Das Alpenmonster hat den Zusenn fest im Griff: «Sennentuntschi» (Ursula Bürgler) mit Fridolin (Zälli Beeler).
Das Alpenmonster hat den Zusenn fest im Griff: «Sennentuntschi» (Ursula Bürgler) mit Fridolin (Zälli Beeler).

Bühne

Bühne 66: Gelungene Sennentuntschi-Premiere

Vier herausragende Schauspieler, eine bekannte Alpensage und eine prall-bunte Inszenierung mit Überraschungen: Das ist der Stoff, aus dem das neue Stück der Bühne 66 gemacht ist. Das Motiv männlicher Wünsche und der Fluch, in den sie sich verkehren können, wird zeitgemäss und kraftvoll umgesetzt.

Drei Sennen richten sich ihre Alphütte ein und bereiten sich auf einen langen, einsamen Sommer in derAbgeschiedenheit vor. Von Anfang wird mit wenigen Mitteln viel Atmosphäre geschaffen, wobei sich der gemütliche Wohnwagen, der den Sennen als Alphüttli dient, als wahrer Glücksfall entpuppt: Die Enge, Beklommenheit und Einsamkeit der drei Sennen kommt von Anfang an zum Tragen und wird dabei nicht einfach mit plumper Alphüttenromantik verkitscht. Dadurch wird klar, dass die Bühne für diesen Stoff einsamer Männerherzen auch ein Gefängnis, das Militär oder ein Feriencamp sein könnte.

Grossartige Leistung

Von Anfang an wird auch schnell klar, dass hier drei Schauspieler am Werk sind, die ihr Handwerk verstehen. Was vor allem Urs Kündig (Benedikt, der Senn) und Zälli Beeler (Fridolin, der Zusenn) bieten, ist schlicht brillant. Ihre grosse Erfahrung, absolute Textsicherheit und träfe Sprache lassen sie ihre Rollen authentisch spielen und lassen viel Raum offen für das Wesentliche, für das, was zwischen den Zeilen steht. Nicht nur mit derben Sprüchen, sondern mit gekonnt feiner Gestik und Mimik kommt zum Ausdruck, was die Sennen in ihrem abgeschiedenen Leben bewegt: Langeweile, Sehnsucht nach der Frau, die Enge ihres Daseins, homosexuelle Neigungen, Angst vor den Urgewalten der Natur und Aberglaube. Auch Neuling Beat Tschümperlin, der Mani, den naiven Sennenbub, spielt, fällt neben den erfahrenen Schauspielern nicht ab, sondern wird von deren professionellem und gleichzeitig lockerem Spiel mitgetragen.

Die ewige Sehnsucht nach der Frau

Im Alkoholrausch und aus Langeweile und sexuellem Notstand basteln sich die Männer schliesslich eine Puppe. Aus einer Mistgabel, einer leeren Weinflasche und ein paar Kleidungsstücken entsteht im Nu das «Sennentuntschi». Die drei Männer lassen ihrer Fantasie nun freien Lauf, erschaffen sich ihr eigenes Geschöpf, taufen es auf den Namen Maria und vergehen sich dabei an der Schöpfung. Das Stück befindet sich auf seinem ersten Höhepunkt, die Ereignisse überstürzen sich, und die drei Sennen verlieren die Kontrolle über sich selber. Das «Sennentuntschi» muss für ihre aufgestauten sexuellen Gelüste herhalten, wird zur Projektionsfläche ihrer unerfüllten perversen Gedanken und wird schliesslich lebendig. Ursula Bürgler spielt das herrlich schrulliggfürchig hergemachte «Sennentuntschi » meisterhaft und konsequent bis zum bitteren Ende.

Die Rache des «Sennentuntschi»

Das Stück hat durchaus seine komischen Momente, in denen das Publikum lachen, aufatmen und sich entspannen kann. Doch fällt die Spannung nie ab, und die Handlung spitzt sich temporeich zu. Denn das unersättliche «Sennentuntschi» lernt schnell von den Sennen und verselbstständigt sich langsam, aber sicher. Die Situation beginnt den Männern über den Kopf zu wachsen, sie werden von der Urkraft dieses «Sennentuntschi» schlichtweg überrollt. Interessant und unerwartet sind die verschiedenen Reaktionen der Sennen. Mani, der Sennenbub, blüht richtiggehend auf durch die sexuellen Erfahrungen und bekommt das «Tuntschi» gern. Der rüde Zusenn Fridolin gerät vollends in den Machtkreis des unheimlichen Geschöpfs, und Senn Benedikt, dem die Situation vonAnfang an nicht geheuer ist, stellt sich schon bald die Frage, was denn nun mit dem «Sennentuntschi» geschehen soll, denn die Alpabfahrt naht unweigerlich. Am Tag der Abreise wollen sich die drei Sennen einfach davonstehlen, das «Sennentuntschi» zurücklassen, es in der Alphütte einsperren. Doch der gottlose Wunsch lässt sich nicht mehr umkehren, das «Sennentuntschi» fordert seinen Tribut und nimmt Rache.

Leckerbissen für Theaterfreunde

Hansjörg Schneiders Stück aus den 70-er-Jahren vermochte damals bei der ersten Fernsehausstrahlung noch einen Skandal zu verursachen. Dieser Ruf haftet dem Stück noch heute zu Unrecht an, denn es lässt sich nicht auf ein paar derbe Sprüche und sexuelle Andeutungen reduzieren. Aktuell und brisant bleibt der Stoff in seiner archetypischen Urtümlichkeit kraftvoller männlicher

Autor

Bote der Urschweiz

Kontakt

Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

11.04.2011

Webcode

www.schwyzkultur.ch/vUSZGV