Komponist Pater Theo Flury (vorne) freut sich zusammen mit dem Dirigenten Pierre-Fabien Roubaty über die gelungene Aufführung in der Einsiedler Klosterkirche. Bilder Victor Kälin
Komponist Pater Theo Flury (vorne) freut sich zusammen mit dem Dirigenten Pierre-Fabien Roubaty über die gelungene Aufführung in der Einsiedler Klosterkirche. Bilder Victor Kälin
Vier Solisten mit dem Ensemble Vocal de Lausanne sowie dem Choeur Arsis aus Fribourg zwei Spitzenchöre und die Sinfonietta von Lausanne sorgten am 19. Juni für ein Klang- und Hörerlebnis von selten gehörter Güte.
Vier Solisten mit dem Ensemble Vocal de Lausanne sowie dem Choeur Arsis aus Fribourg zwei Spitzenchöre und die Sinfonietta von Lausanne sorgten am 19. Juni für ein Klang- und Hörerlebnis von selten gehörter Güte.
110 Mitwirkende in Chor und Orchester.
110 Mitwirkende in Chor und Orchester.
Die Partitur: 2891 Takte! Zwei Stunden und 40 Minuten Musik.
Die Partitur: 2891 Takte! Zwei Stunden und 40 Minuten Musik.

Musik

Pater Theos klingende Kathedrale

Am vergangenen Samstag fand in der Klosterkirche ein ausserordentliches Konzert statt, das bestimmt in die Annalen der über tausendjährigen Musikgeschichte dieses Ortes eingehen wird.

Ein fabelhaftes Solistenquartett, zwei Spitzenchöre aus der Westschweiz und die mit auffallend vielen Jugendlichen besetzte Sinfonietta von Lausanne liessen unter der überragenden Leitung eines ebenfalls jugendlichen Dirigenten Pater Theo Flurys in zwölf Jahren erbaute musikalische Kathedrale «Splendor» in strahlendem Glanz erklingen.

Eine ums Dreifache verlängerte Sternstunde der Musik


Ein geistliches Konzert, das alle herkömmlichen Rahmen der Dauer, der Form und des Inhalts sprengte. Ein Heimspiel für den Komponisten, welches das etwa 300-köpfige Publikum nach beinahe drei vollen Stunden in entfesselte und nicht enden wollende Beifallsstürme ausbrechen liess. Wer wie der Berichterstatter
am Schluss völlig erschlagen war, musste sich zuerst erholen, bevor er in den allgemeinen Applaus einstimmen konnte. Alles in allem: eine fast ums Dreifache verlängerte Sternstunde der Musik mit manchen offenen Fenstern direkt in den Himmel hinein.


Der geniale Organist und Komponist Pater Theo sass unscheinbar mitten im Orchester an einer elektronischen Orgel. Der Einbezug der herrlichen Einsiedler Klosterorgeln war leider aus technischen Gründen nicht realisierbar. Gut möglich, dass Pater Theo deshalb ausser Programm auf der Marienorgel ein festliches Präludium improvisierte, als ob er seiner grandiosen Kathedrale ein passendes Portal voranstellen wollte. Denn was sich im Laufe des Abends immer wieder in grossen Massenszenen klanggewaltig in der Klosterkirche entlud, das begann ganz unscheinbar mit dem Einsatz der hervorragenden Mezzo- Sopranistin Carine Séchaye im allerersten Takt der Partitur.


Hervorragend besetzt


Das Solistenquartett war hervorragend besetzt. Die stimmgewaltige Sopranistin Charlotte Müller- Perrier sang mit bewundernswerter Leichtigkeit in die höchsten Höhen und war für manche Glanzpunkte der Partitur verantwortlich – Finalszenen, wie sie auch im Zürcher Opernhaus erklingen könnten. Der lyrische Tenor Rolf Romei hielt sich anfänglich etwas zurück, lief dann aber im Laufe des Abends in seiner Rolle als Evangelist und Bibelerzähler auf eine Höchstform auf. Dem Bariton Jean-Luc Waeber waren vor allem die Worte Gottes im Para-dies und die unter die Haut gehenden Schreie Jesu am Kreuz anvertraut. Ein fantastisches Solistenquartett, das oft zum Gesang der beiden Chöre und dem vollen Orchester wie eine strahlende Klangkrone eingesetzt wurde. Durchaus möglich, dass der Gesang der Solisten in den hinteren Reihen des Publikums nur mehr schwach zu hören war, weil er von den strahlenden Bläsern und der lauten Pauke teilweise zugedeckt wurde.


Ein besonderer Glücksfall


Ein besonderer Glücksfall ist der junge Dirigent Pierre-Fabien Roubaty (*1984). Sein Vater Pierre- Georges Roubaty, pensionierter Kapellmeister der Kathedrale von Fribourg, ist schon seit Jahren mit Pater Theo freundschaftlich verbunden. Aus dieser Freundschaft waren bereits früher zwei kleinere Oratorien entstanden.


