Boten ein wahrhaftiges Klangerlebnis: Der verstärkte Orchesterverein, Stiftschor sowie Männer- und Frauenchor. Foto: Franz Kälin
Boten ein wahrhaftiges Klangerlebnis: Der verstärkte Orchesterverein, Stiftschor sowie Männer- und Frauenchor. Foto: Franz Kälin

Musik

Ein beglückendes Klangspektakel

Am Sonntag wurde die «Einsiedler Messe» nach 192 Jahren wieder einmal in ihrer Gesamtheit in der Klosterkirche aufgeführt. Das Gemeinschaftsprojekt von Stiftschor, Männerchor und Frauenchor sowie dem verstärkten Orchesterverein unter der Gesamtleitung von Pater Lukas Helg begeisterte das Publikum.

Abt Urban Federer persönlich begrüsste die Konzertbesucher mit sympathischen Worten. Musikfreunde aus nah und fern füllten die Klosterkirche bis auf den letzten Platz, sodass nicht allen ein Sitzplatz blieb. Mit verschiedenen Argumenten versuchte er zufällig anwesende Kirchenbesucher doch zum Bleiben zu animieren. Und so viel sei bereits vorweggenommen: Sie hatten ihr Bleiben keinesfalls zu bereuen! 


 


Fast 200 Jahre


Nach fast 200 Jahren erklang nun also die gross angekündigte, umfangreiche «Einsiedler Messe», welche ursprünglich 1826 zur Primiz von Pater Gall Morel, einem Einsiedler Mönch, beim italienischen Komponisten Giovanni Simone Mayr in Auftrag gegeben worden war, ausgerechnet am Todestag des Erschaffers an dem Ort, für den sie eigentlich geschrieben worden war, wieder in ihrer Gesamtheit. Es ist dem Mut und der Initiative des nach 42 Jahren abtretenden Stiftskapellmeisters Pater Lukas Helg zu verdanken, dass es überhaupt erst dazu gekommen ist, dieses Werk, dessen Autograph ja sogar in der klostereigenen Musikbibliothek lagert, aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Während über einer Stunde boten die gegen 200 Aufführenden, nach monatelangen intensiven Proben, ein phantastisches Gemeinschaftswerk, welches einen trotz der Kälte in der Stiftskirche alles andere als kalt liess.


Selbst Solisten aus der Region


Da waren zum einen vier überzeugende Gesangssolisten, welche häufig als äusserst harmonisches Quartett zum Einsatz kamen, mit der Sopranistin Angela Studer, zugleich Dirigentin des Einsiedler Männerchors, der gebürtigen österreichischen Altistin Lisa Weiss, dem Tenor Lukas Albrecht aus Brunnen und dem Arther Bassisten Jonathan Prelicz. Schön, dass auch Solisten aus der Region für solche Projekte engagiert werden können. Andererseits ein rund 120-köpfiger Chor zusammengesetzt aus dem Stifts-, dem Frauen- und dem Männerchor, der aufgrund der Masse zwar hie und da mit Abstimmungsproblemen kämpfte, jedoch mit sattem Volumen sowie klarer Artikulation überzeugte. Das rund 60-köpfige Orchester wurde nicht minder gefordert und hatte es mit der Kälte und damit mit der Intonation nicht immer leicht. Mehrere Instrumente wie Violine (Meinrad Küchler), Querflöte (Franziska Stäuble), Klarinette (Felix Ochsner) oder Waldhorn (Andreas Theiler) kamen verschiedentlich zu glanzvollen Soloeinsätzen. Musiziert und interpretiert wurde von allen Mitwirkenden äusserst ausdrucksstark und mit viel Herzblut. Der 74-jährige Pater Lukas Helg leitete die musikalischen Geschicke mit vollem Einsatz und grosser Leidenschaft.


Von Mayr und von Donizetti


Die traditionell fünfsätzige Messe wurde mit einem packenden Kyrie in c-Moll eröffnet. Das vierteilige, berührende Gloria war geprägt von verschiedenen Tempi (Allegro, Andantino und Andante), einem «Gratias» des Solistenquartetts, bei dem sich dieses richtiggehend entfalten konnte und einem «Qui tollis» mit einem ergreifenden Duett von Sopran und Tenor. Imposant dann das textreiche und damit ausgedehnte fünfteilige Credo mit zwei Abschnitten aus der Feder von Mayrs Schüler, dem italienischen Opernkomponisten Gaetano Donizetti, die sich vom Charakter her bestens in Mayrs Werk integrieren liessen. Sanctus und Benedictus waren geprägt von einem Wechselspiel zwischen einzelnen Solisten, von denen Höchstleistungen verlangt wurden und dem Hosanna mit reinen Chorpassagen. Von berührender Intensität dann das abschliessende Agnus Dei mit eindrücklichen Phrasen der Altistin und des Bassisten und einer Temposteigerung vom Andantino bis zum Presto. Die Nähe zur Oper war unverkennbar und die Messe wirkte, wie von Pater Lukas Helg vorausgesagt, eher wie ein Oratorium und war dank Wechseln in Tonarten, Stimmungen und Tempi enorm vielfältig, spannend und eingängig.


Mozart als Zugabe


Dass Wolfgang Amadeus Mozarts «Te Deum» (KV 141) nebst dem wahren Klangspektakel Mayrs etwas in den Hintergrund gedrängt wurde, mag verkraftet werden. Mozarts wohlklingende, kurze Komposition, mit mal düsteren, dann aber sofort wieder heiteren Elementen, bei dem sich die vier Solisten nochmals von ihrer besten Seite zeigen konnten und sich mit satten Chorpassagen abwechselten, konnte vielmehr wie eine überzeugende Zugabe aufgefasst werden. Damit erlebte das Klosterdorf am ersten Adventssonntag mit der Aufführung dieser Meisterwerke wohl etwas vom kulturell bedeutsamsten in diesem sich zu Ende neigenden Jahr, was nur dank grosszügiger Unterstützung zahlreicher Gönner und viel Fronarbeit Einzelner möglich ist. Die Konzertbesucher belohnten die beeindruckende Gesamtleistung nach einer kurzen, wenige Sekunden dauernden Stille mit verdientem, langanhaltendem Applaus und warteten sogar mit stehenden Ovationen auf. Der musikalische Gesamtleiter Pater Lukas Helg wurde richtiggehend gefeiert, wirkte zwar etwas erschöpft, aber glückselig. Zum Ende seiner Stiftskapellmeisterzeit hat er sich mit dieser Aufführung das grösste Geschenk wahrlich selber gemacht!


Einsiedler Anzeiger / Andrea Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

04.12.2018

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