Joseph Bättig brachte den Zuhörenden Leben, Werk und Verbindung von Max Frisch näher. Bild Heinz Nauer
Joseph Bättig brachte den Zuhörenden Leben, Werk und Verbindung von Max Frisch näher. Bild Heinz Nauer

Literatur

Das Ich und die Welt

Der Luzerner Literaturhistoriker Joseph Bättig referierte im Gemeinschaftszentrum Freienbach über Max Frisch.

Schlohweisses Haar, markante Brille, ein elegantes Auftreten und ein markiges Referat. Genauso gut wie im Gemeinschaftszentrum, wo die Veranstaltung stattfand, hätte man sich Joseph Bättig, den 76-jährigen Luzerner Literaturhistoriker, auch auf der Kanzel der Freienbacher Pfarrkirche vorstellen können. Der Titel des Vortrags, den der Schwyzer Kulturpreisträger und ehemaliger Kantonsrat am Schmutzigen Donnerstag im Rahmen von «Kultur und Begegnung», einer bewährten Veranstaltungsreihe der Pro Senectute Schwyz, hielt, war schlicht: «Max Frisch, 1911–1991». Damit war schon angedeutet, dass der Anspruch des Referenten kein bescheidener sein würde an diesem Nachmittag.

Einladung für Frisch

Bättig ist ein erfahrener Erzähler, das begriff man bald. Immer wieder streute er in seine Ausführungen erhellende Anekdoten ein. Wie diese: 1971 veröffentlichte Frisch das Büchlein «Wilhelm Tell für die Schule», worin er sich kritisch mit der Schweizer Gründungsgeschichte auseinandersetzt. Dafür wurde Frisch teilweise heftig angefeindet. Bättig, damals Gymnasiallehrer am Kollegium in Schwyz, lud Frisch zu einer öffentlichen Diskussion über die Schweiz, die Schweizer Geschichte und die schweizerische Selbstvergewisserung ein, ins Bundesbriefmuseum in Schwyz. Frisch wäre gekommen, so Bättig. Doch die Veranstaltung kam nicht zustande. Sie scheiterte am Widerstand der Schwyzer Politik. Mit dem setze man sich nicht an denselben Tisch, hiess es. Dies Haltung hat sich in der Zwischenzeit geändert. Heute stösst das Werk Frischs auf breite Akzeptanz. Anlässlich seines 100. Geburtstags 2011 zierte sein Gesicht gar eine Sonderbriefmarke der Schweizerischen Post.

Identität, Liebe, Tod

Für Bättig ist klar, dass Frischs Werke zur Weltliteratur zählen. Die ersten Sätze von «Stiller» rezitierte er frei und in einem Tonfall, der sonst den Eingängen zu Homers «Odyssee» oder Dantes «Commedia» vorbehalten bleibt. Die betonte «Einmaligkeit jedes einzelnen Menschen», das fasziniere ihn bei Frisch, so Bättig. Überhaupt sei die Identität Frischs Hauptthema. Letztlich hätten alle seine Bücher immer ihn selbst und sein Verhältnis zur Umwelt zum Thema. Und doch gehe es bei Frisch um grosse Fragen, die letztlich alle Menschen angehen würden, neben Identität auch Liebe, Verantwortung, Vergänglichkeit, Tod. Ein gewisser Egozentrismus schwingt bei Frisch aber dennoch immer mit.

Leidenschaftlicher Erzähler

«Die Blätter fallen nicht für deine Romane von den Bäumen, sondern weil es Herbst ist», hat Peter Bichsel, der mit Frisch befreundet war, einmal zu diesem gesagt. Wäre Max Frisch, der, so Bättig, als Menschenfreund Persönlichkeiten mit reichem Innenleben, Überzeugung und Herz immer Respekt gezollt habe, selbst anwesend gewesen, er hätte wohl seine helle Freude an der Leidenschaft gehabt, mit der Bättig, bald klug sinnierend, bald wild gestikulierend, die Zuhörer in seinen Bann zog. Er hat es geschafft, den rund 50 Anwesenden in weniger als zwei Stunden Max Frischs Leben, Werk und die Verbindung dazwischen nahe zu bringen, oder den bereits damit Vertrauten zumindest nachhaltig in Erinnerung zu rufen.

March-Anzeiger und Höfner Volksblatt

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

17.02.2012

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