Für die Uraufführung seines neuen und alles Bisherige weit in den Schatten stellenden Oratoriums «Splendor» war Pierre-Fabien Roubaty wirklich ein Geschenk des Himmels, der rich-tige Mann am richtigen Ort. Er brachte zwei herausragende, eigene Chöre mit, den Chor «Arsis » aus Fribourg, den er selbst im Jahre 2006 gegründet hatte – und das durch Michel Corboz weltberühmt gewordene Ensemble Vocal de Lausanne (EVL), das er seit 2019 leitet. Dieser Spitzenchor war vor einigen Jahrzehnten mit Carissimis Oratorium «Jephte» in Einsiedeln zu hören. Beide Westschweizer Chöre entpuppten sich als geniale Klangkörper allererster Güte. Höchste Präzision, wundervolle Dynamik und ein verschmelzender Klang konnten vor allem in den vielen eindrücklichen A-cappella-Chören bewundert werden. Pierre-Fabien Roubaty leitete den riesengrossen Apparat mit stupender Ruhe und ebensolcher Selbstverständlichkeit. Eine herausragende Leistung dieses jungen Maestros aus der Suisse Romande.


Bibel musikalisch illustriert


Es steht dem Berichterstatter nicht zu, Pater Theos neues Oratorium zu werten oder beckmesserisch an ihm herumzunörgeln. Er will hier nur berichten, wie er die Musik erlebt hat. Das ganze Spektakel (durchaus positiv gemeint!) kam ihm vor wie eine Sakramentsandacht vor ausgesetztem Allerheiligsten, die wunderbar zum zwei Tage vorher gefeierten Fest von Fronleichnam passt. Und mitten in dieser Andacht wird die Bibel vom ersten bis zum letzten Buch musikalisch illustriert.


Pater Theo ist der Chagall der Musik. Spannend, farbenfroh und abwechslungsreich, wie er die biblischen Szenen spielen und sin-gen lässt. Souverän, wie er wie ein geistlicher Wagner das Kunsthandwerk der Instrumentation völlig im Griff hat und dramatische Höhepunkte zu setzen versteht. Zwischendurch lässt «Lohengrin» grüssen. Überhaupt sind die Spätfolgen regelmässiger Opernhausbesuche des Komponisten deutlich zu hören. Für den Zuhörer wurde es bestimmt nie langweilig.


Er erlebte einen spannenden Spaziergang durch die ganze Bibel, der am Ostermorgen beinahe opernhafte Züge annahm. Das Ganze aber immer umrahmt von einer streng katholischen Glaubenshaltung, zentriert im Glauben an die Realpräsenz Christi in den beiden Gestalten von Brot und Wein. Eine musikalische Summe der Theologie, ein erratischer Block im 21. Jahrhundert, wo rundherum der Glaube allmählich schleichend verdunstet. Es ist fraglich, ob derjenige Teil des Publikums, der kein Latein gelernt hat, die Botschaft überhaupt verstehen konnte.


Für eine weitere Aufführung müsste unbedingt ein klareres Textbuch zur Verfügung stehen, in dem ers-tens die fremdsprachigen Teile auf Deutsch vorhanden sein und zweitens den einzelnen Rollen (Solisten/Chor) zugewiesen sein müssten. Dann könnte auch ein Nicht-Theologe dem geistlichen Inhalt der riesengrossen Partitur etwas näherkommen und bestimmt besser verstehen.


Pater Theo hat den Mut gehabt, die verschiedensten musikalischen Formen und Stile der Kirchenmusik vom einstimmigen Gregorianischen Choral über sehr bekannte Hymnen und Elemente des Oratoriums zu einer faszinierenden eigenen Musiksprache zu verschmelzen, die breite Massen im Innersten zu treffen vermag. Wer schon gehört hat, wie Pater Theo auf der Orgel in allen möglichen Stilen improvisieren kann, dem wurde an diesem Abend offenbart, dass er noch Grösseres kann.


Das Werk eines Genies


Summa summarum: das Oratorium «Splendor» ist das Werk eines Genies. Chapeau, lieber Theo, und höchste Bewunderung für die geniale Art, wie Du als Konvertit unseren katholischen Glauben auf faszinierende Weise zum Klingen gebracht hast. Dass dies auf so hohem künstlerischem Level geschah, hat der junge Maestro Pierre-Fabien Roubaty mit den Solisten, seinen Chören und dem Orchester ermöglicht. Merci à tous! Wetten, dass man von diesen Künstlern noch oft hören oder lesen wird.



Einsiedler Anzeiger / Pater Lukas Helg

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

21.06.2022

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