrer Witze?


Nein, bis jetzt noch nicht. Ich bin vom Typ her auch eher der Schüchterne auf der Bühne. Ich glaube, das ist es, was die Leute überrascht und das sie lustig finden. Ich bin mir bewusst, was ich mache, und dass es anecken kann. Aber genau das möchte ich auch.

Wie inspirieren Sie sich für neue Witze?


Ich notiere mir alles, was mir so in den Sinn kommt, auf meinem Handy. Ich habe zum Beispiel eine ganze Liste mit Namen und was diese Namen für mich bedeuten – Namen machen Menschen. Ich bin immer sehr aufmerksam, was um mich herum geschieht. Ich glaube, es gibt keine ignoranten Komiker.

Haben Sie Vorbilder im Bereich Comedy?


Ja, ich habe Vorbilder, von denen ich mich inspirieren lasse. Ich konsumiere sehr viel Comedy, hauptsächlich amerikanischen. Louis C.K. ist zum Beispiel ein Vorbild. In der Schweiz finde ich vor allem meine Kollegen, die auch Comedy machen, witzig. Mein Vater ist auch ein Vorbild für mich. Er hat immer viele Witze erzählt. Er kennt jeden Stammtisch-Witz. Als Kind habe ich auch viel Emil gehört. Von Kiko, mit dem ich viel Zeit verbringe, habe ich sehr viel gelernt. Fabian Unteregger ist killer, was er macht mit seinen Imitationen ist genial. Das kann ich nicht. Die Comedy-Szene wird immer grösser. Die Leute lachen gerne.

Was gefällt Ihnen an Stand-up-Comedy?


Dass man sofort Reaktionen vom Publikum erhält. Das ist für Stand-up-Comedy das Wichtigste. Ich habe auch schon für SRF ohne Publikum gespielt, aber das ist nichts. Es befriedigt auch nicht. Das Zweite ist die Narrenfreiheit. Darum ist es auch wichtig, dass es keine Grenzen gibt.

Welchen Einfluss hat Ihr Heimatdorf Einsiedeln auf Ihre Comedy?


Wir sind die, die illegal Fasnacht gefeiert haben, wir hatten das erste Babyfenster – und solches Zeugs. Einsiedeln hat so viel Potenzial und jeder kennt es. In «Das Zelt» in Lachen habe ich fast nur Einsiedler Witze gebracht.

Wie haben Sie Ihren ersten Auftritt erlebt?


Meinen ersten Auftritt hatte ich an einem Montagabend in der Kon-Tiki Bar in Zürich. Das war kein schlechter Auftritt. Mein zweiter Auftritt war scheisse, das weiss ich noch.

Denkt man nach einem schlechten Auftritt nie ans Aufhören?


Ich nahm einmal am Comedy-Pokal in Schmerikon teil. Ich kannte das nicht, und habe dann dort gespielt und kam in den Final, der an einem Schwingfest stattfand – 600 Leute in einem Festzelt. Dort musste ich als Erster raus und spielen. Das Publikum war noch gar nicht richtig drin, noch am Reden und am Bestellen. Ich fing an zu erzählen und vergass, was ich sagen wollte. Ich hatte so Angst, dass ich den Auftritt abgebrochen hatte und von der Bühne ging. Danach machte ich lange nichts und überlegte aufzuhören. Doch wenn man einmal einen guten Auftritt hat, dann möchte man niemals aufhören.

Ist ein grösseres Soloprojekt ein Ziel?


Ja, das wäre ein Projekt, das ich umsetzen möchte. Auf Ende Jahr schaffe ich das, das habe ich jetzt gerade entschieden (lacht). Das Solo soll «Ich bi single» heissen. Seit meinem ersten Auftritt sage ich am Schluss immer «Min Namä isch Jan Chäli, ich bi single, dankä vielmal».

Einsiedler Anzeiger / Lukas Schumacher

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

22.03.2022

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