Reeto von Gunten liest dem Publikum vor (rechts), auf der Leinwand spielt von Gunten einen Mann, der seine Nachbarn beobachtet. Bild Silvia Camenzind
Reeto von Gunten liest dem Publikum vor (rechts), auf der Leinwand spielt von Gunten einen Mann, der seine Nachbarn beobachtet. Bild Silvia Camenzind

Bühne

Der doppelte Reeto von Gunten in Gersau

Das letzte Mal war Reeto von Gunten mit einer Diashow am Gersauer Herbst. Diesmal war es etwas weniger lustig – angesagt war eine Lesung.

Am Schluss stand Reeto von Gunten am Mittwochabend fast entschuldigend vor seinem Publikum im Alten Rathaus. Er habe vor zwei Jahren herausgefunden, dass zwischen seinem Telefon und ihm etwas nicht stimmt. Darauf hat der Radiomann, Autor und Bühnenkünstler «Rear window 2.0» geschrieben und in seiner Art umgesetzt, mit Film, mit Musik von Manillo und mit seiner typischen Pinnwand voller handgeschriebenen Sprüchen, Zetteln und Fotos.

Voll parat

Am Gersauer Herbst sass Reeto von Gunten nun also an einem kleinen Tisch. Dominant dahinter die Leinwand und darauf dasselbe Bild wie live vor dem Publikum. Hier sah man ebenfalls von Gunten, am selben Pult. Ein Mann von der Informationstechnologie besessen, «voll parat» für alles, das abgeht in der virtuellen Welt. Er schafft es seit Monaten nicht mehr aus dem Haus. Er leidet an Nomophobie, der Angst, per Handy nicht mehr erreichbar zu sein. Fällt der Strom aus, leidet der News-Junkie an Entzug. Reeto von Gunten sitzt live vor dem Publikum, blickt zu seinem Alter Ego, tritt in Dialog mit ihm und erzählt, wer wo im Haus wohnt. Der Autor tut dies mit seiner sonoren Stimme, die man vom Sonntagmorgen am Radio kennt, und mit Sprachwitz. Das ist unterhaltsam, witzig, aber auch anstrengend. Mal schnell wegswitchen, das Handy checken, wie der Mann auf der Leinwand? Eher fehl am Platz, denn der Reeto von Gunten ist präsent, ruhig, konzentriert. Das Gegenteil von Reeto von Gunten auf der Leinwand, dem nervösen Hektiker. Dieser beobachtet mit dem Feldstecher die Menschen, vor denen der greifbare von Gunten live vorliest.

Von social zu sozial

Der Autor erzählt von der Unfähigkeit, sich mit sich selber zu beschäftigen, vomLeben zurück, von social zu sozial. Er verwebt das gekonnt. In der Essenz hielt Reeto von Gunten ein Plädoyer für Zuneigung und Liebe: «Für alles, wo isch gsy. Danke. Für alles, wo nu chund. Ja gärn.» Die rund 80 Anwesenden dankten mit langem Applaus. Wer ihn nun das erste Mal gesehen habe, wisse, warum er nicht beim Fernsehen, sondern beim Radio arbeite, meinte von Gunten. Und das nach zwei Stunden doppeltem Reeto. Kein Zweifel, der Mann kokettiert. Oder hat das Publikum auf der Leinwand sich selber gesehen?

Bote der Urschweiz

Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

14.11.2014

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