Dies & Das
«I dr Butig» – eintauchen ins Paradies der Nachhaltigkeit»
Unter dem Titel «I dr Butig – Altes Handwerk in Einsiedeln» unternimmt die Ausstellungsgruppe des Einsiedler Chärnehus einen faszinierenden Blick zurück in die Geschichte der Handwerksberufe, von denen viele ausgestorben sind. Damit wird nicht nur ein Stück Lokalgeschichte gezeigt, sondern auch wie gut es war, als Dinge noch ihren Wert hatten.
Ein Beruf gibt dem Menschen nicht nur Brot, sondern auch eine Lebensaufgabe und einen Tagesrhythmus. Noch viel stärker als heute war dies vor einigen Jahrzehnten der Fall, als noch eine Vielzahl von Handwerksberufen das Ortsbild von Städten und Dörfern wie Einsiedeln prägten. Diese Vielfalt an Berufen und Werkstätten lebt noch einmal in ganzer Pracht in der Chärnehus-Ausstellung auf, die mit viel Herzblut aufgebaut worden ist und am Samstag feierlich eröffnet wurde.
In ihrer Ansprache erläuterte Susanna Bingisser, Historikerin und Leiterin der Ausstellungsgruppe im Chärnehus, den Begriff «Butig» (Boutique), der früher für «Werkstatt» stand. Auch sie habe den Begriff noch von ihrem Vater in Erinnerung, meinte sie. Solche Werkstätten hätten vor einigen Jahrzehnten noch das Einsiedler Strassenbild geprägt und eine Welt voller Gerüche und Geräusche gebildet, in die man in der Ausstellung eintauchen könne.
Verwendung des grossen Archiv-Bestandes
Die Ausstellung habe die Möglichkeit geboten, einen Teil des grossen Bestandes an Exponaten zu präsentieren, der schon seit Jahrzehnten im Chärnehus-Archiv lagere. Sie dankte den Spendern und Sponsoren und all den Freiwilligen für ihre grosse Arbeit, die wiederum in einer prächtigen Broschüre mit 160 Seiten zusammengefasst ist. Einen besonderen Dank richtete sie an Walter Koch und Ueli Zimmermann vom Muse-um für Textil- und Industriekultur in Neuthal, die einen zerlegten Webstuhl aus dem Chärnehus-Fundus zusammengesetzt hat-ten, den Bingisser «das heimliche Herzstück der Ausstellung» nannte. Sie erinnerte ausserdem an die Begleitveranstaltungen in Form eines Werkstattbesuchs im Kloster und einem Brauereibesuch sowie an die Vorführungen der Theatergruppe mit dem Titel «Liecht i dr Butig». Die Vernissage wurde durch die «Handwerksmusik» von Susanne Theiler (Arrangements und Klavier), Sophie Schönbächler (Geige) und Franziska Stäubli (Flöte und Piccolo) heiter abgerundet. Sie spielten lustige Handwerker-Stückchen vom «Bäcker und Schneider» bis hin zum «Tailor of Gloucester». Zum Abschluss klopfte Zeno Schneider den Takt des Schmiedehammers zur «Amboss-Polka».
Jeder Beruf hat sein kleines Häuschen
Damit war die Ausstellung eröffnet, und das Publikum konnte auf vier Etagen die reiche Berufswelt erkunden, die noch vor einem Jahrhundert existierte. Wiederum ist es eine schön gestaltete Ausstellung mit viel Liebe zum Detail, die viel Interessantes und Vergessenes zum Vorschein bringt. Jedes der rund 20 vorgestellten Berufsbilder hat seine eigene kleine «Butig» in Form eines lustig gestalteten Häuschens. Diese machen deutlich, dass früher ganze Häuser und Ortsteile nach Berufen benannt wurden. So läuft man denn von Werkstatt zu Werkstatt und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Vom Schmied bis zum Bäcker, vom Brauer bis zum Schuhmacher, vom Uhrenmacher bis zum Fassmaler – alle Berufe werden in Bild und Text sowie anhand von Werkzeugen vorgestellt. Etwas einsam zwischen den «Männerberufen » nehmen sich die beiden «weiblichen» Berufsgattungen der Seidenweberinnen und Weissnäherinnen aus. Letzterer war einer der ersten Lehrberufe für Frauen, die noch lange von vielen anderen Berufen ausgeschlossen blieben.
Handwerk meist ohne «goldenen Boden»
Wie bereits erwähnt, steht im Zentrum der Ausstellung ein grosser Webstuhl, der wieder in Schuss gebracht wurde. Solche Geräte standen im 19. Jahrhundert in vielen Stuben in der Region, bis sie schliesslich der Industrialisierung zum Opfer fielen. Der angebliche «goldene Boden», den das Handwerk angeblich hat-te, war wohl für die meisten Berufsgattungen eher ein Wunschtraum. Harte Arbeit ohne sozialen Schutz galt für die meisten Handwerksberufe. Hinzu kam die tägliche Konkurrenz – zum Beispiel durch «Störhandwerker» – wandernde Berufsleute ohne «Butig» und mit einem niedrigen Ansehen. Auch ihnen ist ein Kapitel in der Ausstellung gewidmet. Erst übernahmen die Zünfte die Protektion ihrer Berufsleute, später sorgten zunehmend kantonale und staatliche Institutionen und Gesetze die Regelung von Ausbildung und Ausübung der Handwerksberufe. Auch solche Aspekte sind in der Ausstellung durch sehenswerte Dokumente wie Berufszeugnisse, Walzbriefe und Reglemente belegt. Im Dachstock können die Ausstellungsbesucher weitere historische Berufsbilder in Form von Filmporträts kennenlernen. Darin werden auch die für das Klosterdorf so typischen Handwerksberufe für den Devotionalienhandel vorgestellt. So wurden beispielsweise Rosenkränze lange in Akkordarbeit von Frauen hergestellt, die als Hausfrauen mit Heimarbeit ein Zubrot verdienten. Wer sich also ins Chärnehus aufmacht, den erwartet eine reichhaltige und kurzweilige Ausstellung mit viel Tiefgang, für die man ruhig ein paar Stunden einplanen sollte.
Ausstellung
Bis 1. Februar 2026. Geöffnet Samstage, Sonntage, sowie 2./6./21. Januar 2026, jeweils 13.00 bis 17.30 Uhr. Eintritt frei, Kollekte.
Einsiedler Anzeiger / Eugen von Arb
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Einsiedler Anzeiger
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