Der ehemalige Reallehrer in Buttikon, Franz Walter, schrieb anhand von historischen Dokumenten, die die Familienforscherin Bernadette Oertig transkribiert hatte, die Geschichte des Luthertaler Hannes, der 1826 als Heimatloser und Gauner hingerichtet wurde
Der ehemalige Reallehrer in Buttikon, Franz Walter, schrieb anhand von historischen Dokumenten, die die Familienforscherin Bernadette Oertig transkribiert hatte, die Geschichte des Luthertaler Hannes, der 1826 als Heimatloser und Gauner hingerichtet wurde

Literatur

Die Gaunerherberge ob Altendorf

Diebe,Vaganten und Gesindel – oder Heimatlose mitTräumen, Wünschen und Hoffnung auf ein rechtschaffenes Leben? Franz Walter, der ehemalige Lehrer an der MPS Buttikon, zeichnet in seiner Geschichte über den Luthertaler Hannes ein unrühmliches Kapitel der Schweizer Geschichte nach: den grossen Gaunerprozess von 1824 bis 1826.

«Die Zunderschwammgewinnung geht dem Ende zu. Hannes ist mit dem Ergebnis zufrieden. Einmal nicht von der Hand in den Mund leben zu müssen und sich nicht um den morgigen Tag kümmern müssen. Einmal sich als König fühlen, als kleiner Napoleon.» Davon träumt Johann Kiwiler, genannt Luthertaler Hannes. Nur: Das Leben ist keinTraum.Vom Handel mit Zunder und Körben lässt sich schlecht leben.Als Heimatloser ist er nirgends geduldet, zieht umher, bricht da und dort mit anderen «Vaganten» in Bauernhäuser ein, entwendet Speck oder Geschirr, das er auf dem Markt verkauft, stiehlt auch mal ein Schaf von der Weide.

«Himmugüegelisapperlott, kennen wir uns?»

Der Autor Franz Walter stützt sich in seinem Buch mit dem etwas sperrigen Titel «Himmugüegelisapperlott, kennen wir uns? – die Geschichte des Luthertaler Hannes» auf umfangreiche Recherchen der Familienforscherin Bernadette Oertig. «Vorfahren hat man im Quadrat», sagt die Pfäffikerin, die seit 20 Jahren Familienforschung betreibt. Und so stiess sie auf einen Vorfahren ihrer Grossmutter – Johann Kiwiler, der im Rahmen des grossen Gaunerprozesses am 22. Juli 1826 hingerichtet wurde. Bernadette Oertig hat unzählige historische Dokumente transkribiert. Im Archiv der March fanden sich zwar keine Unterlagen, beispielsweise zur Aushebung der Gaunerherberge oberhalb von Altendorf, wohl aber im Staatsarchiv in Schwyz. Dort stiess sie auf Fahndungen und Gerichtsprotokolle. «Luthertaler Hannes zog nicht immer alleine umher, auch seine Kumpane sind dokumentiert», sagt Bernadette Oertig. So kam eine Fülle von Material zusammen. «Faszinierend sind die Datenangaben», sagt die Familienforscherin. So kann beispielsweise nachgelesen werden, was am 19. April 1825, vormittags, anlässlich der «Confrontation zwischen Johann Kiwiler und dem Landjäger-Wachtmeister Josef Buholzer vor der II. ausserordentlichen Criminal Verhör Commission» protokolliert wurde. Mit diesen Dokumenten und der Lektüre von Büchern zum Thema konnte sich Franz Walter ein umfassendes Bild machen: «Es ist enorm spannend, mit Fakten zu arbeiten.»

Lange Tradition

«In Lorenz Knobels Haus in der Schwändi ob Altendorf geht es hoch zu und her. Gaunerherberge mit langer Tradition. Beliebter Treffpunkt von Heimatlosen, Bettlern und anderem Gesindel. Fasnacht in der March, eine verrückte Zeit. Ausgelassenheit und Tollheit ufern aus, wie kaum wo sonst.» Luthertaler Hannes und seine Begleiter landeten nach einer Diebestour in der Schwändi. Und auch wer die Fasnacht nicht liebt, verbringt die kalte Jahreszeit in der Gaunerherberge, denn: «Hier tanzt selbst der Landjäger, der uns eigentlich verfolgen sollte, eifrig mit. Er und der Schwändi- Wirt sind goldige Typen […] Unser tanzender Landjäger Schönbächler hier ist bei kleinen Diebestouren in Aufpasserfunktion ein gern gesehener Begleiter.» Nach der Franzosenzeit verstärkten die Behörden aber den Druck auf die Heimatlosen. Zufluchtsorte für die Gejagten wurden rar. So verkommt das Leben von Luthertaler Hannes und seiner Begleiterinnen und Begleiter mehr und mehr zu einem Katzund- Maus-Spiel. Einer, der es besonders auf Heimatlose und Vaganten abgesehen hat, ist Landjäger-Wachtmeister Josef Buholzer. Er trifft auf dem Schwendeli bei Haltikon auf Hannes mit seinen Kumpanen und will sie vertreiben. Die widersetzen sich aber, weil sie sich nicht auf Luzerner Boden befinden. Mit Vorliebe halten sich die Heimatlosen in Grenzgebieten auf, so können sie sich schnell in einen anderen Kanton absetzen.Trotzdem: Hannes wird des Öftern gefasst, auch von Buholzer. Manchmal kommt er schnell wieder frei, mehrmals wird er aber zu mehrjähriger Kettenhaft verurteilt. Immer wieder aber trifft er nach der Entlassung auf Kumpane oder seine «Beyhälterin » mit seiner Tochter.

Seltsam anmutende Namen

«Alle Personen im Buch sind verbürgt », sagt Franz Walter, «der Landjäger Buholzer, auch der Landjäger Schönbächler oder der Schwändi-Wirt Knobel.» Und die seltsam anmutenden Namen der Vaganten wie Zitterlunzeli, Siechenazi

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

07.02.2014

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